Deutsches Schulbarometer : Eltern wollen Handyverbot in der Schule

Das Smartphone gehört für die meisten Kinder zu ihrem Alltag dazu. Darum ist es auch in der Schule fast immer dabei. Hier wünschen sich aber 76 Prozent der Eltern ein Handyverbot. Das ergab eine repräsentative Elternbefragung im Auftrag der Robert Bosch Stiftung in Kooperation mit der ZEIT Verlagsgruppe. Aber wie sieht die Praxis in den Schulen aus? Eine Bestandsaufnahme.

©Henriette Anders

Das Handy gehört für die meisten Schülerinnen und Schüler längst zum Alltag. Schon die meisten Zehnjährigen haben ein eigenes Smartphone, und ihre Eltern geben es ihnen normalerweise auch mit zur Schule, damit sie sich melden können, falls etwas auf dem Schulweg passiert.

Doch für die Zeit in der Schule wünscht sich die Mehrheit der Eltern, dass das Handy ausgeschaltet im Schulranzen bleibt. Das ergab die nachträgliche Auswertung des Deutschen Schulbarometers, einer repräsentativen Elternbefragung im Auftrag der Robert Bosch Stiftung in Kooperation mit der ZEIT Verlagsgruppe. Demnach sprechen sich 76 Prozent der befragten Eltern für ein Handyverbot an der Schule ihres Kindes aus, an der Grundschule sind es sogar 82 Prozent. Als Ausnahme lassen sie nur gelten, wenn das Smartphone für unterrichtliche Zwecke genutzt wird.

In Frankreich gilt seit einem Jahr ein Handyverbot

Damit positionieren sich die Eltern sehr eindeutig in einer Frage, die derzeit an den Schulen kontrovers diskutiert wird. Deutschlandweit gibt es keine einheitlichen Regeln für den Umgang mit Handys in der Schule. Und schon gar nicht ist geklärt, wie Schulleitungen und Lehrkräfte prüfen sollen, ob alle Schülerinnen und Schüler beim Betreten der Schule tatsächlich ihre Handys ausschalten oder wie sie etwaige Verstöße ahnden sollen. Darum wird die Handynutzung immer wieder zum Streitpunkt im Schulalltag – und nicht nur in Deutschland.

französische Parlament hat im Sommer 2018 ein grundsätzliches Handyverbot in Schulen beschlossen. Es gilt seit 3. September 2018. Demnach müssen Mobiltelefone von der Vorschule bis zur Sekundarstufe I draußen bleiben. Betroffen sind davon etwa zehn Millionen Kinder im Alter von drei bis 15 Jahren. Sie dürfen ihr Handy zwar dabei haben, aber es muss während der Schulzeit ausgeschaltet und im Ranzen sein. Für ältere Schüler an den Gymnasien gilt das Verbot nicht, die Schulen können dem aber freiwillig folgen.

Mehr Konzentration und weniger Störungen im Unterricht

Das Handyverbot in Frankreich hat auch die Diskussionen in Deutschland wieder angeheizt, das Schulportal hat dies im vergangenen Jahr mit mehreren Gastbeiträgen abgebildet. Hildegard Bentele, Abgeordnete im Europäischen Parlament und frühere bildungspolitische Sprecherin der Berliner CDU, sprach sich dabei für ein Handyverbot für Schülerinnen und Schüler der ersten bis vierten Klasse aus. „Wir sollten unseren Kindern eine störungsfreie Lernzeit und Kommunikation von Angesicht zu Angesicht ermöglichen“, lautete ein Argument der zweifachen Mutter.

Als Gründe für ein Handyverbot wird außerdem von vielen Eltern genannt, dass dies für mehr Konzentration und weniger Störungen im Unterricht sorgen würde. Auch Cybermobbing soll dadurch eingedämmt werden.

Deutschland ist dem Beispiel Frankreich in Sachen Handyverbot aber nicht gefolgt. Die Kultusministerkonferenz hat sich schon mehrfach gegen ein generelles Handyverbot ausgesprochen. Das einzige Bundesland, in dem bereits seit 2006 ein solches Verbot an den Schulen gilt, ist Bayern. Das Bayerische Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen schreibt vor, dass elektronische Geräte auf dem Schulgelände auszuschalten sind, wenn sie nicht zu Unterrichtszwecken genutzt werden.

Wir müssen die Realität anerkennen – ein Verbot ist nicht zeitgemäß, ob man das gut oder schlecht findet.
Michael Piazolo, bayerischer Kultusminister

Mittlerweile ist Bayern von seinem rigorosen Kurs allerdings abgewichen. „Die jetzige Gesetzesregelung müssen wir ändern. Wir müssen die Realität anerkennen – ein Verbot ist nicht zeitgemäß, ob man das gut oder schlecht findet“, sagte der bayerische Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler Bayern) kurz nach seinem Amtsantritt im vergangenen Jahr.

Schon sein Vorgänger Bernd Sibler (CSU) arbeitete an einer Lockerung. Seit dem Schuljahr 2018/19 wird in Bayern ein zweijähriges Pilotprojekt umgesetzt, an dem 135 Schulen teilnehmen. Sie erproben unterschiedliche schulinterne Wege für die private Nutzung des Handys in der Schule. Wie die jeweils aussehen sollen, darüber soll die Schulgemeinde – also Lehrkräfte, Schülerschaft und Eltern – gemeinsam beraten. Während der zweijährigen Versuchsphase werden die Schulen durch das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung begleitet und evaluiert. Danach soll geschaut werden, welche Wege möglicherweise flächendeckend gelten können.

Telefonieren ist höchstens auf dem Schulhof erlaubt

Die anderen Bundesländer sehen das Thema in der Verantwortung der einzelnen Schulen. Hier entscheiden die Schulen also selbst. In 16 Prozent aller Schulen herrscht ein generelles Handyverbot – also auch in den Pausen. In vier Prozent der Bildungseinrichtungen gibt es hingegen gar kein Handyverbot. Das ist das Ergebnis einer Umfrage unter Lehrern, das der Digitalverband Bitkom im Frühjahr veröffentlicht hat. Demnach ist außerdem an 54 Prozent der Schulen die Handynutzung im Unterricht verboten, in 43 Prozent der Schulen gilt dieses Verbot nur in bestimmten Fächern, in 45 Prozent der Schulen nur bei bestimmten Lehrern. Und laut der Befragung müssen in 70 Prozent der Schulen Handys bei Klassenarbeiten abgegeben werden oder zumindest ausgeschaltet im Ranzen bleiben.

Unterschiedliche Vereinbarungen gibt es auch für die Pausen. An vielen Schulen darf das Handy dann für private Zwecke genutzt werden, im Gebäude muss es aber meist weiter auf stumm geschaltet sein. Telefonieren ist also tabu und höchstens in der Pause auf dem Schulhof erlaubt.

Manchmal müssen Eltern das Handy abholen

Der Umgang mit dem Handy ist in vielen Schulen in der Schul- und Hausordnung festgeschrieben. Zum Teil ist dort auch vermerkt, was passiert, wenn Schülerinnen und Schüler sich nicht daran halten. Häufig müssen Kinder und Jugendliche dann mit einer Verwarnung rechnen, teilweise ziehen die Lehrkräfte das Handy auch ein. Als das Handyverbot in Frankreich in Kraft trat, hieß es beim nordrhein-westfälischen Schulministerium unter Berufung auf das Schulgesetz: „Helfen Ermahnungen nicht, ist die Lehrkraft befugt, das Gerät zeitlich begrenzt an sich zu nehmen.“ An manchen Schulen gilt auch die Regelung, dass bei Verstößen nur die Eltern das Handy wieder abholen dürfen.

Vielen Kindern ist das zu streng. Schon Grundschülerinnen und -schüler wünschen sich hier eine offenere Haltung, wie eine repräsentative Befragung von Kindern der ersten und sechsten Klasse im Auftrag des Kinderkanals Kika zeigt. Aus ihrer Sicht herrscht an 71 Prozent der Schulen ein Handyverbot. Diese Wahrnehmung steht in krassem Gegensatz zu den Angaben, die die Lehrerinnen und Lehrer in der Bitkom-Befragung gemacht haben. 23 Prozent der für Kika befragten Kinder sprechen sich aber für den privaten Gebrauch von Handys im Unterricht aus. Selbst vor die Wahl gestellt, würden 73 Prozent der Kinder das Handy außerdem in der Pause und 75 Prozent bei Ausflügen erlauben.

Schülersprecher: Handyverbot nicht mehr zeitgemäß

Viele Schülersprecher halten ein Handyverbot in Schulen für nicht mehr zeitgemäß. So hieß es zum Beispiel in einer Stellungnahme des Landesschülerrats Brandenburg im vergangenen Jahr: „Die Schule hat den Auftrag, die jungen Menschen auf die Arbeitswelt vorzubereiten, und da gehört die Nutzung des Handys selbstverständlich dazu. Ein Verbot in der Schule wird diesem Anspruch überhaupt nicht gerecht.“

Auch die aktuelle Studie „Jung! Digital! Sozial?“ des Deutschen Jugendinstituts und der Vodafone Stiftung zeigt, dass die Medienerziehung für die Online-Sozialkompetenzen eine wichtige Rolle spielt. Tenor des Jugendinstituts ist dabei, dass es mehr bringt, Kinder sinnvoll an die Handy- und Internetnutzung heranzuführen, als ihnen diese pauschal zu verbieten. Die Kinder würden sich dann auch anderen gegenüber eher respektvoller verhalten. „Dies trifft besonders dann zu, wenn Eltern Wert auf eine aktive und kommunikative Medienerziehung legen, bei der sie mit ihren Kindern häufiger über das Internet sprechen und es gemeinsam mit ihnen nutzen“, heißt es in der Studie.

 

Auf einen Blick

  • Das Deutsche Schulbarometer ist eine repräsentative Befragung im Auftrag der Robert Bosch Stiftung in Kooperation mit der ZEIT Verlagsgruppe.
  • Das infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft hat dazu im Juni und Juli dieses Jahres 1.011 Eltern von Kindern an Grundschulen und weiterführenden Schulen aus ganz Deutschland befragt.
  • Die vollständigen Ergebnisse, Berichte und Interviews sowie alle weiteren Themen des Deutschen Schulbarometers finden Sie hier.