Feedback : Wie „Peer-Review“ Schulen voranbringt

Vor acht Jahren hat die Meusebach-Grundschule in Brandenburg ihre Entwicklung zu einer inklusiven Schule begonnen. Seit anderthalb Jahren ist die Schule Teil des Entwicklungsprogramms des Deutschen Schulpreises für exzellente Schulen. Hier beraten sich ehemalige Bewerberschulen, die nicht mit einem Preis ausgezeichnet wurden, gegenseitig und werden in ihrer Entwicklung von Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis unterstützt. Das Schulportal begleitet in einer Langzeitreportage die Meusebach-Grundschule auf ihrem Weg zur inklusiven Schule.

Wenn eine zweite Lehrkraft die Förderung bestimmter Kinder im Unterricht übernimmt, ist es wichtig, zu dokumentieren was die Kinder gemacht haben.
©Sebastian Pfütze

Die Gerüstbauer sind an diesem Morgen die Attraktion in der Hofpause. Staunend sehen die Sechstklässlerinnen und Sechstklässler zu, wie die Metallstangen und Holzbohlen nacheinander abgebaut werden und die bunte Fassade des Neubaus zum Vorschein kommt. Die Veränderungen an der Meusebach-Grundschule im Brandenburgischen Geltow überschlagen sich derzeit fast. Das Sekretariat ist nicht mehr im alten Gebäude zu finden wie noch bei unserem letzten Besuch, sondern in dem provisorischen Containerbau gegenüber. Und auch die Schulleitung hat in diesen Tagen gewechselt. Monika Nebel hat sich in den Ruhestand verabschiedet und in ihrem Kollegium den Staffelstab an ihre Nachfolgerin Claudia Hach übergeben. Das neue Schulleitungsteam, bestehend aus Claudia Hach und Katja Stolz, wird nun gemeinsam mit allen Beschäftigten fortsetzen, was die Schule vor gut acht Jahren begonnen hat.

Die Aufnahme eines Schülers mit Downsyndrom hat die Veränderungen angestoßen

Damals hatte sich die Schule entschieden, einen Jungen mit Downsyndrom aufzunehmen und sich zu einer inklusiven Schule zu entwickeln. Claudia Hach hat diesen Prozess von Anfang an eng begleitet, sodass der Wechsel in der Schulleitung nicht mit einem Bruch verbunden ist. Schulentwicklung braucht Zeit, Kontinuität und Anregungen von außen. Vor anderthalb Jahren wurde die Schule in das Entwicklungsprogramm des Deutschen Schulpreises aufgenommen. Qualifiziert hatte sie sich dafür mit einer Bewerbung um den Deutschen Schulpreis, in der die Jury gute Konzepte und Entwicklungspotenzial erkannte.  Dass die Schule bei der Preisverleihung leer ausging, erwies sich als Gewinn. Durch ein Netzwerk aller am Programm beteiligten Schulen und mit der Unterstützung von Expertinnen und Experten soll die eingeschlagene positive Entwicklung vor Ort weiter vorangetrieben werden. Seit Programmstart begleitet das Schulportal in einer Langzeitreportage die Meusebach-Grundschule auf ihrem Weg zu einer inklusiven Schule.

Katja Stolz und ihre Kollegin Pauline Werner wurden im Rahmen des Entwicklungsprogramms zu sogenannten Peers ausgebildet. Stolz zieht einen Aktenordner mit einem etwa 20-seitigen Bericht aus dem Regal in dem neuen Schulleitungsbüro. Detailliert ist hier aufgeführt, was die beiden bei ihrem viertägigen Besuch an der Schule An der Burgweide in Hamburg beobachten konnten. Die Beobachtungen sollen der Hamburger Grundschule bei der Weiterentwicklung ihres Konzeptes helfen. Gleichzeitig haben Pauline Werner und Katja Stolz vom Besuch in Hamburg selbst einen ganzen Berg von Anregungen mit nach Hause genommen.

Vier Tage Hospitation an einer Hamburger Grundschule

„Wir sind sehr gespannt und voll Vorfreude nach Hamburg gefahren“, erzählt Pauline Werner. Die Schule An der Burgweide arbeitet schließlich in einem ganz anderen sozialen Umfeld und ist mit anderen Herausforderungen konfrontiert als die Meusebach-Grundschule in Geltow. Während Geltow ein beschaulicher kleiner Ort mit Einfamilienhäusern in der Nähe von Potsdam ist, befindet sich die Schule An der Burgweide in einem Hamburger Brennpunktgebiet. Die Heterogenität der Schülerschaft war dort von Beginn an viel größer als in Geltow. Viele der Kinder sprechen kaum Deutsch oder haben sonderpädagogische Förderbedarfe. Die Schule arbeitet mit Lernbüros und individuellen Lernplänen. „Wir hatten wahnsinnig viele neue Eindrücke und mussten uns sehr disziplinieren, unseren zuvor festgelegten Beobachtungsfokus einzuhalten“, sagt Pauline Werner. Die Hamburger Grundschule erhoffte sich von den beiden Peers aus Brandenburg Erkenntnisse darüber, wie effektiv die Dokumentation in den Lernplänen der Kinder ist. Pauline Werner und Katja Stolz beobachteten den Unterricht und führten viele Gespräche mit den Kindern und Lehrkräften.

Neben ihrem Bericht für die Schule An der Burgweide liegt ein zweiter Ordner mit den Beobachtungen, die die Kolleginnen und Kollegen des Leonardo da Vinci Campus aus Nauen an der Meusebach-Grundschule gemacht haben. Auch für die Peers der Nauener Schule gab es einen klaren Beobachtungsauftrag: An der Meusebach-Grundschule unterrichten phasenweise zwei Lehrkräfte in einer Klasse. Die Klasse wird in Gruppen geteilt, oder eine Lehrerin kümmert sich intensiv um ein förderbedürftiges Kind, während die Kollegin mit den anderen arbeitet. Die Phasen des gemeinsamen Lernens dienen aber auch der Förderung von Kindern. In diesem Fall ist es wichtig, dass die Lehrkräfte nach dem Unterricht dokumentieren, was sie mit den Kindern im Unterricht gemacht haben, damit die Kollegin oder der Kollege in der nächsten Stunde dort ansetzen kann.

Kritische Freunde erkennen Schwachstelle in der Dokumentation

Doch genau bei dieser Dokumentation hakt es. „Viele Lehrkräfte schauen sich die Dokumentation nicht ausreichend an, offenbar sind sie wenig hilfreich“, sagt Katja Stolz. Die Befragungen der „kritischen Freunde“ aus Nauen haben ergeben, dass nur ein Viertel der Lehrkräfte im gemeinsamen Unterricht tatsächlich die Aufzeichnungen nutzen. Die meisten empfinden diese offenbar als überflüssige und lästige Zusatzaufgabe. „Wir müssen es also schaffen, die Dokumentation so zu gestalten, dass sie den Lehrkräften und Kindern einen echten Mehrwert bringt“, sagt Stolz.

Im März treffen sich alle Peers der am Entwicklungsprogramm beteiligten Schulen, um sich über ihre Erkenntnisse und Erfahrungen auszutauschen und daraus die nächsten Entwicklungsschritte abzuleiten. Gleichzeitig wird das Bauvorhaben auf dem Grundstück der Meusebach-Grundschule in seine Endphase gehen. Nach den Osterferien soll das neue Gebäude bezugsfertig sein. Dann geht es weiter mit der Sanierung des alten Gebäudes. Nach dem Mittagessen sitzen die Erstklässlerinnen und Erstklässler neben der Baustelle auf dem Hortspielplatz und bauen gemeinsam große Sandburgen, unter ihnen auch ein Mädchen mit Downsyndrom, das in diesem Schuljahr neu in die inklusive Meusebach-Grundschule aufgenommen wurde.

Mehr zum Thema

  • Bei einem Peer-Review lädt eine Schule schulfremde Personen ein, damit diese sich den Schulalltag unter einem bestimmten Fokus genauer ansehen.
  • Das Peer-Review stellt ein wichtiges Bindeglied zwischen interner und externer Evaluation dar.
  • Die Schule selbst bestimmt den Peer-Auftrag und die Untersuchungsschwerpunkte und erhält eine konstruktiv-kritische Rückmeldung aus einer mit den Rahmenbedingungen vertrauten Außenperspektive.
  • Die teilnehmenden Peers erwerben in Schulungen Kompetenzen in der Bewertung von Schulqualität und lernen, Instrumente der Sozialforschung anzuwenden.

Auf einen Blick

  • Bis zu 20 Schulen, die sich für den Deutschen Schulpreis beworben haben, aber nicht zu den Preisträgern gehören, können an einem zweijährigen Entwicklungsprogramm teilnehmen.
  • Mit dabei sind alle im Rahmen des Wettbewerbs besuchten Schulen eines Jahres – bis auf die Preisträger – und bis zu sechs weitere Bewerberschulen, die von den Auswahlgremien empfohlen werden.
  • Ziel des Programms ist, diese innovativen Schulen in ihrer Weiterentwicklung zu unterstützen und zu begleiten.
  • Die Schulen erhalten eine individuelle Prozessbegleitung, tauschen sich in Vernetzungstreffen aus und nehmen an Seminaren zu Themen der Schulentwicklung teil.

Zu unserer Serie über die Meusebach-Grundschule

Inklusion, ja! Aber wie? Das Schulportal begleitet in einer Langzeitreportage die Meusebach-Grundschule auf ihrem Weg zu einer inklusiven Schule. Die Schule nimmt am Entwicklungsprogramm des Deutschen Schulpreises für exzellente Schulen teil. In dem zweijährigen Programm werden die TOP-20-Schulen unter den Bewerbern, die nicht zu den Preisträgern gehören, in ihrer Weiterentwicklung unterstützt. Im September 2018 startete das Programm für die Grundschule in Geltow.