Sechseinhalb Wochen : Das Ferien-Protokoll einer Schul­leiterin

Angesichts von sechseinhalb Wochen Schulferien schauen viele neid­voll auf die Lehr­kräfte. Das geflügelte Wort des Ex-Bundes­kanzlers Gerhard Schröder über die „faulen Säcke“ hat zur Sommer­zeit Hoch­konjunktur. Das Schulportal hat nach­gefragt, wie eine Schul­leiterin tatsächlich die sechs­einhalb Wochen zwischen den Schul­jahren verbringt.

Eine Hängematte im Grünen
Symbolbild: Für ihre vielen Ferientage werden Lehrerinnen und Lehrer oft beneidet, dabei macht der Urlaub nur einen Teil der Sommerferien aus.
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In Baden-Württemberg haben am 25. Juli die Sommer­ferien begonnen. Während viele Kinder schon am nächsten Tag mit ihren Eltern in den Urlaub gefahren sind und die Schule schnell vergessen haben, geht Christine Senger, Schul­leiterin der Kerschensteiner Gemein­schafts­schule Mannheim, weiter­hin jeden Tag in ihre Schule. „Weil Ferien sind, leiste ich es mir aller­dings, erst um 8.30 Uhr statt wie sonst um 7.15 Uhr in der Schule zu sein“, sagt sie.

Christine Senger wird erst zwei Wochen nach Ferien­beginn in den Urlaub starten. Schul­leiter­innen und Schul­leiter, aber auch Lehrer­innen und Lehrer haben eben nicht sechs­einhalb Wochen Ferien, sagt sie. Auch wenn viele Menschen das noch immer denken und sie darum beneiden würden. „Meine Sommer­ferien sind drei­ein­halb Wochen lang. An den anderen Tagen habe ich in der Schule zu tun“, sagt Senger. Das Schulportal hat mit ihr über ihre Arbeit in den Ferien gesprochen. Ein Protokoll.

Akten schreddern und Arbeits­gemein­schaften organisieren

Tag eins und zwei der Sommer­ferien: Christine Senger führt viele Gespräche – mit Kooperations­partnern für das neue Schul­jahr, wie Künstlern oder Vertretern von Sport­vereinen, die auch im kommenden Schul­jahr wieder Arbeits­gemeinschaften anbieten und in der Mittags- oder Nach­mittags­betreuung tätig sein werden. Mit einigen Kollegen trifft sie außerdem noch Absprachen für das neue Schul­jahr.

Tag drei bis fünf: Die Schul­leiterin Senger sieht Schüler­akten durch. Denn aus Daten­schutz­gründen müssen sämtliche Akten von Schülern, die die Schule verlassen, vernichtet werden. Lediglich Prüfungs­unter­lagen werden 50 Jahre lang auf­gehoben. Senger schaut sich jede infrage kommende Akte an und entscheidet, welche geschreddert werden.

Tag sechs und sieben: Die Schul­leiterin hält Rück­sprachen mit dem Staatlichen Schul­amt. Zwar weiß sie bereits, wie viele Lehr­kräfte ihr im kommenden Schul­jahr zur Verfügung stehen und wie viele Stunden die einzelnen Kolleginnen und Kollegen unter­richten werden, trotzdem sind Fein­abstimmungen nötig, weil es immer wieder Veränderungen gibt. Zum Beispiel die Abordnung der internen Krankheits­vertreter.

Wir sind eine beliebte Schule und haben mehr Anmeldungen als Plätze.
Christine Senger, Schul­leiterin der Kerschensteiner Gemein­schafts­schule Mannheim

Darüber hinaus telefoniert sie mit Eltern. „Wir sind eine beliebte Schule und haben mehr Anmeldungen als Plätze“, sagt Senger. Viele Eltern möchten von ihr persönlich wissen, weshalb es mit dem gewünschten Schul­platz nicht geklappt hat. Andere müsse sie in einem Gespräch von bestimmten Entscheidungen, ihre Kinder betreffend, über­zeugen. Einem Vater hat sie beispiels­weise gerade erklärt, warum sein Sohn mit Schul­jahres­beginn in die Parallel­klasse wechseln soll. „Bei dem Jungen ist eine Lern­behinderung fest­gestellt worden. Er ist deshalb in der Parallel­klasse besser auf­gehoben, weil dort eine Sonder­pädagogin im Einsatz ist“, sagt sie.

Tag acht bis zehn: Eine Ministerial-Anfrage gilt es zu beantworten. „Ich soll Angaben dazu machen, wie viele unserer Schüler­innen und Schüler ans Gymnasium wechseln oder abgehen, wie viele Lehrer­innen und Lehrer an meiner Schule arbeiten, wie viele Sonder­pädagogen und Erzieher wir haben, wie oft hitze­frei war und vieles mehr.“

Dabei könne sie sich nicht immer nur auf ihr Computer­programm verlassen. „Darin tauchen dann zum Beispiel Lehr­kräfte auf unserer Haben­seite auf, die uns gar nicht zur Verfügung stehen, weil sie in Eltern­zeit sind.“ Das habe sie alles schon erlebt. „Die Leute vom Amt haben uns darauf­hin gesagt, dass wir einen Über­hang hätten und Stunden abgeben müssten.“ Da sei ihr fast das Herz stehen geblieben. Inzwischen kenne sie aber die Fehler­quellen, sagt Senger.

Auch Abrechnungen stehen noch auf der Erledigungs­liste der Schul­leiterin. „Wir sind ,Kunst­schule Baden-Württem­berg‘ und bekommen 10.000 Euro im Jahr, mit denen wir Tänzer, Schau­spieler und andere Künstler beschäftigen können.“

Tag elf: Wenn die ersten zehn Ferien­tage vorbei sind, fährt auch Christine Senger mit ihrer Familie, zu der zwei Kinder im Alter von 12 und 15 Jahren gehören, in den wohl­verdienten Urlaub. In diesem Jahr wird es mal wieder nach Italien gehen. Doch selbst im Urlaub checkt sie alle zwei bis drei Tage ihre dienstlichen Mails. „Sonst läuft einfach viel zu viel auf“, sagt sie.

Zehn Tage vor Schul­beginn wird Christine Senger dann bereits wieder täglich in der Schule anzutreffen sein.

Tag eins und zwei dieser Interims­phase: Senger macht ihr Büro fit, sieht die Ablage durch und schließt alle Geräte wieder an.

Tag drei bis sechs: Mit To-do-Listen bereitet sich die Schul­leiterin auf den Schul­beginn vor. „Ich werde verschiedene Pakete schnüren“, sagt sie. Es gelte, sowohl die Schul­jahrs­anfangs-Konferenz als auch Fach­konferenzen vorzu­bereiten und die Jahres­arbeits­pläne der einzelnen Lehr­kräfte zusammen­zustellen. „Meist kommen in dieser Zeit auch schon die ersten Kolleginnen und Kollegen mit Fragen und Problemen auf mich zu.“

Fortbildungen für Kollegen im neuen Schul­jahr vorbereiten

Tag sieben bis zehn: Christine Senger macht Pläne für ihre Arbeit als Fach­beraterin am Staatlichen Schul­amt sowie für die Fort­bildungen, die sie für andere Kolleg­innen und Kollegen geben wird. Außer­dem vermerkt sie in einem Bericht, wann, wo und mit wem sie im vergangenen Schul­jahr Fort­bildungen gemacht hat.

Ärgert sie das hartnäckige Vor­urteil, dass Lehrer­innen und Lehrer dauernd nur Ferien haben? Senger lacht. „Inzwischen nicht mehr“, sagt sie. Sie habe in den vergangenen Jahren gelernt, dass sie noch so oft sagen könne, dass sie viel arbeiten muss – manche Leute könnten sich das einfach trotzdem nicht vorstellen.

Dabei werden auch im neuen Schuljahr nicht wenige Wochen mehr als 50 Arbeits­stunden für sie haben. „Wenn es in einem Gespräch zu diesem Thema kommt, sage ich einfach nur, dass jeder seine Berufs­wahl selbst bestimmen kann. Mehr nicht.“

Auf einen Blick

Portrait von Christine Senger, Schulleiterin der Kerschensteiner Gemeinschaftsschule
Christine Senger ist Schul­leiterin der Kerschensteiner Gemein­schafts­schule Mannheim.
©privat
  • Die Kerschensteiner Gemein­schafts­schule Mannheim hat 48 Lehrer­innen und Lehrer, drei Schul­sozial­arbeiter und 450 Schüler­innen und Schüler.
  • Schülerinnen und Schüler können dort von der fünften bis zur zehnten Klasse lernen.
  • Christine Senger (44) ist seit 2012 Leiterin der Schule.
  • Auf 80 Plätze in den fünften Klassen haben sich mehr als 120 Schüler­innen und Schüler beworben.