Gerade bezüglich dieser Frage gibt es sehr unterschiedliche Ansichten innerhalb der Bundesländer. Nach Auskunft von Ulrich Pfaff, Berichterstatter für Schulrecht der Kultusministerkonferenz (KMK), lässt das Schulrecht einen Spielraum bei der Bewertung von Schülerleistungen während des Fernunterrichts. Unterschiede gebe es nicht nur zwischen den Ländern, sondern auch zwischen den Schulstufen und Schularten. Etwas anderes gelte nur für das Abweichen von Vorgaben in den Schulgesetzen der Länder, soweit diese zum Beispiel Versetzungen und die Vergabe von Schulabschlüssen regele, so Pfaff. Hier bedarf es dann also möglicherweise einer – zumindest befristeten – Änderung der Rechtsgrundlage.
Einige Bundesländer, zum Beispiel Baden-Württemberg, Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, sprechen sich gegen eine Bewertung der im Fernunterricht gestellten Lernaufgaben aus. Das rheinland-pfälzische Ministerium für Bildung Kultusministerium hat am 27. März an die Schulen ein Schreiben geschickt mit dem Hinweis: „Auf eine Benotung dieser unter außergewöhnlichen Umständen erbrachten häuslichen Leistungen muss deshalb ebenso verzichtet werden wie auf die Androhung von Sanktionen bei nichterbrachten Leistungen.“
Viele Bundesländer verweisen auch darauf, es müsse berücksichtigt werden, dass die Aufgaben möglicherweise mit Unterstützung Dritter ausgeführt wurden, auch das sei ein Argument gegen eine Bewertung. Das merken zum Beispiel das Kultusministerium in Baden-Württemberg, das Bildungsministerium in Brandenburg und die Senatsverwaltung für Bildung in Berlin an.
Letztere widmet der Frage der Bewertung einen umfangreichen Passus in ihrem Fragenkatalog rund um die Auswirkungen des Coronavirus und geht dabei auch auf die einzelnen Schulstufen ein. Außerdem heißt es: „Projektarbeit, die von Schülerinnen und Schülern während der Schulschließungen geleistet wird, kann im Rahmen des allgemeinen (mündlichen) Teils bewertet werden. Schülerinnen und Schüler können ihre Lehrkräfte auch darum bitten, eine solche Projektarbeit anfertigen zu dürfen, um sich zu verbessern.“
In Sachsen und Sachsen-Anhalt ist eine Bewertung der zu Hause erbrachten Leistungen allerdings durchaus vorgesehen. Auf der Seite des Ministeriums für Bildung von Sachsen-Anhalt wird unter den häufig gestellten Fragen zu Corona aus einem Brief von Bildungsminister Marco Tullner (CDU) an die Schulleiter vom 12. März zitiert: „Auch in der nun verlängerten Schulschließungszeit wird der Unterricht mit den gegebenen Möglichkeiten fortgesetzt, das schließt auch Leistungsbewertungen ein.“ Das sächsische Kultusministerium unterscheidet in diesem Punkt zwischen Bewertung und Benotung. Eine Bewertung hält die Behörde durchaus als Feedbackinstrument und zur Motivierung für sinnvoll, eine Benotung nur für höhere Klassenstufen auf dem Gymnasium: „Von einer Benotung raten wir jedoch ab. Noten sollten in der jetzigen Situation für Schülerinnen und Schüler in der Grundschule grundsätzlich nicht gegeben werden. Auch an Oberschulen sollte auf eine Benotung weitgehend verzichtet werden, ebenso bei Förderschulen. An den Gymnasien ist eine Benotung mit Blick auf höhere Klassenstufen zunehmend möglich.“