Studie : Angebote für begabte Kinder auf dem Prüfstand
Nur wenige Angebote der Begabtenförderung sind bisher auf ihre Wirksamkeit untersucht worden. Das Hector-Institut für Empirische Forschung der Universität Tübingen und das Deutsche Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) haben in einer Studie nun die Effekte der Kurse für begabte Grundschulkinder der Hector-Kinderakademien in Baden-Württemberg genauer unter die Lupe genommen.
Wirken sich Zusatzkurse für begabte Kinder, wie sie an den Hector-Kinderakademien angeboten werden tatsächlich positiv auf die Schülerinnen und Schüler aus? Und wenn ja, unter welchen Bedingungen? Diesen Fragen sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Tübingen und des DIPF nachgegangen, denn bisher gibt kaum fundierte Untersuchungen über die Wirkung der verschiedenen Angebote für besonders begabte Kinder.
Für die Studie, die im Frühjahr 2018 veröffentlicht wurde, hatten die Forscherinnen und Forscher 2.700 Schülerinnen und Schüler genauer betrachtet, die an den Hector-Kinderakademien Kurse für besonders Begabte und Hochbegabte absolviert hatten. Die Kinderakademien bieten diese Kurse in Baden-Württemberg an 65 Standorten zusätzlich zum regulären Schulunterricht an. Die Kurse legen den Schwerpunkt auf die MINT-Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik.
Untersucht wurde, ob sich das Programm positiv auf die kognitiven Fähigkeiten, auf die schulische Leistung, wissenschaftliche Neugier, Kreativität, Selbstkontrolle und soziale Kompetenzen der Kinder auswirkt. Die Schülerinnen und Schüler füllten vor und nach dem Besuch der Kurse Fragebögen aus und absolvierten Intelligenztests. Außerdem wurde die Entwicklung der Noten in den Fächern Deutsch und Mathematik vorher und nachher betrachtet.
Der größte Effekt zeigte sich laut Studie in den Noten. Die Kinder konnten ihre ohnehin schon guten Noten in den beiden Fächern noch weiter verbessern. Unklar blieb in der ersten Studie aber, wodurch dieser Effekt erzielt wurde. Schließlich könnte die Ursache auch darin liegen, dass Eltern oder Lehrer die Kinder mehr fördern, wenn sie wissen, dass die Kinder an einem Kurs für besonders Begabte teilnehmen.
In einer weiteren Studie wurden deshalb einzelne Förderinstrumente in Kursen, die die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler selbst entwickelten, genauer betrachtet. Mit dem Kurs „Kleine Forscher – Wir arbeiten wie Wissenschaftler“ beispielsweise nahmen die Kinder die Rolle der Forschenden ein. Sie stellten Hypothesen auf, machten Experimente und interpretierten die Ergebnisse.
Dabei habe sich gezeigt, dass sich bei Kindern, die an dem Kurs teilnahmen, das Wissenschaftsverständnis substantiell weiter entwickelte, sagte Julia Schiefer, die den Kurs konzipiert hatte. Zudem seien die Kinder wissbegieriger gewesen und hätten mehr Freude am Denken gezeigt.
„Die Ergebnisse geben Anlass zur Hoffnung. Begabtenförderung für Grundschulkinder kann funktionieren, aber es bedarf klar definierter Programme, gut ausgebildeter Kursleiterinnen und -leiter und einer weiterhin systematischen Überprüfung der Effekte“, sagte UIrich Trautwein, Direktor des Hector-Instituts für Empirische Bildungsforschung an der Universität Tübingen.
Die detaillierten Ergebnisse der Studie können in den Zeitschriften „Learning and Instruction“, „Contemporary Educational Psychology“ und „Journal of Research on Educational Effectiveness“ nachgelesen werden.
- Die Hector-Kinderakademien bieten an 65 Standorten in Baden-Württemberg Kurse für begabte und hochbegabte Grundschulkinder zusätzlich zum regulären Schulunterricht an.
- Rund 24.000 Kinder haben im Schuljahr 2016/17 die Kurse besucht.
- Das Angebot wird von der Hector Stiftung II finanziert, vom Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg getragen und vom Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung an der Universität Tübingen sowie dem Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) wissenschaftlich begleitet.