Umstrittenes Projekt : An einer Berliner Schule lernen nur Geflüchtete
40 Jugendliche lernen an der ehemaligen Teske-Schule in Schöneberg die deutsche Sprache. Fast alle von ihnen sind zuvor in Willkommensklassen einer Regelschule gescheitert. Über das Projekt wird heftig gestritten. Die Linke und die CDU lehnen reine Klassen für Geflüchtete ab.
Dương hat in acht Monaten Deutsch gelernt
Glücklich hält Dương, 16, sein Zeugnis hoch. Er hat die neunte Klasse des Bildungszentrums Tempelhofer Weg im Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg mit guten Noten abgeschlossen. Nach den Sommerferien wird er an einem Berliner Gymnasium weiterlernen. Für ihn ist das ein großer Erfolg, konnte er doch nicht ein Wort Deutsch, als er vor acht Monaten aus Vietnam nach Deutschland kam. „Ich habe inzwischen viel gelernt“, sagt Dương. Seine Klasse sei klein gewesen, die Lehrerinnen und Lehrer hätten Zeit gehabt, sich um jede Einzelne und jeden Einzelnen zu kümmern. Außerdem hätten alle Mitschülerinnen und Mitschüler zunächst kaum Deutsch gekonnt. „Keiner hat gelacht, wenn jemand Fehler beim Sprechen gemacht hat. Wir haben zusammengehalten und uns gegenseitig respektiert.“
Die Schule wird als „Apartheidsschule“ kritisiert
Schulleiterin Marlene Müller-Rytlewski kann noch mehr Erfolgsgeschichten wie die von Dương erzählen. Viele ihrer Schülerinnen und Schüler werden im neuen Schuljahr die neunte Klasse einer Regelschule besuchen, sagt sie. Trotzdem bekommt ihre Schule seit der Eröffnung im Oktober vergangenen Jahres viel Gegenwind. Von „Apartheidsschule“ ist die Rede, weil ausschließlich Lernende mit geringen Deutschkenntnissen – fast nur Geflüchtete – die Schule besuchen. Im vergangenen Schuljahr waren es 40 Schülerinnen und Schüler im Alter zwischen 15 und 17 Jahren. Sie kommen aus Syrien, Afghanistan, Iran, aus Serbien und dem Irak, aus Vietnam. Fast alle haben zuvor Willkommensklassen an unterschiedlichen Oberschulen besucht, den Sprung in eine Regelklasse wegen mangelnder Sprachkenntnisse aber nicht geschafft. Viele ihrer Schülerinnen und Schüler, sagt Schulleiterin Müller-Rytlewski, seien an zwei, gar drei anderen Schulen gescheitert, hätten kaum Deutsch gelernt, weil die Lehrkräfte zu wenig Zeit hatten oder sie von Mitschülerinnen und Mitschülern gemobbt worden seien.
Stammschule des Projekts ist die Hugo-Gaudig-Schule
Im Bildungszentrum am Tempelhofer Weg werden die Jugendlichen auf den Übergang an eine Sekundarschule, ein Gymnasium oder auf eine vorberufliche Ausbildung vorbereitet. Ziel ist, sie sprachlich so fit zu machen, dass sie dem Unterricht an der Regelschule folgen können. „Die Jugendlichen wissen, dass das ihre letzte Chance ist, und sind motiviert“, sagt Müller-Rytlewski. Für den Unterricht in den Wahlpflichtfächern Musik und Kunst gehen die Jugendlichen in die nahe gelegene Integrierte Sekundarschule Hugo-Gaudig-Schule.
Das Konzept ist erfolgreich. Das zeigt auch das Beispiel von Fereshte aus Afghanistan. Die inzwischen 18-Jährige wird nach den Sommerferien das Oberstufenzentrum Gesundheit in Berlin-Wedding besuchen – sie möchte Krankenschwester werden. Fereshte ist seit drei Jahren in Deutschland. Zwei Jahre lang hat sie die Willkommensklasse eines Gymnasiums besucht. „Richtig viel gelernt habe ich aber erst an der Schule von Frau Müller-Rytlewski“, sagt sie.
Bildungspolitiker fordern dezentrale Lösungen
Die öffentliche Kritik am Tempelhofer Bildungszentrum reißt dennoch nicht ab. Der Verein „Schöneberg hilft“, der sich um geflüchtete Kinder und Jugendliche sowie deren Familien kümmert, hält es für pädagogisch falsch, jugendliche Geflüchtete in speziellen Klassen zu gruppieren. Mit Integration habe das nichts zu tun, heißt es. Das Konzept sei ein Rückschritt gegenüber den bildungspolitischen Reformbemühungen, die Berlin in den vergangenen Jahren im Bereich der Inklusion erfolgreich bewältigt habe. Der Verein fordert Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) auf, nach dezentralen Lösungen für die schulische Integration der Jugendlichen zu suchen.
Auch Regina Kittler, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, lehnt reine Flüchtlingsklassen ab. „Das ist kein Modell der Zukunft – bei allem Respekt vor der Arbeit der Lehrkräfte an dieser Schule“, sagt sie. Sinnvoll wäre es indes, das Team um Schulleiterin Müller-Rytlewski an einem Oberstufenzentrum anzusiedeln und die Jugendlichen dort zu fördern.
Schule als Schutzraum für die Jugendlichen
Schulleiterin Marlene Müller-Rytlewski ist anderer Meinung. Integration könne nur gelingen, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind. An denen arbeite man an ihrer Schule, sagt sie. „Wir sind ein Schutzraum für die Jugendlichen.“ In Ruhe könnten sie Deutsch lernen und den Anschluss an eine Regelschule oder die Voraussetzungen für eine Ausbildung erreichen. Niemand werde gemobbt, weil er noch nicht gut Deutsch spreche oder Schwierigkeiten habe, sich in den Schulbetrieb einzufinden. „Bei uns lernen Jugendliche aus verschiedenen Ländern mit ganz unterschiedlichen Wertevorstellungen. Sie müssen miteinander klarkommen – auch das ist Integration.“
In kommenden Schuljahr kann die Schule ihre Arbeit fortsetzen
Müller-Rytlewski wünscht sich mehr Unterstützung vom Senat, der die Schule eröffnet hat. Denn sie ärgere sich darüber, dass verschiedene Bildungsträger Front gegen ihre Schule machen. „Die bringen die Flüchtlinge in Werkstätten unter und bekommen viel Geld für diese Form der Integration. Eine gute schulische Ausbildung erhalten die Jugendlichen dort aber nicht.“
Dương ist froh, dass er die Chance hatte, am Bildungszentrum Tempelhofer Weg Deutsch zu lernen. Er will später Programmierer werden, dazu braucht er das Abitur. ist Auch die Berliner Bildungsverwaltung ist von der Arbeit des Teams um Schulleiterin Marlene Müller-Rytlewski überzeugt. Bildungssenatorin Sandra Scheeres hat vor den Sommerferien entschieden, dass die Schule ihre Arbeit im neuen Schuljahr fortsetzen kann.
Das „DaZ-Cluster“ im Regionalen Berufsbildungszentrum Wirtschaft in Kiel will mehr als nur ein Sprachlernangebot für junge Menschen, Kinder und Jugendliche sein, die nur geringe Deutschkenntnisse haben. Es soll auch ein Raum der Geborgenheit und des Wohlfühlens sein.
Hier geht es zum Konzept „DaZ-Cluster“ des Beruflichen Schulzentrums Kiel.