Rechtsextremismus : Starke Lehrkräfte gegen Fremdenhass im Klassenzimmer

Rassistische Sprüche auf dem Pausenhof oder ein Hakenkreuz auf der Schulbank – Lehrkräfte sind mit verschiedenen Formen von rechtsextremer Jugendkultur konfrontiert und häufig wissen sie nicht, wie sie darauf reagieren sollen. Das Modellprojekt „Starke Lehrer – Starke Schüler“ wurde vor drei Jahren auf Initiative der Robert Bosch Stiftung gemeinsam mit der TU Dresden entwickelt und mit dem Sächsischen Staatsministerium für Kultus durchgeführt. Ziel war es, den Lehrerinnen und Lehrern an beruflichen Schulen mehr Sicherheit im Umgang mit fremdenfeindlichen, antidemokratischen und rechtsextremen Äußerungen zu geben. Jetzt liegt die Evaluation des Projekts vor.

Niedersachsen, Bad Nenndorf: Ein Schild ´Gemeinsam Mehr Nazis Stoppenª ist w‰hrend einer Demonstration gegen Rechtsextremismus vor dem Wincklerbad zu sehen. Ein B¸ndnis aus Gewerkschaften, Kirchen, Parteien, Vereinen und Initiativen will am Samstag in Goslar gegen Neonazis demonstrieren. Die Stadtverwaltung rechnet mit mindestens 2000 Teilnehmern. 8zu dpa "B¸ndnis will in Goslar gegen Neonazis demonstrieren" vom 02.06.2018) Foto: Peter Steffen/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Wie können Lehrkräfte rechtsextremen Äußerungen in der Schule entgegentreten? Das Modellprojekt „Starke Lehrer – Starke Schüler“ gibt Antworten.
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Es war im Gemeinschaftskundeunterricht, als ein Schüler vor der Klasse sagte: „Die Ausländer? Lass die doch ersaufen, dann kommen nicht so viele“, berichtete der Lehrer einer Berufsschule in Sachsen. Sitzt da ein Rechtsextremer in der Klasse? Oder muss da jemand einfach mal Luft ablassen? Sollte man darüber hinwegsehen oder einen heftigen Streit in der Klasse riskieren? Der Lehrer, der die Erfahrung schilderte, war einer von insgesamt 23 Lehrkräften an neun Berufsschulen in Sachsen, die drei Jahre lang an dem Projekt „Starke Lehrer – Starke Schüler“ teilnahmen.

Das Projekt wurde von der Robert Bosch Stiftung und dem Sächsischen Staatsministerium für Kultus finanziert, die Durchführung lag in den Händen der Technischen Universität Dresden. Von Anfang an wurde das Projekt extern durch die Universität Hannover wissenschaftlich evaluiert. Die Ergebnisse liegen jetzt vor und zeigen vor allem eins: Es gibt einen dringenden Handlungsbedarf bei der Unterstützung der Schulen im Umgang mit Rechtsextremismus.

In einer Befragung zu Beginn des Projekts schätzte die deutliche Mehrheit der teilnehmenden Lehrerinnen und Lehrer ihr Wissen zum Thema Rechtsextremismus als „eher gering“ oder „nicht vorhanden“ ein. Entsprechend unsicher fühlten sich auch die meisten der Befragten im Umgang mit rechtsextremen Äußerungen von Schülerinnen und Schülern. Die häufigste Handlungsstrategie lag deshalb vor allem darin, Auseinandersetzungen dazu möglichst zu vermeiden: „… also direkt über Extremismus spreche ich nicht. Weil ich mich nicht sattelfest fühle auf dem Gebiet“, lautete beispielsweise die Antwort einer der befragten Lehrkräfte. Man wisse ja nicht, ob man da dann „als gerupftes Huhn rausgehe“, sagte der Lehrer weiter.

Praktische Reaktionsansätze für die Lehrkräfte im Unterricht

Das dreijährige Projekt unter dem Motto „Starke Lehrer – Starke Schüler“ hatte das Ziel, den Pädagoginnen und Pädagogen mehr Sicherheit in der Auseinandersetzung mit den Schülerinnen und Schülern zu geben. Wesentlicher Baustein des Projekts war eine Weiterbildung zum Thema rechtsextreme Jugendkultur. In mehreren Workshops wurden den Lehrerinnen und Lehrern ganz praktische Erklärungs- und Reaktionsansätze vermittelt. Zusätzlich sollte die Vernetzung der teilnehmenden Lehrkräfte aus verschiedenen Schulen dabei helfen, Erfahrungen zu teilen. Eine weitere Säule des Projekts war die Beratung. Über drei Jahre hinweg kamen regelmäßig externe Fachleute an die Schulen, um vor Ort gemeinsam mit den Lehrkräften passgenaue Strategien zu entwickeln und ihnen ein Feedback zu den eigenen Ansätzen zu geben.

Die Befragung am Ende der drei Jahre zeigte, dass das Konzept zumindest teilweise aufgegangen war. Die Mehrheit der Lehrerinnen und Lehrer bezeichneten ihren Wissensstand zum Thema Rechtsextremismus nach der Qualifizierung als „eher umfassend“ oder „umfassend“. Auch die Handlungssicherheit im Umgang mit extrem rechten Schülerinnen und Schülern nahm nach Angaben der Befragten deutlich zu.

Weniger positiv bewerteten die Teilnehmer die Reaktionen auf das Projekt im eigenen Kollegium. Viele fühlten sich während des Projekts allein mit ihrem Engagement. An einigen Schulen äußerten sich Teile des Kollegiums sogar ablehnend gegenüber dem Projekt, weil sie selbst die rechtspopulistischen Meinungen teilten, heißt es in der Studie. So würden ausgrenzende Äußerungen oder diskriminierende Handlungen von vielen eher als Normalität und weniger als Problem betrachtet. Vor diesem Hintergrund sei es den Lehrkräften aus dem Projekt oftmals schwergefallen, sich konsequent gegen problematische Einstellungen von Schülerinnen und Schülern zu wenden. Häufig habe laut Studie auch die Unterstützung durch die Schulleitung gefehlt. Die Schulkultur insgesamt habe sich deshalb nach Angaben der befragten Lehrkräfte nur dort verändert, wo sich auch die Schulleitung stark für das Projekt einsetzte.

Das ist nicht überraschend. Die Stimmung an den Schulen spiegelt die Stimmung in der Gesellschaft wider – nicht nur in der Schülerschaft, sondern auch im Kollegium. In Sachsen, wo das Projekt stattfand, hat die Bundestagswahl 2017 gezeigt, dass rechtspopulistische Äußerungen mehrheitsfähig sind. Doch Rechtsextremismus und Abgrenzung sind nicht allein ein sächsisches Problem. In ganz Deutschland und auch Europa gibt es diese Tendenz.

Das Modellprojekt wird auf andere Bundesländer ausgeweitet

Die nun veröffentlichen Ergebnisse der Studie machen deutlich, welche Ansätze zur Förderung der Demokratieerziehung wirksam sind: „Damit Schulen wirkungsvoll gegen extremistische Haltungen arbeiten können, ist das gesamte Schulsystem gefordert, angefangen bei der Lehrerausbildung“, sagte Uta-Micaela Dürig, stellvertretende Vorsitzende der Geschäftsführung der Robert Bosch Stiftung, anlässlich der Veröffentlichung der Studie. Politische Bildung müsse sowohl in der Aus- und Weiterbildung von Lehrern als auch im Unterricht genügend Raum erhalten. Wichtig sei auch, dass Lehrkräfte und Schulleitung gemeinsam eine klare Haltung formulierten, wie an den einzelnen Schulen mit extremistischen Aussagen umgegangen werden solle, so Dürig.

Das Projekt „Starke Lehrer – Starke Schüler“ geht weiter: Das Kultusministerium finanziert den Ausweitung des Projekts an noch mehr Schulen in Sachsen und bringt die Inhalte somit gemeinsam mit dem Sächsischen Landesamt für Schule und Bildung in die Fläche. Die Robert Bosch Stiftung hat die Bundeszentrale für politische Bildung als weiteren Partner gewonnen und wird das Projekt künftig auch an Schulen in anderen Bundesländern umsetzen.

Auf einen Blick

Das Modellprojekt „Starke Lehrer – Starke Schüler“ beinhaltet vier Module:

  • Im Modul Qualifikation erhalten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine Weiterbildung zum Thema Rechtsextremismus.
  • Im Modul Vernetzung gibt es die Möglichkeit, Projekterfahrungen, Erlebnisse aus der Arbeit in den Klassen und praktische Hinweise auszutauschen.
  • Im Modul Supervision und Beratung werden die Schulen vor durch ein Tandem von Supervisorinnen und Supervisoren sowie außerschulischen Expertinnen und Experten unterstützt.
  • Das Modul Qualifikation des Unterstützungssystems enthält eine Vertiefung des Themas für die Supervisorinnen und Supervisoren für die Beratungsarbeit vor Ort.