Bildungsengagement : Wie Fördervereine die Schulen prägen
Zu Beginn des Schuljahres suchen viele Fördervereine nach Unterstützerinnen und Unterstützern, denn diese können den Schulalltag entscheidend prägen. Sie helfen etwa bei der digitalen Ausstattung, organisieren Schulfeste oder sorgen sogar für zusätzliche Honorarkräfte. In den vergangenen zehn Jahren haben Fördervereine im Bildungsbereich einen regelrechten Boom erlebt. Wie können Schulen dieses zivilgesellschaftliche Bildungsengagement am besten nutzen, und wie gelingt es, auch in sozial schwachen Regionen aktive Kita- und Schulfördervereine aufzubauen? Darüber sprach das Schulportal mit Katja Hintze, der Vorstandsvorsitzenden der Stiftung Bildung. Die spendenfinanzierte Stiftung Bildung unterstützt und berät bundesweit ehrenamtlich Engagierte in den Kita- und Schulfördervereinen.
Schulportal: Der Anteil, den die Zivilgesellschaft zur Qualität der Schulen beiträgt, wird häufig unterschätzt. Können Sie beziffern, wie groß der Beitrag ist, den ehrenamtlich Engagierte in den Kita- und Schulfördervereinen leisten, um das Bildungssystem voranzubringen?
Katja Hintze: Das Bildungsengagement ist in den vergangenen Jahren enorm gewachsen. Heute gibt es bundesweit etwa 40.000 Kita- und Schulfördervereine. Wir gehen davon aus, dass 80 bis 96 Prozent aller Schulen inzwischen einen Förderverein haben – und dabei ist keine Schulform ausgenommen. Bei den Kitas beträgt der Anteil schätzungsweise 20 Prozent, allerdings hat hier die Entwicklung der Fördervereine auch erst später begonnen. Die aktuelle ZiviZ-Studie über zivilgesellschaftliches Engagement hat ergeben, dass der Bildungsbereich bereits auf dem zweiten Platz rangiert. Höher ist der Beitrag von Vereinen und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen nur beim Sport. Damit haben die Kita- und Schulfördervereine einen großen Einfluss auf die Bildungsqualität. Von der Politik wird dieser Beitrag jedoch noch unterschätzt und zu wenig gefördert.
Wer steht denn hinter diesen Kita- und Schulfördervereinen? Sind das vor allem die Eltern?
Das war in der Anfangsphase vor 30 Jahren so. Heute sind in den Kita- und Schulfördervereinen ganz unterschiedliche Akteure vertreten. Dazu gehören Lehrkräfte, Schulleitungen, Schülerinnen und Schüler, Erzieherinnen, Erzieher, Privatpersonen oder Unternehmen aus der Nachbarschaft, die sich für die Bildung der Kinder und Jugendlichen einsetzen. Wer im Förderverein engagiert ist, hängt auch immer von dem jeweiligen Standort der Bildungseinrichtung ab. Wir plädieren dafür, am besten möglichst viele verschiedene Akteure einzubeziehen.
Schulen in sozialen Brennpunkten beklagen oft, dass ihnen die engagierte Elternschaft für einen wirkungsvollen Förderverein fehlt. Spenden sind dort von den Eltern kaum zu erwarten. Erhöht das nicht die Bildungsungerechtigkeit?
Nein. Die Realität sieht anders aus. In den gutbürgerlichen Regionen geht die Initiative für den Kita- oder Schulförderverein oft von den Eltern aus. In Brennpunkten sind es eher die Lehrkräfte oder die Schulleiterinnen und Schulleiter, die sich für ein zivilgesellschaftliches Netzwerk einsetzen. Und das mit großem Erfolg, denn die Bereitschaft von Stiftungen oder Unternehmen, zu helfen, ist eher dort besonders hoch, wo die Not am größten ist. Oft haben sie auch selbst ein Interesse daran, den Bildungsstandort zu stärken, um damit den gesamten Kiez aufzuwerten. Kindergärten und Schulen in privilegierten Wohngebieten haben es an diesen Stellen schwerer, Spenden oder Fördergelder zu bekommen. Aber gerade auch ohne Geldspenden können Fördervereine sehr erfolgreich sein. Sehr oft geht es bei den Aktivitäten der Kita- und Schulfördervereine um den Ausgleich von sozialen Ungerechtigkeiten.
In welchen Schulbereichen werden Fördervereine am meisten aktiv?
Ein großer Bereich für das Engagement der Schulfördervereine ist der sogenannte Sozialausgleich. Bei Klassenfahrten zum Beispiel werden Familien, die auf Sozialleistungen angewiesen sind, durch das Bildungs- und Teilhabepaket unterstützt. Doch oft liegen Familien, in denen beide Eltern arbeiten, nur knapp über der Einkommensgrenze, sodass sie diese staatliche Unterstützung nicht bekommen. Sie haben aber dennoch Schwierigkeiten, für mehrere Geschwisterkinder Klassenfahrten zu finanzieren. Ähnlich ist es bei den Kosten für die Teilnahme der Kinder an Arbeitsgemeinschaften. In diesen Fällen springt der Förderverein ein.
Häufig unterstützen Fördervereine aber auch konkrete schulische Projekte. Besonders beeindruckend ist zum Beispiel ein sozialpädagogisches Projekt, bei dem sich eine Wandergruppe von Deutschland nach Großbritannien aufmachte: 13 Studierende, fünf Lehrkräfte und 40 Bochumer Schülerinnen und Schüler aus sozial benachteiligten Familien einer Hauptschule waren in England auf Wanderpfaden zehn Tage ohne Handy unterwegs. Angestoßen wurde das von Studierenden der Universität Witten/Herdecke, unterstützt wurde es vom Schulförderverein der Bochumer Werner-von-Siemens-Schule. Die spannende Begegnung von jungen Menschen aus ganz verschiedenen sozialen Schichten fand auf diese Weise schon zum dritten Mal statt.
Sehen Sie auch Grenzen des Engagements – etwa da, wo das Ehrenamt die Aufgaben des Staats übernimmt?
Es gibt Situationen, in denen Kita- und Schulfördervereine Feuerwehreinsätze leisten müssen und beispielsweise dafür sorgen, dass der Unterricht abgedeckt wird, weil keine Lehrkräfte verfügbar sind. Wir würden ein solches Engagement nicht ausbremsen, wenn die Not so groß ist, aber das darf und muss nur eine Ausnahme sein! Der Staat ist dafür verantwortlich, den Unterricht abzusichern und Qualität zu garantieren. Ebenso ist es nicht Aufgabe von Schulfördervereinen, für die Sanierung, Instandhaltung oder für den Bau von Schulgebäuden zu sorgen. Mit der Kampagne „Einstürzende Schulbauten“ hat die Stiftung Bildung auf den teilweise sehr maroden Zustand vieler Schulgebäude aufmerksam gemacht, um hier die Politik – die Länder und Kommunen und auch den Bund – in die Pflicht zu nehmen. Auch darin sehen wir unsere Aufgabe.
Welche Erwartungen haben Sie gegenüber der Politik, wie kann das zivilgesellschaftliche Bildungsengagement der Kita- und Schulfördervereine weiter gestärkt werden?
Uns ist wichtig, dass die Politik den großen Wert des zivilgesellschaftlichen Engagements für die Bildung erkennt. Ziel muss sein, dieses Engagement zu stärken. Wir fordern zum Beispiel, dass die Landesverbände der Kita- und Schulfördervereine mit staatlichen Mitteln ausgestattet werden, damit sie Kita- und Schulleitungen, Ehrenamtliche oder Eltern beraten und qualifizieren können, wie sie einen guten Kita- oder Schulförderverein aufbauen können. Baden-Württemberg ist bisher das einzige Bundesland, das dem Landesverband der Schulfördervereine ein eigenes Budget zum Beispiel für Fortbildungen und Vernetzungstreffen zur Verfügung stellt. Mit Berlin sind wir diesbezüglich in guten Gesprächen.
- Katja Hintze ist Vorstandsvorsitzende und Gründerin der spendenfinanzierten Stiftung Bildung.
- Die Stiftung Bildung wurde 2012 gegründet. Ziel ist es, die Bildung von Kindern und Jugendlichen durch zivilgesellschaftliches Bildungsengagement zu fördern.
- Die Stiftung Bildung berät dabei auch Kita- und Schulfördervereine und koordiniert deren bundesweites Netzwerk.
- Wer konkrete Fragen zur Arbeit von Kita- und Schulfördervereinen hat, kann an folgende E-Mail-Adresse schreiben: info@stiftungbildung.org
- Mehr Informationen, auch zu Programmen und Förderung, sind hier zu finden: www.stiftungbildung.org
- Tipps gibt es auf dem Schulportal in dem Beitrag „Wie gelingt die Gründung eines Schulfördervereins?“