Hospitationsprogramm : Von den besten Schulen Deutschlands lernen
Noch bis zum 10. Mai können sich Schulen für das Hospitationsprogramm der Deutschen Schulakademie bewerben. Hospitationen sind ein beliebtes Instrument, um bei der Schulentwicklung Erfahrungen von anderen Schulen zu nutzen. Doch selten gehen diese Einblicke so tief wie beim Hospitationsprogramm der Deutschen Schulakademie. Jedes Jahr können 150 Bewerberinnen und Bewerber mit einem Stipendium eine Woche lang die Praxis an einer der rund 70 Preisträgerschulen des Deutschen Schulpreises erleben. Was die Beteiligten dabei erwartet, darüber sprach das Schulportal mit Sandra Wille, die bei der Deutschen Schulakademie für das Hospitationsprogramm verantwortlich ist.

Schulportal: Frau Wille, jedes Jahr gibt es für die Hospitationen an den Preisträgerschulen des Deutschen Schulpreises mehr Bewerbungen als Plätze. Dabei müssen die Stipendiatinnen und Stipendiaten viel Zeit investieren. Wie erklären Sie sich die große Beliebtheit?
Sandra Wille: Das Hospitationsprogramm ist mehr als nur ein Blick über den Tellerrand. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erleben die Gastgeberschule eine ganze Woche lang – das ist sehr intensiv! Es finden viele Gespräche statt. Sie beobachten fünf Tage den Alltag, das Miteinander im Kollegium und der Schulgemeinschaft, den Unterricht, nehmen an Konferenzen und Teamsitzungen teil und lernen die verschiedenen Akteure kennen. Hinzu kommen die Vor- und Nachbereitungszeiten. Der zeitliche Aufwand ist damit tatsächlich vergleichsweise groß. Aber gerade darin liegt der Erfolg des Programms. Es gibt einen sehr tiefen Einblick. Die Preisträgerschulen sind dabei sehr offen – sie bieten einen echten Blick hinter die Kulissen. Ihnen ist es wichtig, nicht nur ein erfolgreiches Konzept zu präsentieren, sondern auch über den oft schwierigen Weg dorthin zu sprechen. Ein Lehrer sagte nach dem Programm: „Wir haben diese Schule so gut kennen gelernt, als würden wir selbst dort arbeiten“. Viele Teilnehmende sind nicht nur von den konkreten Konzepten nachhaltig beeindruckt, sondern auch von der Atmosphäre.
Wie läuft das Hospitationsprogramm ab? Gibt es ein festgelegtes Muster?
Nein, ein Muster gibt es nicht – auch darin besteht die Stärke des Programms. Die Bewerberinnen und Bewerber schreiben ein Motivationsschreiben, in dem sie die Herausforderung, die sie an ihrer Schule angehen wollen, beschreiben und was sie von der gastgebenden Schule in dieser Hinsicht erwarten. Sie suchen sich also schon eine ganz bestimmte Preisträgerschule aus, die ein Konzept entwickelt hat, das für sie interessant wäre. Bei der Auswahl können auch die Konzeptvideos auf dem Schulportal sehr hilfreich sein. Die Preisträgerschule erhält die Motivationsschreiben und wählt aus diesen zwei Tandems aus – je nachdem, welchen Erwartungen sie am besten gerecht werden können. Dann entwickeln die Gastgeberschulen einen Hospitationsplan, der passgenau zugeschnitten ist. Mal ist es für die Hospitierenden wichtiger, intensiv die Teamstruktur- und kultur kennen zu lernen oder beim Treffen des Schulentwicklungsteams dabei zu sein, mal stehen die Organisation des Ganztags, der Oberstufe oder der Jahrgangsmischung im Fokus. Neben einem Rundumblick ist eine Schwerpunktsetzung nötig und wichtig – darauf bereiten auch die von der Deutschen Schulakademie zur Verfügung gestellten Materialien vor.
Materialien aus dem Hospitationsprogramm der Deutschen Schulakademie
Beispielwochenplan (PDF)
Dieser fiktive Beispielhospitationsplan ist eine Zusammenstellung aus Angeboten unterschiedlicher Schulpreisträger-Schulen – nicht eine Schule bietet also alles an. Er zeigt auf, was grundsätzlich möglich ist.
Mögliche Regeln für eine Hospitation (PDF)
Es ist wichtig, im Vorfeld der Hospitation zu formulieren, welche spezifischen Regeln und Gepflogenheiten im Unterricht und an der Schule gelten und diese gut mit Besuchenden zu kommunizieren. Welche Aspekte das umfassen und wie unterschiedlich der Umgang aussehen kann, zeigt diese Zusammenstellung.
Was sind häufige Fragestellungen, mit denen die Stipendiaten an die Preisträgerschulen kommen?
Die Interessen der Stipendiatinnen und Stipendiaten sind sehr heterogen. Häufig kommen aber beispielsweise Fragen nach der Organisation der Jahrgangsmischung, nach der Rhythmisierung des Schultags, nach Partizipationsstrukturen des Kollegiums und von Schülerinnen und Schülern. Die Schulen interessieren sich oft für ganz bestimmte Konzepte und Materialien, zum Beispiel zum selbstorganisierten Lernen, wie Logbücher, Portfolioarbeit, Kompetenzraster, Leitfäden für Schüler-Eltern-Lehrer-Gespräche. Es gibt auch speziellere Anfragen, wie zum Beispiel zum Thema „Technik für Mädchen“.
Indem sie aber auch den Alltag der Schule erleben, stoßen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer oft auch auf Dinge, die sie vorher gar nicht im Fokus hatten. Dazu zählt zum Beispiel die räumliche Gestaltung. Nach meiner Einschätzung aus Gesprächen und Berichten dürfte die Umgestaltung von Klassenzimmern, aber auch des Lehrerzimmers eine recht häufige Direktmaßnahme nach der Hospitation sein. Auch Teamstrukturen werden oft nach der Hospitation angepasst oder neu eingeführt. Ein Stipendiat aus dem vergangenen Jahr sagte: „Die Hospitation verändert nicht die Schule, aber sie verändert definitiv das Denken und die Schwerpunktsetzung der Hospitierenden.“ Die Deutsche Schulakademie versucht mit dem Hospitationsprogramm Rahmenbedingungen zu schaffen, unter denen dieses Umdenken konstruktiv für die Schulentwicklung genutzt werden kann, zum Beispiel durch die explizite Einbindung der Schulleitungen als Teilnahmevoraussetzung für das Hospitationsprogramm.
Die Hospitation verändert nicht die Schule, aber sie verändert definitiv das Denken und die Schwerpunktsetzung der Hospitierenden.
Nach dem Programm treffen sich alle Stipendiatinnen und Stipendiaten und deren Schulleitungen noch einmal zwei Tage in der Nähe von Berlin. Was bringt die Nachbereitung?
Nach der einen Woche Hospitation kommen die Stipendiatinnen und Stipendiaten meist mit einem Berg an Ideen zurück an ihre Schule. Doch oft ist es schwer, die entstandenen Impulse im Alltagsstress ins Kollegium und in die Praxis zu bringen. Die Nachbereitungstreffen sind sehr hilfreich, um die verlorenen Fäden wieder aufzunehmen und sich noch mal klar zu machen, was in welcher Form verändert werden kann. Dabei geht es auch darum, sich das richtige Maß vorzunehmen: Was kann und ist das Kollegium gerade bereit zu leisten, was braucht es dazu und wie gehen wir es an? Dabei hilft der Input erfahrener Referentinnen und Referenten.
Profitieren auch die gastgebenden Preisträgerschulen von dem Programm?
Auf jeden Fall. Die Stipendiatinnen und Stipendiaten sind ja nicht nur Besucher, sondern interessierte und engagierte Kolleginnen und Kollegen. Teilweise nutzen die Preisträgerschulen auch für sich den Blick von außen und geben den Gästen zum Beispiel für die Hospitation im Unterricht eine Beobachtungsfrage mit. Das Feedback können sie dann für ihre eigene Unterrichtsentwicklung nutzen. In den Gesprächen zwischen den Kolleginnen und Kollegen der gastgebenden und der hospitierenden Schule findet oft ein gewinnbringender pädagogischer Austausch statt – das tut allen Beteiligten gut. Oft ist das auch motivierend, weil die Preisträgerschulen durch die Augen der Gäste wieder sehen, dass vieles, was sie für selbstverständlich halten, sehr besonders ist. In einigen Fällen entsteht eine echte Beziehung und die Schulen tauschen sich auch nach dem Ende des Hospitationsprogramms weiter aus.
- Die Deutsche Schulakademie vergibt jährlich 150 Hospitationsstipendien an den rund 70 Preisträgerschulen des Deutschen Schulpreises.
- Die Ausschreibung richtet sich an Schulleitungen, Lehrkräfte und pädagogische Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aller Schularten.
- Falls die Schulleitung nicht Teil des Hospitations-Tandems ist, gilt ihre zusätzliche Teilnahme am zweitägigen Stipendiatentreffen als Bewerbungsvoraussetzung.
- Jede Stipendiatin und jeder Stipendiat erhält einen pauschalen Förderbetrag von 500 Euro für Reise- und Übernachtungskosten.
- Bewerbungen für das Hospitationsprogramm 2019 sind bis zum 10.5.2019 über diese Seite möglich.