Deutscher Schulpreis 2019 : Wie läuft eigentlich ein Schulbesuch der Jury ab?
Der Countdown für den Deutschen Schulpreis 2019 läuft: Die Top-20-Schulen stehen fest und im März gibt die Jury bekannt, welche 15 Schulen für die Auszeichnung nominiert sind, die am 5. Juni in Berlin feierlich verliehen wird. Doch bis dahin hat die Jury viel zu tun: Sie besucht im Januar und Februar alle Top-20-Schulen. Die Ergebnisse der Besuche sind Grundlage für die Nominierungen. Andrea Preußker ist bei vielen Schulbesuchen dabei. Sie verantwortet bei der Robert Bosch Stiftung den Deutschen Schulpreis. Im Interview erklärt sie, warum die Jury nicht immer einer Meinung ist und welche Momente im Schulalltag sie besonders berühren.
Übersichtskarte der Top-20-Schulen des Deutschen Schulpreises 2019
Schulportal: Wie funktioniert ein Schulbesuch?
Andrea Preußker: So ein Schulbesuch läuft immer nach einem festen Muster ab. Zum Team gehören stets mindestens ein Jurymitglied und drei bis vier Mitglieder der Vorjury. Der Besuch startet am Nachmittag des ersten Tages mit einem Gespräch mit der Schulleitung, dann folgt ein Schulrundgang zur ersten Orientierung. Anschließend teilt sich das Team. Die eine Hälfte spricht mit Elternvertretern, die andere mit außerschulischen Partnern. Am nächsten Tag geht es darum, möglichst viel zu sehen: den Unterricht in allen Klassenstufen und in allen Fächern. Die Hospitationen enden in der Regel um 12.30 Uhr, damit noch genug Zeit bleibt, um mit den Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern zu sprechen. Zum Schluss tauscht das Besuchsteam noch vor Ort alle gesammelten Eindrücke aus und fällt ein gemeinsames Urteil.
Wie gehen die Schulen mit dieser Ausnahmesituation um?
Das ist ganz unterschiedlich. Gerade die Schulen, die wir ganz zu Beginn besuchen, haben gar keine Zeit für eine Vorbereitung. Wir sagen immer: Man braucht sich nicht vorzubereiten. Wir wollen den Alltag an der Schule kennenlernen – ohne großes Theater. Trotzdem sind die Schulen natürlich aufgeregt – ähnlich wie wir. Sie sind ganz gespannt, was da wohl in den zwei Tagen passiert, und am Ende sind sowohl Schule als auch Jury erschöpft. Schließlich ist das eine sehr intensive Zeit für beide Seiten.
Welcher Schulbesuch ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Oh, es ist unmöglich, aus den vielen guten Begegnungen die eine auszuwählen. Jeder Besuch ist einzigartig, sodass man sich noch viele Jahre später daran erinnern kann. Am emotionalsten sind für mich die kleinen Momente mit den Kindern. Wenn ein glückseliger Knirps vor dir steht und sagt: „Ich gehe auf die allerbeste Schule der Welt”, dann macht das was mit dir.
Welches Feedback kommt von den Schulen zu den Besuchen?
Die Rückmeldungen sind immer ganz interessant. Oft hören wir, dass wir nicht nur an der Oberfläche kratzen, sondern ganz genau hinsehen. Es heißt, die Jurorinnen und Juroren erkennen den Kern einer Schule sehr gut, weil sie viele ernsthafte, tiefgründige aber auch manchmal schmerzhafte Fragen stellen.
Wie läuft die Vorbereitung für einen Schulbesuch ab?
Das geht über die Beschäftigung mit den Bewerbungsunterlagen hinaus. Dazu gehört auch, dass man sich mit dem Umfeld der Schule auseinandersetzt. Außerdem googelt man die Schule und prüft, was über die Schule im Netz geschrieben wird. Hat sie an anderen Wettbewerben teilgenommen? Worüber berichtet die Presse? In einer Vorbesprechung tauscht sich das Team dann über die Recherchen aus.
An wie vielen Besuchen nimmt ein Jurymitglied pro Wettbewerbsjahr teil?
Das ist eine Frage, die auch oft von den Schulen gestellt wird. Sie wollen wissen, ob sie die einzige Schule sind, die man sieht. Die Antwort heißt: Nein. Wir achten immer darauf, dass ein Jurymitglied mindestens zwei Schulen sieht, damit auch ein Vergleich möglich ist.
Mit der Schule „Mariscal Braun” in Boliviens Verwaltungshauptstadt La Paz zählt auch eine Deutsche Auslandsschule zu den Top-20. Das heißt, demnächst geht es Richtung Bolivien?
Ja, das ist richtig. Drei Juroren reisen nach La Paz. Sie wurden aufgrund ihrer Auslandsexpertise dafür ausgewählt.
Wer welche Schule besucht, hängt also davon ab, welches Fachwissen sie oder er mitbringt?
Ganz genau. Wir achten darauf, dass wir ganz unterschiedliche Leute zusammenbringen und die Teams multiprofessionell aufgestellt sind. In einer Gruppe sollten immer Praktiker und Wissenschaftler vertreten sein. Außerdem muss jemand dabei sein, der sich im Bundesland gut auskennt, und zum anderen jemand, der für die Schulart Experte ist. Außerdem braucht das Team Personen, die einen Blick auf Schule haben, den die anderen nicht teilen. Und alle Jury- und Vorjurymitglieder geben vor der Besuchsplanung an, ob sie eine der nominierten Schulen persönlich kennen und befangen sind. Dann werden sie im Sinne der größtmöglichen Objektivität von diesem Besuch ausgeschlossen.
Gelingt es den multiprofessionellen Teams immer gut, zu einem gemeinsamen Urteil zu kommen?
Die Grundlage für die Bewertungen sind die Qualitätsbereiche des Deutschen Schulpreises. Dennoch ist es oft ein Ringen und es gibt viele, viele Diskussionen. Das ist ja auch klar: Ein Wissenschaftler achtet auf andere Aspekte als ein Praktiker. Doch letztlich ist sich das Besuchsteam am Ende immer sehr einig, ob eine Schule für einen Preis oder eine Nominierung empfohlen wird.
Wie schaffen sie das?
Die Diskussion ist immer auf Augenhöhe: Alle Meinungen werden gleichermaßen ernst genommen und angehört. Außerdem wird jeder Schulbesuch von einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter der Robert Bosch Stiftung oder der Heidehof Stiftung begleitet. Sie übernehmen die Funktionen des Zeitwächters und des Moderators, dürfen die Schule aber nicht mitbewerten.
So ein Schulbesuch ist also in jeder Hinsicht ziemlich aufwändig. Lohnt sich der Aufwand?
In jedem Fall! Die Schulbesuche sind für uns ein unverzichtbares Instrument… Man kann die Schulen zwar durch die Bewerbungsunterlagen kennenlernen, aber erst der Besuch ermöglicht, in die Tiefe zu gehen, den Schulalltag und auch das Umfeld der Schule besser zu erfassen. Nach einem zweitägigen Schulbesuch hat man das Gefühl, die Schule zu verstehen – dann fügt sich alles in einem stimmigen Bild zusammen.
Die Konzepte der Preisträgerschulen sind Herzstück des Portals. Darüber hinaus berichtet das Schulportal regelmäßig über den Deutschen Schulpreis. Eine Auswahl:
- Die Schulbesuche sind so alt wie der Schulpreis selbst. Die Grundschule „Kleine Kielstraße” in Dortmund war 2006 die erste Schule, die besucht wurde – und ist zugleich Hauptpreisträgerin des ersten Schulpreises. Das Schulportal hat nachgefragt, wie es der Schule heute geht. Lesen Sie hier den Beitrag „Was macht die Grundschule Kleine Kielstraße?”.
- Wer sind eigentlich die Top-20-Schulen? Erfahren Sie mehr darüber – hier geht es zum Beitrag „Die besten 20 Schulen des Jahres stehen fest”.
- Die Waldparkschule in Heidelberg war 2017 Preisträgerschule des Deutschen Schulpreises. Die Schule hat ein Konzept für das individuelle Lerncoaching entwickelt. Das verbessert die menschlichen Beziehungen – und damit auch die schulischen Leistungen. Auf dem Schulportal finden Sie hier ein Video und einen Beitrag zum Konzept.