Schulentwicklungsprogramm : Werkstatt „Schule im digitalen Wandel gestalten“

Spätestens seit der Corona-Pandemie ist der digitale Wandel an allen Schulen omnipräsent. Doch wie können sie aus den ersten Ideen und Erfahrungen jetzt einen nachhaltigen Schulentwicklungsprozess machen? Die Deutsche Schulakademie bietet interessierten Schulen Unterstützung dabei. 48 Schulen können sich ab sofort bis zum 1. November für die Werkstatt „Schule im digitalen Wandel gestalten“ bewerben. Die Werkstatt ist eine langfristig angelegtes Schulentwicklungsprogramm im hybriden Format über einen Zeitraum von 1,5 Jahren. Was die teilnehmenden Schulen dabei erwartet, erklärt Projektleiterin Jenny Radzimski im Interview.

Schon seit 2018 nutzt die Integrierte Gesamtschule Lengede in Niedersachsen eine digitale Lernumgebung im Unterricht. In der Corona-Pandemie hat die Schule das Konzept weiterentwickelt. Die Schule gehört zu den Preisträgern des Deutschen Schulpreises.
©Andrea Gatzke (Robert Bosch Stiftung)

Deutsches Schulportal: „Digitaler Wandel“ ist ja ein weiter Begriff – worum genau geht es in der Werkstatt?
Jenny Radzimski:Das ist tatsächlich ein sehr großer Begriff. Für uns ergibt sich die Werkstatt aus der Erkenntnis, dass wir einen gesamtgesellschaftlichen Transformationsprozess durchlaufen. In den vergangenen anderthalb Jahren ist insbesondere durch die Corona-Pandemie noch mal ganz klar geworden, wie wichtig es ist, sich auch auf der Ebene der Schule mit dieser digitalen Transformation zu beschäftigen. Wir sind davon überzeugt, dass Schule die gesellschaftliche Realität abbilden muss und daher der digitale Wandel auch ein wichtiges Thema der Schulentwicklung ist. Über die Werkstatt wollen wir die Schulen dabei unterstützen, ihren individuellen Weg zu gehen.

Projektleiterin Jenny Radzimski
©Privat

Das heißt, jede Schule bestimmt selbst, welchen Bereich sie in dieser Werkstatt weiterentwickeln will?
Genauso ist es. Für Schulentwicklung gilt das Gleiche wie für die Unternehmensentwicklung auch. Zunächst muss jede Schule ihr individuelles Entwicklungsziel bestimmen. Dieses Ziel sollte bestimmten Kriterien entsprechen. Sehr wichtig ist zum Beispiel, dass es überhaupt in einem Zeitraum von anderthalb Jahren zu erreichen ist.

Dabei geht es nicht darum, dass das Lernen digitalisiert wird. Die Frage ist vielmehr, wie wir Schule zukunftsfähig gestalten und darin auch die Lebenswirklichkeit der Schülerinnen und Schüler abbilden.
Es ist nicht möglich, Schulen über einen Kamm zu scheren. Wir wollen dort ansetzen, wo die Schulen stehen.

Dies bedeutet die Berücksichtigung der unterschiedlichen Schulprogramme, der getroffenen Absprachen mit den verschiedenen Stakeholdern und auch die bildungspolitische Rahmung zum Beispiel durch Erlasse. Die Individualisierung unseres Angebots wird deshalb in der Offenheit bei der Zielsetzung abgebildet.

Für welche Schulen ist die Werkstatt besonders geeignet?
Wir sind offen für alle Schultypen aller Bundesländer. Die Werkstatt ist nicht für eine bestimmte Schulform konzipiert. Unser Ziel ist es, die Bildungslandschaft in Deutschland zu unterstützen. Förderschulen können sich also genauso bewerben wie Sekundarschulen, Berufsschulen, Grundschulen und alle anderen Schulformen.

Die Schulen nehmen mit einem Team von drei Personen teil. Warum ist es Ihnen so wichtig, dass jemand aus dem Schulleitungsteam dabei ist?
Aus Erfahrung wissen wir, dass man Schulentwicklung nicht vorbei an der Leitung machen kann – und auch nicht sollte. Die Wertigkeit eines Projekts nach innen und nach außen wird stark davon getragen, dass auch die Leitung dahintersteht. Das ist uns sehr wichtig. Es geht bei Schulentwicklungsprozessen schließlich nicht darum, Aufgaben in kleine Hinterzimmer zu delegieren. Wir wollen die maßgeblichen Akteure der Schule an einen Tisch holen, damit das Projekt auch in allen Bereichen Rückenwind hat. Das ist eine ganz wesentliche Gelingens-Bedingung.

Die Werkstatt läuft über 1,5 Jahre – das ist ungewöhnlich lang für eine Fortbildung. Welcher Grundgedanke steckt hinter einem so langfristig angelegten Schulentwicklungsprogramm?
Anderthalb Jahre sind sogar eher zu kurz für einen Schulentwicklungsprozess! Eigentlich müsste man fünf Jahre ansetzen, um am Ende wirklich Effekte messen zu können. Die Herausforderung für den zeitlichen Ablauf der Werkstatt ist auch, dass die Bundesländer zu unterschiedlichen Zeiten Ferien haben. Und wir möchten ja auch Zeit gemeinsam verbringen.
Und dann prallen natürlich auf die Schulen im Laufe der Zeit auch immer wieder andere aktuelle Herausforderungen ein. Dem wollen wir Rechnung tragen. Die Werkstatt bündelt Kräfte und Ressourcen, und wir wollen die Schulen dabei nicht überfordern.
Deshalb haben wir uns für ein Hybrid-Format entschieden: Veranstaltungen, in denen das zwischenmenschliche Miteinander von besonderer Bedeutung ist, finden in Präsenz statt. Andere Bausteine, wie etwa Einzelcoachings oder das Format „Meet the Expert“, sind digital. Online können auch kleine sogenannte „Special Interest Groups“ zusammenfinden, die an ähnlichen Herausforderungen arbeiten.

Und dann gibt es auch digitale Quellen wie Texte oder Podcasts, die die Schulen ganz unabhängig von Tag und Uhrzeit nutzen können. Auch die Flexibilität, die der digitale Wandel mit sich bringt, möchten wir in unserer Werkstatt abbilden.

Wie läuft die Werkstatt inhaltlich ab? Welche Etappen gibt es?
Ganz wesentlich ist die Bausteinarchitektur. Und da es sich bei der digitalen Transformation um einen Kulturwandel handelt, trägt jeder Baustein das Wort „Kultur“ mit im Namen.
Der erste Baustein etwa nennt sich „Zukunftskultur“. Hier geht es darum, sich bewusst zu machen, welche Veränderungen in der Gesellschaft gerade stattfinden.
In einem nächsten Baustein widmen wir uns der Lern- und Lehrkultur. Wir gehen beispielsweise der Frage nach, was Präsenzunterricht und Unterricht in Distanz, zum Beispiel digital gestützt, voneinander unterscheidet und wie beide Formen den Ansprüchen an guten Unterricht genügen können.
Auch die Organisationskultur der Schulen spielt eine Rolle. Möglicherweise ergeben sich durch die digitale Transformation auch Alternativen in den Bereichen Personal- und Projektmanagement, die sich, analog zu Netzwerken, stärker an Interessensgebieten orientieren als an den bekannten hierarchischen Strukturen.

Und wir wollen auch auf die Achtsamkeit schauen. Wir alle erfahren schließlich, was die Omnipräsenz der digitalen Medien bedeutet. Das heißt, wir müssen Wege der Abgrenzung finden – für uns selbst und auch für unsere Schülerinnen und Schüler.

Ich denke, Netzwerke sind in der digital transformierten Gesellschaft generell ganz wichtig. Deshalb wollen wir in der Werkstatt auch unser Netzwerk der Preisträgerschulen einbringen.

Welche Rolle spielt in der Werkstatt der Austausch mit den Preisträgerschulen des Deutschen Schulpreises?
Ich denke, Netzwerke sind in der digital transformierten Gesellschaft generell ganz wichtig. Deshalb wollen wir in der Werkstatt auch unser Netzwerk der Preisträgerschulen einbringen. Viele der Schulen haben innovative Methoden oder Organisationsformen entwickelt, die zu den jeweiligen Bausteinen passen. In der Werkstatt haben die teilnehmenden Schulen Gelegenheit, mit den Preisträgerschulen über ihre Erfahrungen zu sprechen und daraus vielleicht Hinweise für die eigene Schulentwicklung abzuleiten.

Sollen Vernetzungen unter den Schulen auch nach dem Ende der Werkstatt weiter bestehen bleiben?
Ja, das ist unsere große Hoffnung! Durch die Formate, in denen wir die Schulen mit ähnlichen Herausforderungen gruppieren, können sich tragfähige Netzwerke auch über die Werkstatt hinaus entwickeln.
Am Ende der Werkstatt findet auch ein gemeinsames Barcamp mit allen 48 teilnehmenden Schulen statt, bei dem es Gelegenheit gibt, auch mal über den Tellerrand in andere Bundesländer oder Schulformen zu schauen und die Vorhaben der anderen als Kick-off für die eigene weitere Schulentwicklung zu nutzen. Wir schaffen Möglichkeitsräume – und wir können natürlich jetzt noch nicht sagen, wie diese genutzt werden.

Auf einen Blick

  • Die Bewerbung für die Werkstatt „Schule im digitalen Wandel gestalten“ im Hybridformat ist noch bis zum 1. November 2021 möglich.
  • Die Werkstatt ist eine Langzeitfortbildung über einen Zeitraum von 1,5 Jahren. Sie findet im Zeitraum von Januar 2022 bis Juni 2023 statt und setzt sich aus insgesamt zehn Bestandteilen zusammen:
    einem Online-Onboarding; fünf Online-Bausteinen mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten; drei Präsenz-Bausteinen, in denen die Themenschwerpunkte vertieft oder erweitert werden, und einer Online-Abschlusskonferenz.
  • Das Angebot richtet sich an allgemein- und berufsbildende Schulen in Deutschland.

Zur Person

  • Jenny Radzimski ist als Projektleiterin für die Werkstatt „Schule im digitalen Wandel gestalten“ für die Deutsche Schulakademie tätig.
  • Sie arbeitet am Heinrich-Heine-Gymnasium Dortmundals Lehrerin für Deutsch und Englisch und als Beratungslehrerin.
  • In der Lehrerfortbildung der Bezirksregierung Arnsberg sind ihre Schwerpunkte Schulentwicklung und agiles Projektmanagement.