Kolumne

Umgang mit Wissen : Wie gelingt eine Kultur des Teilens in der Schule?

Die Schulschließungen zeigen, wie wichtig Zusammenarbeit ist. Es hat sich gezeigt, dass die Schulen, in denen der Austausch eng ist und alle Beteiligten ihr Wissen einbringen können, leichter mit der Corona-Krise umgehen. In seiner Kolumne für das Schulportal beschreibt Dejan Mihajlović, wie die Kultur des Teilens, vom Internet auf die Schule übertragen werden kann und welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen.

Dejan Mihajlović
Zwei Köpfe auf zwei Händen als Symbol der Kultur des Teilens
Wenn mehr Wissen miteinander geteilt wird, kann sich in der Schule eine offenere Lernkultur entwickeln, glaubt Schulportal-Kolumnist Dejan Mihajlovic.
©Adobe Stock

In den letzten Wochen haben viele Lehrerinnen und Lehrer nicht nur den Weg ins Internet gefunden, sondern auch jede Menge Beiträge entdeckt, die ihnen erklären, was technisch möglich, didaktisch sinnvoll oder pädagogisch angebracht wäre. Diese Vielfalt an Angeboten ist das Ergebnis einer Kultur des Teilens, die das Netz auszeichnet. Vielleicht führt die aktuelle Situation dazu, dass diese Kultur auch in den Schulen ankommt.

Was zeichnet die Kultur des Teilens aus?

Die Kultur des Teilens ist etwas, das sich im Netz beobachten und erleben lässt, weil das Netz auf der Grundidee basiert, Informationen und Wissen für alle transparent und zugänglich zu machen. Es geht nicht nur darum, Material mit anderen zu teilen oder auf Personen zu verweisen, die über eine Expertise verfügen. Eine Kultur des Teilens bedeutet auch, Ideen, Prozesse und Ansätze, die gut funktionieren oder auch gescheitert sind, zu kommunizieren. So können Lösungen gemeinsam entwickelt und Fehler vermieden werden.

Die Kultur des Teilens setzt auf kollektive Intelligenz und eine kontroverse öffentliche Debatte, um Wissen zu vertiefen und Vorgehensweisen auszuhandeln. Dafür braucht es nicht-hierarchische Strukturen und diverse Möglichkeiten der Beteiligung. Auch Offenheit ist ein wesentliches Element. Das spiegelt sich in Bezeichnungen wie Open Educational Resources (OER), Open Access oder Open Data wider, die hinter der Kultur des Teilens im Bildungsbereich stehen.

Was sind die Voraussetzungen für die Kultur des Teilens?

Die Kultur des Teilens erfordert eine gewisse Haltung. Wer Zeit und Kraft in eine Sache investiert hat und andere im Netz daran teilhaben lassen möchte, versteht Wissen nicht als sein Eigentum, sondern als Nährboden einer Gesellschaft. Dabei wird auch ein Kontrollverlust in Kauf genommen, weil unklar ist, was mit dem Geteilten geschieht. Gleichzeitig wird darauf vertraut, dass das geteilte Wissen einem selbst oder anderen hilft.

Vom Netz in die Schule

Was würde das für Schulen bedeuten, wenn die Kultur des Teilens dort Einzug halten würde? Schulen wären vielleicht ein offenerer Lernort, an dem Wissen nicht für Noten oder Zeugnisse erworben werden würde. Fehler hätten hier einen ähnlich hohen Stellenwert wie Erfolge und würden als Lerngelegenheiten verstanden. Außerdem wäre vielleicht transparenter, woher eine Idee stammt, wohin sie sich entwickelt hat oder wer in welcher Weise daran beteiligt war. Eine Kultur des Teilens in den Schulen bedeutete auch den Abschied von der Einbahnstraßen-Kommunikation.

Ideen und Projekte würden schon von Beginn an geteilt, damit sie von vielen anderen gemeinsam mitgedacht, korrigiert und weiterentwickelt werden können. Lernprodukte würden verstärkt die Klasse verlassen, indem sie den Weg ins Netz finden. Sie würden dadurch eine größere Wertschätzung erfahren und hätten die Chance, mehr Menschen zu erreichen, sie zu inspirieren und nicht nur von einer Lehrkraft bewertet zu werden. Wie viele gute Texte wurden wohl schon geschrieben, Videos erstellt, Bilder gemalt oder Theaterstücke produziert, die einen größeren Raum als die Schule verdienen?

Lehren aus der Schulschließung

Es gibt sicher einige Lehren, die aus den Wochen nach der Schulschließung gezogen werden können. Eine wesentliche ist, dass gemeinsam nicht nur alles besser gelingt, sondern das Miteinander auch notwendig ist. Die Herausforderungen der veränderten Kommunikation, die unterschiedlichen Voraussetzungen zu Hause, aber auch die Gesamtbelastung an sich haben eine komplexe Situation geschaffen. Rückblickend wurden immer dort Erfolge erzielt, wo alle Beteiligten ihr Wissen einbringen konnten und die Zusammenarbeit stark war. In einer Kultur des Teilens stellt die Diversität eine Stärke und kein Problem dar. Diese Erkenntnis könnte Schulen positiv prägen.

Zur Person

  • Dejan Mihajlović unterrichtet Mathematik, Geschichte, Chemie und Ethik an der Freiburger Pestalozzi-Realschule.
  • Darüber hinaus arbeitet Dejan Mihajlović unter anderem als Fachberater für Schul- und Unterrichtsentwicklung beim Staatlichen Schulamt und als Beauftragter für SchülerMitVerantwortung (SMV) beim Regierungspräsidium in Baden-Württemberg.
  • Dejan Mihajlovićs Schwerpunktthema ist „Zeitgemäße Bildung im digitalen Wandel“. Zu diesem Thema hält er regelmäßig Vorträge, veranstaltet Workshops, moderiert und organisiert Veranstaltungen. Außerdem berichtet er darüber in seinem Blog „Dejan Mihajlović– Bildung von morgen heute schon denken“.
  • Für das Schulportal schreibt Dejan Mihajlović regelmäßig Gastbeiträge.