School Turnaround : Peter-Pan-Grundschule: Früher Problemschule, heute Vorbild

Die Peter-Pan-Grundschule in Marzahn-Hellersdorf ist eine von zehn Berliner Schulen in einst kritischer Lage, die mit dem Modellprojekt „School Turnaround“ die Wende geschafft hat. Das Schulportal hat genauer hingeschaut, was sich in den vergangenen Jahren dort verändert hat.

School Turnaround Projekt, Peter-Pan-Schule, Mai 2017, Berlin
Der Unterricht an der Peter-Pan-Grundschule in Marzahn-Hellerdorf hat sich in den vergangenen fünf Jahren grundlegend verändert.
©Tobias Bohm

Ein bunter Regenbogen, grüne Hügel und blauer Himmel – die Fantasiewelt auf dem Fassadenbild an der Peter-Pan-Grundschule hat auf den ersten Blick wenig gemein mit dem tatsächlichen Umfeld. Die Schule befindet sich am Berliner Stadtrand, inmitten der einst größten Plattenbausiedlung Europas. In den Wohnblocks von Marzahn-Hellersdorf leben vor allem Familien mit geringem Einkommen und zunehmend auch Geflüchtete und Menschen mit Migrationshintergrund. Knapp 500 Kinder lernen in dem fünfstöckigen DDR-Typenbau, der schon seit Jahren auf die Sanierung wartet.

In den Fluren und Räumen sieht man der Schule den schlechten baulichen Zustand jedoch nicht an: Die Wände sind frisch gestrichen, Kinderzeichnungen sind hochwertig gerahmt, Fotos zeigen die Schülerinnen und Schüler sowie das 65-köpfige Kollegium, eine Klasse hat einen Kuchenbasar aufgebaut, um Geld für die anstehende Klassenfahrt zu sammeln. Die  Besucherin spürt schnell: Diese Schule ist im Aufbruch.

Die Schieflage der Peter-Pan-Grundschule zeigte sich bei der Schulinspektion

Vor fünf Jahren hat die Robert Bosch Stiftung gemeinsam mit der Senatsbildungsverwaltung hier mit dem Modellprojekt „School Turnaround – Berlin startet durch“ einen langfristigen Entwicklungsprozess angestoßen, der heute sichtbare Erfolge zeigt. Mit der Unterstützung von „School Turnaround“ sollen Schulen in schwieriger sozialräumlicher Lage, die den Lernerfolg der Kinder nicht mehr sicherstellen können, wieder handlungsfähig werden. Über vier Jahre erhielten im Rahmen des Pilotprojektes zehn Berliner Schulen unter anderem Beratung und Begleitung von Fachleuten bei der Schulentwicklung. Eine in diesem Jahr vorgestellte Evaluation des Programmes hat gezeigt, dass durch gezielte Maßnahmen die Umkehr eines Abwärtstrends gelingen kann.

Katrin Wende, die Schulleiterin der Peter-Pan-Grundschule, holt den Ordner mit dem aktuellen Inspektionsbericht aus dem Regal. Das Kurvendiagramm ist eindeutig: Im Jahr 2012 lag die Schule noch fast bei allen Kriterien der Unterrichtsgestaltung unter dem berlinweiten Durchschnitt. Vor allem bei der individuellen Förderung bescheinigten die Inspektoren der Schule erheblichen Nachholbedarf. Der seinerzeit negative Inspektionsbericht war auch Anlass für die Schulaufsicht, die Peter-Pan-Grundschule in das Turnaround-Programm aufzunehmen. Im neuen Inspektionsbericht nun liegen die Bewertungen des Unterrichts in fast allen Punkten im berlinweiten Durchschnitt oder darüber.

Feste Zeiten für gemeinsame Beratungen

Wie konnte in so wenigen Jahren ein so großer Sprung nach vorn geschafft werden? „Zuerst brauchte die Schule funktionierende Strukturen“, sagt Katrin Wende. Und zu diesen Strukturen gehörte auch eine zuverlässig besetzte Schulleitung. Lange war die Leitung der Peter-Pan-Grundschule krankheitsbedingt nur vertretungsweise besetzt. Katrin Wende wechselte von einer Sekundarschule in Reinickendorf 2015 als Leiterin an die Grundschule. „Mich hatte die besondere Herausforderung gereizt, hier in schwieriger Lage eine Schulentwicklung mitgestalten zu können“, sagt sie.

Strukturen schaffen, das hieß auch Jahrgangsteams einzuführen und regelmäßige Termine festzulegen. Vieles davon war bereits mithilfe des „Prozessbegleiters“ – einer der wichtigsten und gleichzeitig wirksamsten Unterstützungsangebote im Projekt „School Turnaround“ -, etabliert, als Katrin Wende an die Schule wechselte. Jeden zweiten Montag zum Beispiel gibt es eine Konferenz der Steuerungsgruppe, die immer wieder die festgelegten Entwicklungsziele im Blick hat. Monatlich finden gemeinsame Fallberatungen statt, in denen Teams aus Lehrkräften, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen sowie die Schulpsychologin über Förderung für einzelne Schülerinnen und Schülern beraten. Immer dienstags planen Kolleginnen und Kollegen gemeinsam zu zweit oder zu dritt gemeinsam den Unterricht. Regelmäßig hospitieren Lehrkräfte untereinander im Unterricht. Und das sind nur einige Beispiele.

„Wichtig ist, dass alle mit in den Prozess mit eingebunden sind“, sagt Wende. Zu Beginn eines Schuljahres wählen jede Kollegin und jeder Kollege eine Arbeitsgruppe, die sich mit einem bestimmten Thema beschäftigt. Die Entwicklungsprojekte reichen vom Schulessen, über Schulfeste oder Pausengestaltung bis hin zur Zusammenarbeit mit der Kita. Auch die Erzieherinnen und Erzieher, Schülerinnen und Schüler und Eltern sind in die Arbeitsgemeinschaften miteinbezogen.

Hospitationsreise an ausgezeichnete Schule in Dortmund

Die Schulleiterin hatte extra den berufsbegleitenden Masterstudiengang „Führung und Management in Bildungseinrichtungen” an der TU Dortmund absolviert, wo sie vor allem lernte, wie man große Veränderungen am besten angeht. „Einen großen Schub gab es auch durch die Hospitationsreise an die Grundschule Kleine Kielstraße in Dortmund. Die Preisträgerschule des Deutschen Schulpreises liegt in einem vergleichbaren sozialen Umfeld. „Natürlich tickt jede Schule anders, aber wir konnten viele Anregungen für die Unterrichtsgestaltung mitnehmen“, sagt Wende.

Zum Beispiel die Lesekonferenz: Alle Kinder lesen zuerst leise, jedes für sich, einen Text. Sie streichen unbekannte Wörter an und finden im Team deren Bedeutung heraus. Dann lesen sie ihrer Sitznachbarin oder ihrem Sitznachbarn den Text vor, schließlich beantworten sie sich gegenseitig Fragen zum Text. Die Methode ist ein Baustein des „kollegialen Lernens“, das an der Peter-Pan-Grundschule den Unterricht so erfolgreich verändert hat. „Früher hatte die Lehrerin vor der Klasse gestanden, eine Frage gestellt und ein Kind hat sich gemeldet und geantwortet“, sagt Wende. Und meist seien es immer dieselben Kinder, die sich melden. Durch das „kollegiale Lernen“ seien alle Schülerinnen und Schüler aktiv und die Lernerfolge größer.

Die Lehrkräfte wissen die Unterrichtsentwicklung zu schätzen.  „Die Zufriedenheit im Kollegium ist gewachsen, und der Krankenstand geht seit zwei Jahren deutlich zurück“, sagt Wende. „Es herrscht ein neuer Geist an der Schule!“

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