Nachgefragt : Was macht die Rütli-Schule in Berlin heute?

Im Schuljahr 2017/18 hatten mehrere Brandbriefe aus Schulen in sozialen Brennpunkten Debatten über Inklusion, Gewalt und Personalnotstand ausgelöst. Anlass für das Schulportal in der Serie „Was macht…?“ nachzufragen, wie es der Rütli-Schule in Neukölln heute geht. Mit einem dramatischen Hilferuf der Lehrerinnen und Lehrer vor mehr als zehn Jahren wurde die Schule weit über Berlins Grenzen hinaus bekannt. Gewalt und Hilflosigkeit bestimmten den Schulalltag an der ehemaligen Hauptschule. Heute gilt die Schule als Beispiel für eine erfolgreiche Schulwende.

Derzeit entsteht auf dem Campus Rütli ein Erweiterungsbau nach einem Entwurf vom Büro Schulz & Schulz Architekten, damit in der Gemeinschaftsschule auch die Grundschüler Platz finden.
©Schulz & Schulz Architekten, Leipzig

Das Schulportal: Vor mehr als zehn Jahren, im Jahr 2006, hatte die Rütli-Schule in Berlin-Neukölln mit einem Brandbrief für Aufsehen gesorgt, weil die Lehrerinnen und Lehrer die Gewalt an der Schule nicht mehr in den Griff bekamen. Wie geht es der Schule heute?
Cordula Heckmann: Die damalige Hauptschule gibt es nicht mehr, wir sind jetzt die Gemeinschaftsschule auf dem Campus Rütli, die für ein längeres gemeinsames Lernen steht. An der Schule sind alle Abschlüsse möglich, von der Berufsbildungsreife bis zum Abitur. In diesem Jahr haben mehr als 60 Prozent der Schülerinnen und Schüler den Mittleren Schulabschluss geschafft, ein großer Teil von ihnen hat die Berechtigung zum Übergang in die gymnasiale Oberstufe erreicht. Das ist ein großer Erfolg. Wir befinden uns ja nach wie vor in einem sozialen Brennpunkt. Inzwischen ist die Schule übernachgefragt – das heißt, es gibt mehr Anmeldungen als vorhandene Plätze. Das ist wohl der größte Erfolg, denn durch den Brandbrief damals stand ja die Rütli-Schule zunächst vor allem für das Scheitern und das mit einer maximalen Öffentlichkeit über die Grenzen von Berlin hinaus.

War aus Ihrer Sicht der Notruf durch einen öffentlichen Brandbrief der richtige Weg? Die Schule hatte ja danach sehr viel Unterstützung erhalten.
Dass die Entwicklung so gut gelaufen ist, kann man nicht allein auf den Brandbrief zurückführen. Auch vorher gab es schon Bestrebungen, Veränderungen herbeizuführen. So beteiligte sich zum Beispiel die Rütli-Schule an der AG „Auf dem Weg zur Kiezschule“ des Quartiersmanagements, an der noch andere umliegende Schulen beteiligt waren. Dass es dennoch zu diesem Hilferuf kam, hatte viele Gründe. Ein wesentlicher Faktor war, zum Beispiel, dass es an der Schule damals keine Schulleitung gab. Im Nachhinein war der Notruf in diesem Fall sicherlich hilfreich. Das kann man aber nicht verallgemeinern. Eine Schule muss sich schließlich bewusst machen, dass dieser Weg eine große Öffentlichkeit herstellt und das muss man dann auch aushalten. Es ist ein schwieriger Weg, dann gute Lehrerinnen und Lehrer für den Standort zu gewinnen und auch Schülerinnen und Schüler von dem Angebot zu überzeugen. Bei der Rütli-Schule ist es gut ausgegangen.

Cordula Heckmann ist Schulleiterin der Gemeinschaftsschule auf dem Campus Rütli.
©privat

Liegt die Erfolgsgeschichte der Rütli-Schule vielleicht auch daran, dass der Brandbrief den Nerv der Zeit getroffen hatte und geradezu zu einem Weckruf wurde, die Schulform der Hauptschule zu überdenken?
Ja absolut, die Zeit war reif für die Schulstrukturreform und die Forderung der Lehrerinnen und Lehrer in dem Brandbrief, die Hauptschule abzuschaffen, traf auf fruchtbaren Boden. Außerdem war es auch bundesweit an der Zeit, den Fokus auf Schulen in Quartieren zu lenken, die durch einen hohen Migrationsanteil geprägt sind, und Antworten auf die besonderen Herausforderungen dort zu finden.

Welche Projekte gibt es für die Zukunft auf dem Campus Rütli?
Derzeit sind das vor allem Bauprojekte. Aktuell befinden wir uns mitten in der Hochphase der Bauarbeiten. Wir erhalten zum Beispiel einen Schulerweiterungsbau, um auch die Grundschule auf dem Campus aufzunehmen, die bisher noch in einer nahegelegenen Filiale untergebracht ist. Dann entsteht ein Stadtteilzentrum, in dem es auch Beratungs- und Bildungsangebote für Eltern geben wird. Und es wird ein Gebäude für eine Berufewerkstatt geben, in der Jugendliche und junge Erwachsene ein Angebot bekommen, dass sie anschlussfähig machen soll für die Ausbildung. Dafür braucht es Kooperationspartner, wie zum Beispiel die Jugendberufsagentur.

Auf einen Blick

  • Die ehemalige Rütli-Hauptschule, die benachbarte Heinrich-Heine-Realschule und die nahegelegene Franz-Schubert-Grundschule sind seit dem Schuljahr 2008/09 zum Campus Rütli zusammengeschlossen. Zum Campus im Berliner Stadtteil Neukölln gehören zudem zwei Kitas und ein Jugendclub an der Rütli-Straße.
  • Die Gemeinschaftsschule mit gymnasialer Oberstufe ist eine gebundene Ganztagsschule. Insgesamt lernen 870 Schülerinnen und Schüler an der Schule, davon sind 75,7 Prozent nichtdeutscher Herkunftssprache.
  • An der Schule arbeiten 90 Lehrkräfte sowie acht Studienreferendare und -referendarinnen, bzw. Lehramtsanwärter und -anwärterinnen.