Demokratie in der Schule : Schülervertretung bittet zum Einstellungsgespräch
An der Matthias-Claudius-Schule in Bochum können Schülerinnen und Schüler in vielen Bereichen mitbestimmen – sei es bei der Inklusion oder bei der Handy-Nutzung in der Schule. Sogar bei den Bewerbungsgesprächen von Lehrkräften sind sie dabei.

Können Schülerinnen und Schüler mitreden, wenn es darum geht, welche pädagogischen Konzepte an ihrer Schule umgesetzt werden oder wenn es um die Einstellung neuer Lehrerinnen und Lehrer geht? An der evangelischen Matthias-Claudius-Schule in Bochum ist diese Art der Mitbestimmung selbstverständlich.
„Natürlich durchlaufen Lehrerinnen und Lehrer, die bei uns arbeiten wollen, ein klassisches Bewerbungsverfahren“, sagt Stefan Osthoff. Er ist Pädagogischer Koordinator der Schule. Beim Bewerbungsgespräch der Kandidaten seien aber auch Mitglieder der Schülervertretung anwesend und dürften Fragen stellen. Kürzlich hätten sie zum Beispiel von einem Kandidaten wissen wollen, was er von Inklusion halte und wie er zum christlichen Konzept ihrer Schule stehe. Das letzte Wort bei den Einstellungen habe selbstverständlich die Schulleitung, sagt Osthoff.
Die Schülervertretung setzt sich für die Aufnahme von Flüchtlingskindern ein
Häufig setzen sich aber auch die Schülerinnen und Schüler mit ihren Vorstellungen durch. Als 2015 viele Flüchtlinge nach Deutschland kamen, waren sie es, die entscheidend dazu beigetragen haben, dass ihre Schule Flüchtlingskinder aufnehmen sollte. Streng genommen habe es keine freien Plätze mehr an ihrer Schule gegeben, sagt Osthoff. Die Schülervertretung habe sich trotzdem dafür ausgesprochen, dass jede Klasse ein bis zwei zusätzliche Schüler aufnehmen sollte. „Die Schülerinnen und Schüler wollten nicht, dass wir eine Extraklasse für Flüchtlinge aufmachen. Sie wollten die neuen Mitschülerinnen und Mitschüler von Anfang an in den normalen Schulalltag integrieren und auch dafür sorgen, dass sie in den jeweiligen Klassen bleiben können, wenn der Asylantrag ihrer Familien positiv beschieden wird.“ Das Modell habe sich bewährt, sagt Osthoff.
Veto-Recht bei der Einführung neuer Unterrichtsmethoden
In anderen Fällen – etwa als es darum ging, in diesem Schuljahr auch für die elfte Jahrgangsstufe Studienzeiten einzuführen – hat die Schülervertretung ihr Veto eingelegt. Stefan, er geht in die elfte Klasse und ist Mitglied der Schülervertretung, begründet diese Entscheidung so: „Wir fanden, dass die Vorlaufzeit zu kurz war und das Konzept noch besser ausgearbeitet werden sollte.“ Die Lehrkräfte hätten sich daraufhin mit den Mitgliedern der Schülervertretung zusammengesetzt und das Konzept überarbeitet. Mit Beginn des kommenden Schuljahrs solle es nun eingeführt werden. Die Elftklässler haben dann täglich zwei Stunden Zeit, sich bestimmte Aufgaben selbstständig zu erarbeiten.
Die Mitglieder der Schülervertretung treffen sich wöchentlich und beraten, was es zu tun gibt. „Wir haben uns eine eigene Satzung gegeben und können viel mitbestimmen“, sagt Stefan. Gegenwärtig gehe es um eine neue Handy-Verordnung für ihre Schule. Maria aus der zehnten Klasse sagt, die alte Verordnung sei mittlerweile überholt: „Viele Schüler halten sich nicht mehr daran.“ Bisher sei es verboten, das Handy in der Schule zu nutzen. Man dürfe es zwar mitbringen, aber eben nicht benutzen. Die Schülervertretung möchte das ändern. „Wir sind für eine Freigabe der Handys während der Pausen“, sagt Maria. Im Unterricht solle es allerdings weiterhin verboten sein, das Handy zu benutzen.
Schülerinnen und Schüler machen sich für Inklusion stark
Ein anderes Thema, mit dem sich die Schülerinnen und Schüler beschäftigen, ist die Inklusion. Ihre Schule hat es sich mit der Gründung in den 1970er-Jahren zur Aufgabe gemacht, alle Schülerinnen und Schüler aufzunehmen, unabhängig davon, welchen Förderbedarf sie haben. Das läuft gut und war einer der Gründe dafür, dass die Matthias-Claudius-Schule in diesem Jahr den Deutschen Schulpreis bekommen hat. Dieses Konzept soll nun weiterentwickelt werden. Dafür hat sich auch die Schülervertretung der Matthias-Claudius-Schule eingesetzt.
Das neue Projekt heißt „Herausspaziert“ und beginnt nach den Sommerferien. Es soll den Schülerinnen und Schülern des neunten Jahrgangs die Möglichkeit bieten, zwei Wochen lang außerhalb der Schule organisiert klarzukommen. Dafür sollen sie sich in Gruppen zusammentun und ein bestimmtes Projekt eigenständig und eigenverantwortlich planen und durchführen. Das kann eine Radtour sein, eine Wanderung oder ein Vorhaben innerhalb ihrer Stadt. Auch 25 Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf sollen dabei sein können. Mia zum Beispiel geht mit auf eine Radtour. Die Gruppe, zu der sie gehört, hat deshalb bei der Vorbereitung entschieden, mit Mia Tandem zu fahren.
Für die Schülerinnen und Schüler der Matthias-Claudius-Schule steht fest, dass ihr Konzept der Mitbestimmung zu einer besonderen Beziehung zwischen den Lernenden und den Lehrkräften geführt hat. Dieser Meinung ist auch der Pädagogische Koordinator der Schule, Stefan Osthoff. „Es ist eine Beziehung auf Augenhöhe“, sagt er. Maria und Stefan sagen, dass die Beziehungen zwischen Schülerinnen und Schülern und Lehrerinnen und Lehrern enger sei als an den meisten anderen Schulen, die sie kennen.
Auf einen Blick
- Mit der Verleihung des Deutschen Schulpreises 2018 startete die Bewerbungsphase für die Auszeichnung im kommenden Jahr.
- Noch bis zum 15. Oktober können sich Schulen für den mit insgesamt 270.000 Euro dotierten Deutschen Schulpreis 2019 bewerben.
- Alle Informationen über die aktuelle Ausschreibung gibt es auf der Website des Deutschen Schulpreises: http://schulpreis.bosch-stiftung.de