Für MINT begeistern : „Jugend forscht“ als Schulfach
Bei „Jugend forscht“ gibt es eine Menge Wiederholungstäter. Vor allem Schulen mit starkem MINT-Profil setzen auf die motivierende Kraft des Wettbewerbs und begleiten jedes Jahr wieder Jugendliche in ihren Forschungsprojekten. Zwei Lehrerinnen erzählen, woher die Ideen für die Projekte kommen, wie sie die Schülerinnen und Schüler unterstützen und wie ihre Schulen gezielt das Interesse für naturwissenschaftliche Fragestellungen wecken.

Den Chemiebaukasten haben die Schülerinnen und Schüler, die bei „Jugend forscht“ ihre Arbeiten präsentieren, lange hinter sich gelassen. Ihre Fragestellungen stammen direkt aus dem Leben, mit ihren Antworten möchten sie echte Probleme lösen – etwa Weltraumschrott recyceln, Alzheimer fördernde Ablagerungen im Gehirn aufspüren, umweltfreundlichere Akkus herstellen. In ihrer Forschung stecken mehrere Monate intensive Arbeit, viel Herzblut und Freizeitstunden. Über 12.000 Kinder und Jugendliche haben allein 2018 am Wettbewerb teilgenommen. Wer sich auf den Regional- und Landeswettbewerben umsieht, merkt allerdings schnell: Einige Schulen sind jedes Jahr wieder vertreten. Ihnen gelingt es offenbar besonders gut, den Forschergeist ihrer Schülerinnen und Schüler zu wecken.
Selbst gewählte Forschung statt fester Lehrplan
Die Otto-Hahn-Schule in Hamburg ist so eine Schule, 35 ihrer Schülerinnen und Schüler haben zum Beispiel aktuell am Wettbewerb teilgenommen. Das liegt nicht nur daran, dass die Hamburger Stadtteilschule ein ausgewiesenes MINT-Profil hat. Es gibt hier sogar ein eigenes Unterrichtsfach „Jugend forscht“, in dem die Schülerinnen und Schüler gezielt an Wettbewerbsprojekten arbeiten. Ob sie am Ende auch wirklich teilnehmen, ist ihnen allerdings freigestellt. „Sie müssen aber ein Projekt bearbeiten und am Ende präsentieren. Das wird auch benotet“, erklärt Maria Holldorb. Die Chemie-, Physik- und Englischlehrerin hat schon einige Jahrgänge im Fach „Jugend forscht“ an der Otto-Hahn-Schule betreut. Dass die Note sogar in die Abiturnote einfließen könne, sei für viele Jugendliche eine zusätzliche Motivation, den Kurs zu wählen, erzählt Holldorb: „Sie können sich selbst ein Thema aussuchen, für das sie sich wirklich interessieren – anders als im normalen Chemie- oder Physikunterricht. Deshalb glauben viele, dass es ihnen im Fach ‚Jugend forscht‘ leichter fällt, eine gute Note zu schaffen.“
Beraterrolle statt Oberlehrer
Für Lehrerinnen und Lehrer, die Jugendliche bei Forschungsprojekten begleiten, ist die Arbeit oft eine inhaltliche Herausforderung. „Ich bin in Mathematik zum Beispiel nicht so ein Profi wie jemand, der das Fach studiert hat. Wenn sich eine Gruppe ein mathematisches Thema sucht, dann kann auch ich nicht jede Frage sofort beantworten“, gibt Holldorb zu. „Wir fragen dann meist Kolleginnen und Kollegen oder suchen in Büchern und im Internet nach Antworten.“ Als Defizit sieht Holldorb es nicht, dass sie manchmal selbst erst recherchieren muss – im Gegenteil: „Ich finde es gut, wenn die Schüler wissen, dass wir gemeinsam zum Ziel gehen müssen. Dann habe ich als Lehrerin wirklich eine Beraterrolle, anstatt oberlehrerhaft alles besser zu wissen.“
Früh das Interesse wecken
Auch Kirsten Mantau, Biologie-, Chemie- und Informatiklehrerin am Gymnasium Reutershagen in Rostock, betreut regelmäßig „Jugend forscht“-Projekte. Mit Erfolg: 2018 haben es zum dritten Mal in Folge Schülerinnen und Schüler von ihr ins Bundesfinale des Wettbewerbs geschafft. An Mantaus Schule ist „Jugend forscht“ kein eigenes Schulfach, aber auch sie bahnt das Interesse am Wettbewerb früh an. Zum Beispiel besuchten die neunten Klassen meist den Landeswettbewerb, um sich selbst umzusehen. Mit einer laufend aktualisierten Präsentation versucht Mantau außerdem, ihnen die Forschungsarbeit schmackhaft zu machen. „Und dann hoffe ich, dass die Saat aufgeht“, erzählt Mantau. An der Hamburger Otto-Hahn-Schule helfen außerdem Fragebögen den Schülerinnen und Schülern dabei, eigene Forschungsprojekte zu entwickeln: Indem sie sich gegenseitig befragen, finden sie heraus, wo ihre Interessen liegen.
„Das kann ich nicht“ gibt es nicht
Dass sich jedes Jahr wieder Schülerinnen und Schüler auf die intensive Forschung einlassen, führt Mantau darauf zurück, dass sie ihre eigene Begeisterung für ihre Fächer mit den Lernenden teilt. „Außerdem versuche ich, die ‚Das kann ich nicht!‘-Schwelle abzubauen“, erzählt sie. „Wenn mir ein Schüler erzählt, er könne Chemie einfach nicht, sage ich: ‚Das glaube ich nicht!‘ Und wenn er sich dann anstrengt und sein Maximum erreicht, dann lobe ich ihn – egal, welche Zensur dabei herauskommt.“
Maria Holldorb an der Hamburger Stadtteilschule setzt außerdem auf viele Versuche im Unterricht. „Ich kann mir meinen Chemieunterricht ohne Versuche gar nicht vorstellen. Auch in Physik bestehen sicher 80 Prozent des Unterrichts aus Experimenten.“ An anderen Schulen, habe sie gehört, werde viel häufiger mit dem Buch unterrichtet, und das sei dann oft langweilig. Bei den Experimenten hingegen gingen die Jugendlichen einer Fragestellung nach. „Der Versuch beantwortet die Frage – anschließend kommen sie selbst darauf, was dahintersteckt.“ Und wenn mal jemand glaubt, er komme nicht weiter, reagiert sie ganz ähnlich wie ihre Rostocker Kollegin Mantau: „Ich bin sicher, du kannst das – es kann gar nicht anders sein!“ Wenn sich das dann bestätigt, seien die Schülerinnen und Schüler glücklich und kämen eben gern zum Unterricht.