Schulsanierung : Wie aus maroden Schulen nachhaltige Gebäude werden

Angesichts des Klimawandels sollte Nachhaltigkeit bei den Schulsanierungen an erster Stelle stehen. Doch für die Kommunen ist das nur schwer zu bewältigen. Es fehlt an Geld, Zeit, Personal und manchmal auch an Mut. Es gibt aber auch Glücksfälle.

Das Schulgebäude der Blumen-Grundschule in Berlin
Die Sanierung der Blumen-Grundschule und der ehemaligen Bernhard-Rose-Schule in Berlin gilt als Vorzeigeprojekt in Sachen Nachhaltigkeit.
©Werner Huthmacher

Schon von Weitem fallen die beiden Schulbauten an der Andreasstraße in Berlin als etwas Besonderes in diesem eher gleichförmigen Plattenbaugebiet ins Auge. Die Aluminiumlamellen in unterschiedlichen Beigetönen muten an wie eine lebendige Holzfassade. Hinter dieser neuen Hülle steckt der erste Prototyp einer Schule aus den 60er-Jahren, der dann hundertfach in Schnellbauweise in der DDR errichtet wurde. Heute sind viele der Gebäude, die nach dem Krieg in ganz Deutschland schnell und kostengünstig gebaut wurden, marode. Viele Städte und Kommunen stehen vor einem riesigen Sanierungsstau bei den Schulgebäuden, gleichzeitig müssen die alten Gebäude angesichts des Klimawandels dringend nachhaltiger werden.

Einen „Glücksfall“ nennt Joachim Staudt die energetische Sanierung der beiden Schulgebäude an der Andreasstraße im Berliner Stadtteil Friedrichshain. 2007 erhielt das Architekturbüro Huber Staudt Architekten den Sanierungsauftrag für die Blumen-Grundschule und die benachbarte Bernhard-Rose-Schule. Seitdem gelten die beiden Schulen als Vorzeigeobjekte für nachhaltige Schulsanierung. Ein Glücksfall sei es vor allem deshalb gewesen, weil die Architekten in der Bezirksverwaltung auf einen Bauherren trafen, der keine Scheu vor neuen experimentellen Wegen hatte, so Staudt. „Wir haben ja nicht den Anspruch, vorgegebene Mindeststandards zu erfüllen, wir wollen darüber hinausgehen“, sagt der Architekt Joachim Staudt. Gleichzeitig dürften öffentliche Bauten natürlich nicht den finanziellen Rahmen sprengen.

Die vorgeschriebenen Werte der Energiesparverordnung wurden mit der Sanierung der beiden Schulen um 40 Prozent unterschritten, dadurch konnte der Bezirk den Bau mithilfe von Fördermitteln realisieren. Dazu trägt nicht nur die Dämmung hinter der vorgehängten Aluminiumhülle bei, sondern auch ein Wärmedämmverbundsystem an der verputzten Stirnseite. Als Zeugnis einer neuen seriellen Bauweise der DDR stufte der Bezirk die Gebäude als denkmalwürdig ein. Für Staudt kein Widerspruch zur energetischen Sanierung, im Gegenteil: Nachhaltigkeit und Denkmalpflege gehören für ihn zusammen. Die typischen verkanteten Betonteile und die schmalen Stahlfenster, die von außen den Treppenaufgang des DDR-Prototypen markierten, sollten unbedingt sichtbar bleiben. Die Wärmedämmung wurde deshalb auf die Innenseite der Wand verlegt, aus den wieder aufgearbeiteten Stahlfenstern wurden von innen Kastenfenster, die im Treppenaufgang als Vitrinen genutzt werden können. Sogar die Fassaden-Skulptur an der Stirnseite, die den sowjetischen Kosmonauten Juri Gagarin darstellt, konnte von dem Künstler auf der gedämmten Giebelwand rekonstruiert werden.

Die Taskforce Schulbau in Berlin will Abstimmungsprozesse beschleunigen

Eine derart nachhaltige Schulsanierung ist nicht der Regelfall. Berlin muss eine riesige Schulbauoffensive stemmen. Vorhandene Schulbauten wurden jahrzehntelang vernachlässigt, gleichzeitig müssen durch Neubauten dringend neue Schulplätze geschaffen werden. Ein Gebäudescan hatte bei den rund 700 Schulbauten einen Sanierungsstau von rund 5 Milliarden Euro festgestellt. Die Stadt hat ein Zehn-Jahresprogramm aufgelegt und eine Taskforce Schulbau gegründet. Norbert Illiges leitet die Steuergruppe der Taskforce. „Wenn wir jetzt so viele Gebäude sanieren, wäre es natürlich wünschenswert, diese mit Blick auf den Klimawandel auch gleich auf den bestmöglichen ökologischen Stand zu bringen“, sagt Illiges. Doch das sei leider nicht immer möglich. Die größten Probleme seien Zeit, fehlende Fachkräfte und steigende Kosten. Da derzeit zudem sehr schnell sehr viele zusätzliche Schulplätze benötigt würden, müsse die ein oder andere Sanierungsmaßnahme hintenanstehen oder durch viele kleine Maßnahmen zeitlich gestreckt werden.

Um dabei nachhaltige Mindeststandards zu sichern und gleichzeitig die Kosten im Rahmen zu halten, hat Berlin ein Regelwerk erstellt, nach denen die Schulbauten saniert werden. In Sachen Energieeffizienz geht der Regelwert nicht über den im Gebäudeenergiegesetz ohnehin vorgeschriebenen Referenzwert hinaus.

„Natürlich können Bauten auch von den Vorgaben abweichen, aber dann müssen diese Abweichungen gut begründet und geprüft sein“, sagt Illiges. Er selbst sieht darin ein Dilemma. Auf der einen Seite ermögliche der Leitfaden eine schnelle Abstimmung zwischen allen beteiligten Akteuren, auf der anderen Seite führe er dazu, dass angesichts des Zeitdrucks eher die Liste „abgehakt“ wird, statt dass nach neuen Wegen gesucht wird.

Als wäre die Herausforderung nicht schon groß genug, hat Berlin im vergangenen Jahr zusätzlich das Energiewendegesetz beschlossen. Demnach sollen alle technisch nutzbaren Dachflächen von bestehenden öffentlichen Gebäuden bis Ende 2024 Solaranlagen bekommen, also auch die Schulen. Dies ist sicherlich ein ehrgeiziger Zeitplan. Für Schulneubauten gilt diese Verpflichtung erst ab 2025.

Wenn wir wirklich nachhaltiger bauen wollen, dann müssen wir auch den Mut haben, Neues auszuprobieren.
Christine Edmaier, Archtiektenkammer Berlin

Architektenkammer wünscht sich mehr Experimentierfreudigkeit

Mehr Experimentierfreudigkeit in den kommunalen Verwaltungen wünscht sich auch Christine Edmaier von der Architektenkammer Berlin bei der ökologischen Schulbausanierung. Nutzbare grüne Dächer seien ein guter Ausgleich, wenn Freiflächen durch Erweiterungsbauten verschwinden, werden aber aus Kostengründen meist nicht vorgesehen.

Eine Entlüftung der Klassenräume werde in der Regelnicht finanziert, dabei gebe es hier schon sehr gute, einfache und nachhaltige Konzepte, gerade weil Wärmeverluste in Schulen im Gegensatz zu anderen Gebäuden nicht so ins Gewicht fallen. In dem Leitfaden der Verwaltung gebe es enge baulicheVorgaben bis hin zum Bodenbelag oder Gipstrockenbauwände, die verwendet werden sollen. „Für innenliegende Wände könnten beispielsweise alternative Baustoffe viel besser für das Raumklima sein, aber das bedeutet dann für die Planenden viel Aufwand, oft genug vergeblich.“, sagt Edmaier. Für solche Neuerungen seien komplizierte Abweichungsgenehmigungen nötig und in den Verwaltungen fehle häufig die Fachkompetenz, um dafür Genehmigungen schnell zu erteilen. „Wenn wir wirklich nachhaltiger bauen wollen, dann müssen wir auch den Mut haben, Neues auszuprobieren“, sagt Edmaier. Und sie hat auch eine Idee, wie das gehen könnte. „Vorstellbar wäre doch, bei allen öffentlichen Baumaßnahmen eine zusätzliche Fördersumme an nachweislich den Klimaschutz fördernde Experimente zu binden. Dann gebe es vielleicht mehr Innovation“, sagt Edmaier. Allerdings müssten dafür auch die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter in den Verwaltungen qualifiziert werden.

Freiburg belohnt innovative Projekte

Als Vorbild könnte Freiburg dienen. Seit 2008 nennt sich die 230.000 Einwohner-Stadt „Green City“ oder auch deutsche Umwelthauptstadt. Bei den Schulsanierungen arbeitet die Stadt mit dem sogenannten Klimaschutzfonds, der sich laut Stadtverwaltung in der Regel im niedrigen siebenstelligen Bereich bewegt. Hiermit werden Projekte mit innovativem Charakter, auch im Hinblick auf die Nachhaltigkeit, finanziert. Ganz neu gibt es den Zukunftsfonds für den Klimaschutz, der sowohl Projektmittel als auch die dazugehörige Personalgewinnung fördert. Dieser Fonds schüttet in den kommenden sechs Jahren insgesamt 120 Millionen Euro aus, die zu 60 Prozent von der Stadt Freiburg und zu 40 Prozent von Land und Bund finanziert werden. „Mithilfe dieser Mittel wird die Stadt Freiburg auch im baulichen Bereich einen großen Schritt nach vorne machen. Ein Teil davon wird auch auf die Sanierung von Schulen entfallen“, sagt Toni Klein von der Pressestelle der Stadtverwaltung. Dennoch sind auch in Freiburg die Möglichkeiten begrenzt. Ähnlich wie Norman Illiges in Berlin sagt auch Toni Klein in Freiburg: „Die Zeit läuft uns allen beim Thema Klimawandel davon. Es fehlt an allen drei Ressourcen: Zeit, Mittel und Kapazitäten.“