Elterngespräch : Wenn Eltern fordern, dass ein Mitschüler geht
Ob Lehrer-Schüler-Verhältnis, die Zusammenarbeit mit den Eltern oder unter den Kolleginnen und Kollegen – Beziehungen prägen den Schulalltag und sind häufig nicht einfach. Das Schulportal befragt Lehrkräfte anonym, in welchen Situationen sie unsicher sind, wenn es darum geht, Beziehungen professionell zu gestalten. Expertinnen und Experten aus der Praxis geben Tipps, wie Lehrkräfte in den beschriebenen Situationen am besten vorgehen. Auf die Frage, wie Lehrkräfte reagieren könnten, wenn Eltern fordern, dass ein verhaltensauffälliger Mitschüler die Klasse wechseln soll, antwortet der Psychologe Klaus Seifried.
Lehrerin einer Realschule: Als Klassenlehrerin stand ich einmal einem Team von mehreren Eltern gegenüber, die mich massiv unter Druck setzten. Vorausgegangen war das Fehlverhalten eines Schülers. Mehrere Eltern hatten sich daraufhin zusammengetan und gemeinsam um ein Gespräch gebeten. Das Gespräch lief schnell aus dem Ruder. Die Eltern forderten, dass der Schüler die Klasse verlassen soll, und drohten mit der Presse, wenn ich der Forderung nicht nachkomme. Einige riefen mich immer wieder an, auch abends und am Wochenende. Wie hätte ich mich hier am besten verhalten sollen? Und wie kann man vermeiden, dass es überhaupt zu so einer Situation kommt?
Klaus Seifried, Psychologe: Manche Eltern engagieren sich stark für ihre Kinder. Sie meinen, ihre Kinder beschützen und die Arbeit der Schule und der Lehrkräfte kontrollieren zu müssen. Die Kinder wiederum bekommen die volle Aufmerksamkeit ihrer Eltern, wenn sie zu Hause berichten, dass sie von der Lehrerin oder dem Lehrer schlecht behandelt, von Mitschülerinnen und Mitschülern geärgert, ausgegrenzt oder gemobbt werden. Was wiederum die Eltern motiviert, ihr Kind zu beschützen und in der Schule zu intervenieren.
Eine Klassenlehrerin oder ein Klassenlehrer sollte gegenüber den Kindern und den Eltern freundlich, aber bestimmt und souverän als Autorität und als Fachkraft für Erziehung auftreten.
- „Als Klassenlehrerin habe ich folgende Regeln …“
- „Unsere Schule hat sich für diese Erziehungsmaßnahmen, Schulordnung entschieden …“
- Sinnvoll ist es, wenn die Eltern und das Kind die Schulordnung o. ä. bei der Anmeldung unterschreiben. Dann kann die Klassenlehrerin sich auf diese berufen.
Die Klassenlehrerin sollte das Engagement der Eltern anerkennen. Viele Eltern kümmern und engagieren sich nicht. Sie sollte dem übergriffigen Verhalten der Eltern aber freundlich Grenzen setzen: „Das entscheidet die Schulleitung.“
Im vorliegenden Fall haben sich die Eltern vermutlich über einen verhaltensauffälligen Mitschüler beschwert, der den Unterricht stört, andere Kinder ärgert oder sogar bedroht. In diesem Fall ist die Sorge der Eltern berechtigt. Allerdings können sie nicht fordern, dass dieser Mitschüler die Klasse verlassen muss. Wichtig ist hier, dass die Klassenlehrerin den Eltern zusichert, die Mitschülerinnen und Mitschüler vor Störungen und Übergriffen zu schützen. Wichtig ist aber auch, dem verhaltensauffälligen Schüler Grenzen zu setzen. Das sollte aber nicht Thema im Elterngespräch sein. Die Klassenlehrerin kann den Eltern sagen, dass die Schule einen Auftrag zur Inklusion hat. Die Schule braucht hierfür ein pädagogisches Konzept (Schulstation, temporäre Lerngruppe), wie solche Schülerinnen und Schüler stabilisiert und die Mitschülerinnen und Mitschüler in der Klasse temporär entlastet werden können. Aber Entscheidungen über die Aufnahme von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf treffen die Schulleitungen und nicht die Eltern. Deshalb sollten solche Gespräche über Beschwerden von Eltern grundsätzlich gemeinsam von der Klassenlehrerin und der Schulleitung geführt werden.
Zur Person
- Klaus Seifried ist Diplom-Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut und Lehrer.
- Er arbeitete zwölf Jahre als Lehrer und 26 Jahre als Schulpsychologe.
- Von 2003 bis 2016 war er Leiter des Schulpsychologischen und Inklusionspädagogischen Beratungszentrums (SIBUZ) Tempelhof-Schöneberg in Berlin.
- Seit 1996 ist er Bundesvorstand der Sektion Schulpsychologie im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP).
- Seit 2016 ist Klaus Seifried freiberuflich tätig.
- www.klausseifried.de
Weitere Fragen an Experten
Die Arbeit einer Lehrkraft ist vielseitig. Besonders Beziehungen prägen den Schulalltag und sind häufig nicht einfach. Dabei spielen der Umgang mit den Schülerinnen und Schülern sowie den Eltern und dem Kollegium eine Rolle. Lehrerinnen und Lehrer können sich mit Situationen, in denen sie unsicher sind, anonym an das Schulportal wenden. Expertinnen und Experten aus der Praxis geben Tipps, wie Lehrkräfte in den beschriebenen Situationen am besten vorgehen.