Nachgefragt : Wie haben Sie die Schule seit Beginn der Corona-Pandemie erlebt?

Seit März haben wir mit vielen Menschen darüber gesprochen, wie sie die Corona-Pandemie erlebt haben und wie sie mit den damit verbundenen Herausforderungen an den Schulen umgegangen sind. Die Schulleiterin Mandy Rauchfuß aus Halle hat auf dem Schulportal in der ersten Woche der Schulschließung Tagebuch geschrieben. Eine Abiturientin aus Mailand hat uns erzählt, wie schwer es ist, sich auf Prüfungen vorzubereiten, die vielleicht gar nicht stattfinden. Eine Referendarin wusste nicht, wie es mit ihrem Vorbereitungsdienst weitergehen sollte. Zum Ende des Jahres haben wir bei den dreien noch mal nachgefragt: Wie haben sie die vergangenen neun Monate mit der Corona-Pandemie erlebt? Was hat sich verändert? Was nehmen sie mit aus dieser Zeit? Was wünschen sie sich für das neue Jahr?

Mund-Nasen-Bedeckung auf Pult
Dass eine Mund-Nasen-Bedeckung mal so selbstverständlich zu den Schulutensilien gehören würde wie Stift und Block, hätte Anfang des Jahres noch niemand gedacht.
©Matthias Balk/dpa

Seit März ist viel passiert an der Gemeinschaftsschule Heinrich Heine in Halle. „Ich habe dem Kollegium sicherlich viel abverlangt in den vergangenen Monaten“, sagt Schulleiterin Mandy Rauchfuß, „immer wieder mussten wir uns alle auf Neues einstellen, immer wieder gab es neue Regelungen, die wir umsetzen mussten.“ Im Großen und Ganzen sei das aber gut gelungen, und das Kollegium sei durch die Bewältigung der vielen Herausforderungen noch weiter zusammengerückt.

Die Schule hatte gleich mit dem ersten Lockdown im März angefangen, Wege zu finden, um auch Fern- und Hybridunterricht zu gestalten. „Im Digitalisierungsprozess sind wir schon recht weit“, sagt Mandy Rauchfuß. Die 840 Schülerinnen und Schüler sind weitgehend mit Tablets ausgestattet. Und dafür war nicht ein Landesprogramm verantwortlich, sondern die Eigeninitiative der Schule. „Viele Geräte haben wir von überallher geliehen bekommen, geleert und neu aufgesetzt.“ Und das Kollegium hat sich mittlerweile auf eine einheitliche Gestaltung der Aufgaben im Digitalen verständigt.

Viel Neues in der Corona-Pandemie erlebt und entwickelt

Darum sieht Mandy Rauchfuß ihre Schule jetzt auch viel besser vorbereitet als beim ersten Lockdown. „Wir können von den positiven Dingen, die sich schon entwickelt haben, profitieren und sie nun auf den jeweiligen Bedarf der Schülerinnen und Schüler abstimmen.“

Das ist nicht erst in der aktuellen Situation, in der die Schulen wieder geschlossen sind, von Vorteil. Auch schon in den vergangenen Wochen musste an der Gemeinschaftsschule Unterricht immer wieder digital stattfinden, weil Schülerinnen und Schüler, aber auch Lehrkräfte in Quarantäne waren – zu Spitzenzeiten seien es 17 Kolleginnen und Kollegen gewesen.

Das Wichtigste, wenn sie auf die vergangenen neun Monate zurückblickt, aber ist für Mandy Rauchfuß: „Niemand an unserer Schule hat durch das Coronavirus gesundheitlich Schaden genommen. Auch alle, die an Corona erkrankt waren, sind wieder gesund.“

Und noch etwas betont sie: „Wir haben ein inniges Verhältnis zu den Eltern.“ Das fördere das gegenseitige Vertrauen, ohne das zum Beispiel die Gestaltung des Hybrid- oder Fernunterrichts nicht erfolgreich sein könne. Schon in ihrem Tagebuch in der ersten Woche des Lockdowns im März hat Mandy Rauchfuß beschrieben, wie sie immer wieder verzweifelte Eltern beruhigt hat und geduldig deren Fragen beantwortet hat.

 

Es ist bei uns trotz allem insgesamt eine gute Atmosphäre – nur eben ohne Tanzen und Singen.

Mandy Rauchfuß: Schulleiterin erzählt, wie sie die Corona-Pandemie erlebt hat
Schulleiterin Mandy Rauchfuß

Das alles war sehr viel – aber es war Mandy Rauchfuß wichtig, von Anfang an alle mit ins Boot zu holen. „Seit dem Frühjahr haben wir viel mit dem Elternrat zusammengesessen und überlegt, wie Aufgaben gestaltet sein müssen, damit Schülerinnen und Schüler sie selbstständig lösen können und sie auch für die Eltern transparent sind.“

Doch auch wenn der Unterrichtsbetrieb schon ganz gut läuft – es fehle viel in diesen Zeiten. Mandy Rauchfuß wünscht sich vor allem für das neue Jahr, dass das Leben an die Schule zurückkehrt. Die Gemeinschaftsschule Heinrich Heine ist eine Ganztagsschule mit 56 AGs, die zurzeit nicht stattfinden können. Sie aber machten das Flair und die Lernatmosphäre der Schule aus, sagt die Schulleiterin. Jetzt finde das Lernen überwiegend im Frontalunterricht statt. „Sieben Stunden verkopfter Unterricht – das ist anstrengend und macht nur wenig Freude.“ Aber Mandy Rauchfuß ist kein Mensch, der sich auf das Negative fokussiert. Darum versichert sie auch: „Es ist bei uns trotz allem insgesamt eine gute Atmosphäre – nur eben ohne Tanzen und Singen.“


 

Abitur ohne richtigen letzten Schultag

Abiturientin Elise erzählt, wie sie die Corona-Pandemie erlebt hat
Elise hat im Frühjahr ihr Abitur in Mailand gemacht - ohne Prüfungen.
©privat

Ende Februar schaute die Welt auf Italien, das als erstes Land in Europa von der Corona-Pandemie erschüttert wurde. Vor allem der Norden Italiens war betroffen. Die Deutsch-Französin Elise, die seit zwei Jahren in Mailand lebt, hat dem Schulportal Anfang März erzählt,  wie sie die Corona-Pandemie erlebt hat. Sie stand damals kurz vor dem Abitur an der französischen Auslandsschule, dem Lycée Stendhal.

Am 21. Februar war sie zuletzt in der Schule gewesen. Dass dieser Tag auch ihr letzter Schultag überhaupt sein würde, konnte sie damals noch nicht wissen. Wir haben Elise neun Monate später noch mal in Mailand angerufen.

Deutsches Schulportal: Was machst du jetzt?
Elise: Ich studiere Jura in Köln. Also offiziell studiere ich in Köln – aber das Semester findet komplett online statt, ich wohne darum weiter in Mailand. Nach diesem Sommer, als alles noch ganz gut aussah, wollte ich eigentlich nach Köln ziehen, hatte auch schon ein Zimmer in Aussicht, aber das hat sich dann zerschlagen. Gleichzeitig wurde bekannt gegeben, dass es in diesem Semester gar keine Präsenzvorlesungen geben wird – auch nicht für die Erstsemester wie mich. Also bin ich jetzt erst mal zu Hause geblieben und hoffe, dass ich zum Sommersemester nach Köln gehen kann und dass es dann richtig losgeht.

Wie erlebst du die Situation aktuell?
Es fühlt sich schon merkwürdig an. Nach der Schule gab es gar keinen richtigen Schnitt. Und jetzt kenne ich niemanden an der Uni. Es gibt zwar Online-Lerngruppen, aber wir haben uns alle nie vorher getroffen. Studieren habe ich mir anders vorgestellt.

Sehr schade fand ich, dass es überhaupt keine Verabschiedung gab.
Jurastudentin Elise, für die im Frühjahr die Abiturprüfungen in Mailand wegen der Corona-Pandemie ausgefallen sind 

Wie hast du das Ende deiner Schulzeit und die Corona-Pandemie erlebt?
Das war alles sehr abrupt. Am 21. Februar war der letzte Schultag vor den Winterferien. Nach zwei Wochen wäre es noch mal richtig losgegangen. An französischen Schulen läuft der Unterricht ja noch bis zu den Abiturprüfungen weiter. Aber dann kamen die ersten Corona-Fälle, und die Situation wurde schnell sehr schlimm. Die Schulen blieben erst mal geschlossen, und der Termin zur Wiederöffnung wurde immer wieder nach hinten geschoben. Ich habe dann allein zu Hause für das Abitur gelernt. Erst Anfang Mai haben wir dann erfahren, dass wir keine Prüfungen mehr haben werden und eine Durchschnittsnote bekommen. Da war dann die Luft raus. Aber wir mussten trotzdem noch weiter unsere Aufgaben machen. Dafür durften wir zwar keine Noten bekommen, aber es wurde bewertet, wie gut wir mitmachen. Es war nicht einfach, sich unter diesen Umständen zu motivieren.

Wie fand dann dein Abitur statt?
Es gab keine Prüfungen – wir haben eine Durchschnittsnote bekommen. Ich hatte erst Angst, dass die Abi-Note dadurch schlechter ausfallen könnte, aber sie haben die Noten bei allen aufgerundet. Sehr schade fand ich, dass es überhaupt keine Verabschiedung gab. Ende Juni hat jeder zu einem festen Termin sein Zeugnis vor der Schule abgeholt und musste den Empfang unterschreiben. Das war’s. Es gab keine Feier in der Schule, keinen Abiball, keine Party. Wir haben uns nur mit ein paar Freunden in kleiner Runde privat getroffen. Der ganze Jahrgang hat sich nie wieder gesehen. Und das nach der ganzen langen Schulzeit!


 

Referendarin: „Alles über den Haufen geworfen“

Alina Chmelik hat im Februar 2020 mit ihrem Vorbereitungsdienst an einem Gymnasium in Niedersachsen angefangen. Sechs Wochen lang lief alles normal, dann kam der erste Lockdown, und die Schulen wurden bundesweit geschlossen. Noch im April wusste sie nicht genau, wie es weitergehen würde. Die Corona-Pandemie hatte alles über den Haufen geworfen. Unterrichtsbesuche konnten nicht wie gewohnt stattfinden. Als dann Schulen geöffnet wurden, gab es keinen Unterricht wie vor der Pandemie.

Lange blieb unklar, wie es mit dem Referendariat weitergehen würde, erzählt Alina Chmelik auf Nachfrage des Schulportals Ende des Jahres. Erst im Mai fand wieder Unterricht statt. Einen Monat vor Beginn der Sommerferien waren Unterrichtsbesuche wieder möglich. „Aber bei vielen Schülern war dann irgendwie die Luft raus“, erinnert sich die Referendarin, und die Arbeit mit halben Lerngruppen sei auch ungewohnt gewesen.

Der Druck war aber groß, denn in Niedersachsen sind pro Fach zehn Unterrichtsbesuche vorgesehen. „Immerhin wurden die auf acht reduziert“, sagt Chmelik. Und die konnten auch durch schriftliche Unterrichtsentwürfe ersetzt werden. Ein gleichwertiger Ersatz zu einem Unterrichtsbesuch in der Praxis sei das aber nicht. Reguläre Unterrichtsbesuche gab es für sie erst wieder seit diesem Schuljahr. „Und jetzt ballt es sich natürlich. Da bleibt kaum Zeit, das Feedback zu verarbeiten, bevor schon der nächste Unterrichtsbesuch ansteht.“ Manchmal hat sie jetzt sogar zwei Unterrichtsbesuche pro Woche.

Der Fokus müsste schon in der Ausbildung stärker auf digitale Unterrichtsmethoden gesetzt werden.
Alina Chmelik, Referendarin an einem niedersächsischen Gymnasium

Trotzdem fand sie die vergangenen Monate durchaus spannend für ihre Ausbildung: „Ich habe viele Methoden ausprobiert und konnte mich weiterentwickeln.“ Zurzeit sei vieles eben nicht so stark vorgegeben wie vielleicht sonst. Allerdings verlange die Corona-Situation auch recht viel Flexibilität ab. „Es kann immer sein, dass die Klasse in Quarantäne ist oder plötzlich ein Fachleiter nicht zum Unterrichtsbesuch kommt, weil er sich kurz vor der Stunde in Quarantäne begeben muss, oder dass es mich selbst trifft.“

Wie sich diese ganze Zeit auf ihre Ausbildung auswirkt, kann Alina Chmelik noch nicht abschätzen. „Vielleicht bin dadurch tougher geworden“ – aber das werde sich wohl erst in einem Jahr zeigen, wenn sie als Lehrerin richtig ins Berufsleben eingestiegen ist.

Was sie dafür weiß, ist: „Der Fokus müsste schon in der Ausbildung stärker auf digitale Unterrichtsmethoden gesetzt werden.“ Das finde sowohl im Studium als auch im Studienseminar noch viel zu wenig statt. Und auch von der Schule hätte sie sich in den vergangenen Monaten mehr Mut gewünscht, dass mehr probiert wird – gerade was die Entwicklung des Digitalunterrichts anbelangt.

 

Welche Erfahrungen haben Sie in den vergangenen neun Monaten gemacht? Wie hat sich das Schulleben bei Ihnen durch die Corona-Pandemie verändert? Schreiben Sie uns gern einen Kommentar. Wir freuen uns auf einen Austausch.