Gruppenarbeit : Wie sich Teams lernwirksam zusammenstellen lassen

Ob Schülerinnen und Schüler in einem Team gut miteinander arbeiten, hängt wesentlich von der Zusammenstellung der Gruppe ab. Für Lehrkräfte ist es vor allem die Herausforderung, Teams so zu bilden, dass sich möglichst alle gleichermaßen einbringen und wohlfühlen. In vielen Schulen gehören kooperative Lernformate inzwischen aber zum Unterrichtsalltag, und so gibt es auch einige Erfahrungen darin, lernwirksame Teams zusammenzustellen. Das Schulportal hat eine Brandenburger Gesamtschule besucht und sich angeschaut, wie es dort läuft.

Lehrer mit Schülern im Klassenraum bei der Teamzusammenstellung
Lehrer Christoph Groß unterstützt Timon, Jakob Chiara und Kim (v.l.) bei der Teamarbeit.
©Annette Kuhn

Für Christoph Otto Groß ist klar: Lernen muss zeitgemäßer werden. Den Schlüssel dazu sieht der Lehrer für Geschichte und LER (Lebensgestaltung, Ethik, Religionskunde) vor allem in kooperativen Lernformaten. „Die versuche ich in jede Lerneinheit einzubauen“, sagt er beim Besuch des Schulportals an der Grace Hopper Gesamtschule in Teltow, gleich hinter der Grenze von Berlin. Fächerübergreifendes Lernen, Projekt- und Gruppenarbeit sind im Konzept der Schule fest verankert. Ein Grund, wieso sich Groß für diese Schule entschieden hat.

Aber der Lehrer weiß auch, dass Teamarbeit nicht als Selbstläufer zum Erfolg führt. Wichtig für eine lernwirksame Gruppenarbeit sei vor allem die Zusammenstellung der Gruppen. Drei bis vier Schülerinnen oder Schüler in einem Team – das sieht er als gute Größe und schiebt wie zum Beweis gerade die Einzeltische in Viererblöcke für die Doppelstunde zusammen, in der er gleich eine 8. Klasse unterrichtet. Und wenn die Teams mit digitalen Medien arbeiten, sollten höchstens zwei ein Gerät nutzen, sonst könnten sich nicht alle gleichermaßen beteiligen.

Fähigkeiten-Liste hilft bei der Teamzusammenstellung

Aber noch entscheidender als die Zahl der Schülerinnen und Schüler sei das, was sie in ein Team einbringen. „Wichtig ist, die Gruppen nach ihren Stärken zusammenzustellen“, so seine Erfahrung. Um dabei die richtige Mischung zu erreichen, nutzt der Lehrer ein System, das auf der eduScrum-Methode basiert. Er arbeitet mit einer Fähigkeiten-Liste (siehe unten PDF zum Download). Auf der Liste sind 21 Eigenschaften vermerkt – von „Führung übernehmen“, „Organisieren“ und „Präsentieren“ über „Positiv denken“, „Kreativ sein“ und „Genau sein“ bis „Zuhören“, „Für Wohlbefinden sorgen“ und „Arbeiten mit Computersoftware“.

Alle Schülerinnen und Schüler der Klasse bekommen einen Ausdruck dieser Fähigkeiten-Liste und sollen jeweils fünf Stärken ankreuzen. „Viele sind sehr kritisch mit sich“, hat Groß dabei beobachtet, aber die Liste helfe ihnen, sich selbst zu reflektieren. Und manche bekämen auch Mut, eine gewohnte Rolle zu verlassen und auch mal neue Aufgaben zu übernehmen.

Die Zettel sammelt Groß ein und filtert erst mal diejenigen heraus, die angekreuzt haben, Führung übernehmen zu wollen. Sie werden zu „Team Captains“ und damit beauftragt, ihr Team zusammenzustellen. Dazu erhalten sie die ausgefüllten Fähigkeiten-Listen der Mitschülerinnen und Mitschüler. Allerdings anonymisiert Groß die Zettel vorher, indem er die Namensköpfe umklappt. Damit will er sicherstellen, dass die Auswahl nicht nach Sympathien, sondern tatsächlich nach den jeweils genannten Stärken erfolgt.

Ein Quiz, damit sich die Teams für die Zusammenarbeit warmlaufen

„Ich habe gute Erfahrungen mit diesem Vorgehen bei der Teamzusammenstellung gemacht, weil es für alle transparent ist und die Schülerinnen und Schüler selbst Verantwortung für ihre Gruppe übernehmen“, erklärt er. Und sollten doch mal Schülerinnen und Schüler überhaupt nicht miteinander arbeiten können, sind Änderungen in den Teams natürlich möglich. Gerade in der Pubertät müsse man hier sensibel vorgehen.

Doch auch eine Gruppe, in der alle gut zusammenpassen, funktioniere nicht immer gleich auf Anhieb, sondern alle müssten sich erst mal einander annähern. Vor der eigentlichen Teamarbeit macht er daher zum Warmlaufen erst mal ein Gruppen-Quiz. Solche gruppenbildenden Maßnahmen vorzuschalten sei insbesondere in heterogenen Gruppen wichtig, betont auch Bildungsforscherin Katja Adl-Amini im Interview mit dem Schulportal.

Mir gefällt Gruppenarbeit, weil man sich da besser aufteilen kann und nicht alles allein machen muss.
Jakob, Schüler der 8. Klasse an der Grace Hopper Gesamtschule in Teltow

Das Quiz zu Beginn der Doppelstunde führt die Klasse auch gleich in das Unterrichtsthema „Armut – Reichtum“. Christoph Groß stellt fünf Schätzfragen, zu denen sich die Teams jeweils auf eine Antwort verständigen müssen. Schon das ist eine kleine Herausforderung für das Team, weil die Gruppenmitglieder nicht immer auf Anhieb einer Meinung sind und trotzdem zügig zu einer gemeinsamen Schätzung kommen müssen. Das bringt alle in die Kommunikation und lockert die Arbeitsatmosphäre.

Die Mitglieder einer Gruppe müssen zusammenpassen

Auf diese Weise „vorgewärmt“, geht es in den Teams dann an die eigentliche Aufgabe: In einem fächerübergreifenden Projekt des GeWi-Unterrichts (Gesellschaftswissenschaften) sollen sich die Schülerinnen und Schüler in die Rolle eines Ministeriums begeben und eine Kampagne mit dem Titel „Wir schließen die Schere zwischen Arm und Reich“ entwickeln. Zuvor haben sie sich schon in ihren Gruppen entsprechende Maßnahmen überlegt.

Groß hat für die Teams, gemeinsam mit einigen Kolleginnen und Kollegen, dafür ein kleines Heft vorbereitet, in dem die Teams Tipps für das Erstellen von Plakaten, Flyern und Werbevideos finden und in das die Teams dann eintragen, wer welche Aufgabe im „Ministerium“ übernimmt und auf welche Schritte sie sich verständigt haben.

Jakob und ein Mitschüler zum Beispiel haben sich vorgenommen, einen Flyer zum Thema Bildung zu erstellen. Sie haben sich jeder einen schuleigenen Laptop vom Stapel genommen und suchen gerade nach dem entsprechenden Programm. „Mir gefällt Gruppenarbeit“, sagt Jakob, „weil man sich da besser aufteilen kann und nicht alles allein machen muss.“ Und er findet es auch meistens gut, wenn nicht nur Freunde in der Gruppe sind – „weil man sich sonst viel eher ablenken lässt und über andere Sachen redet“.

Alle sind engagierter, wenn die Aufgaben fair verteilt sind und es einen genauen Zeitplan gibt. Damit jeder weiß, wann er seine Aufgabe fertig haben soll.
Kim, Schülerin der 8. Klasse an der Grace Hopper Gesamtschule in Teltow

Sein Mitschüler Timon weiß aber auch, dass es nicht in jedem Team gleich gut läuft: „Schwierig ist es, wenn man einen in der Gruppe überhaupt nicht mag oder wenn einer keine Lust hat – dann müssen die anderen alles übernehmen.“ Darum findet er Gruppenarbeit auch nur dann gut, wenn alle zusammenpassen. Sonst würde auch das Vertrauen fehlen, und dann würde man gar nicht richtig zusammenarbeiten, sondern jeder doch sein eigenes Ding machen.

Kommunikation ist beim kooperativen Lernen wichtig

Für Kim ist das auch eine Frage der Organisation: „Alle sind engagierter, wenn die Aufgaben fair verteilt sind und es einen genauen Zeitplan gibt. Damit jeder weiß, wann er seine Aufgabe fertig haben soll.“ Ihr gefällt daher auch die Struktur mit einem oder einer „Team Captain“. Die oder der könne auch die weniger Engagierten mitziehen.

Was Kim aber vor allem am kooperativen Lernen mag, sind die Kommunikation und die Möglichkeit, „sich auch mal mit anderen Meinungen auseinanderzusetzen“ – auch wenn es manchmal schwerfalle, nicht gleich dagegenzureden, sondern erst mal zuzuhören. Bis sich die Gruppe auf die entsprechenden Maßnahmen für ihr „Ministerium“ geeinigt habe, um die Schere zwischen Arm und Reich zu schießen, hätten sie erst mal viel diskutiert.

Jetzt sind die Teams schon in der Umsetzungsphase. Am Ende der Doppelstunde sind manche Flyer und Plakate schon recht weit gediehen. Chiara bringt gerade das erste Plakat zum Abschluss. Sie findet es gut, dass sie bei der Teamarbeit viel mit Laptops arbeiten. „Man kann sich gegenseitig viele Tipps bei der Gestaltung geben und kommt zu einem viel besseren und kreativeren Ergebnis.“

Regelmäßig Feedbackschleifen zwischen Teams und dem Lehrer

Manchmal komme eine Gruppe aber auch nicht voran, weiß Christoph Groß, der während der Doppelstunde von Tischgruppe zu Tischgruppe geht. Er hält nicht viel davon, „Gruppen ins Chaos laufen zu lassen“, aus seiner Sicht komme da nicht immer eine gute Lösung heraus, sondern oft sorge das nur für Frustration. Daher gibt es auch ständig Feedbackschleifen, bei denen er die Gruppen darin unterstützt, schrittweise zum Ziel zu kommen. „So fügt sich Perle um Perle auf einer Perlenschnur zusammen“, beschreibt Groß. Manchmal reicht es dabei auch schon, wenn er technische Hilfestellung gibt oder mit einer gezielten Frage die Diskussion in der Gruppe anregt.

Wichtig findet er auch, alle Teams im Blick zu behalten. Keine leichte Aufgabe, weil sich die Klasse auch auf zwei Nebenräume und den Flur vor dem Klassenzimmer verteilt hat. Darum gehört auch die räumliche Planung der Gruppenarbeit für ihn zur Vorbereitung der Gruppenarbeit. Aber diese Planung lohne sich, denn mit einer guten Teamzusammenstellung und einer guten Organisation der Teams sei das Unterrichtsergebnis besser, und auch das Lernen würde mehr Spaß machen – den Schülerinnen und Schülern, aber auch ihm selbst.

  • Die Fähigkeiten-Liste für die Teamzusammenstellung und das Arbeitsheft zur Kampagne „Wir schließen die Lücke zwischen Arm und Reich“ stehen hier zum Download bereit:

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Die Fähigkeiten-Liste für die Teamzusammenstellung und das Arbeitsheft zur Kampagne „Wir schließen die Lücke zwischen Arm und Reich“ stehen hier zum Download bereit: