Kooperation : Wenn ein Weltklasse-Orchester in eine Schule einzieht
Die Gesamtschule Bremen-Ost und die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen haben eine ganz besondere Form der Zusammenarbeit unter einem Dach etabliert. Das Erfolgsmodell findet viele Nachahmer und soll jetzt sogar in Tunis etabliert werden.
Es ist wohl die ungewöhnlichste Wohngemeinschaft in der Bildungslandschaft: Ausgerechnet in einem Schulgebäude mit mehr als 1.000 Jugendlichen hat die international renommierte Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, ihr Domizil. In der Gesamtschule Bremen Ost am Rande der Hochhaussiedlung Tenever probt das Orchester für seine großen Auftritte in den Konzerthäusern der Welt – sei es in der Carnegie Hall in New York, der Royal Albert Hall in London oder in der SuntoryHall in Tokio. Und daraus hat sich eine überaus fruchtbare Nachbarschaft entwickelt.
Aufwendige Umbauten für Probenraum und Tonstudio
Begonnen hat die besondere Kooperation vor mehr als zehn Jahren. Lange hatte die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen damals vergeblich nach geeigneten Räumen gesucht. Die Gesamtschule Bremen Ost liegt zwar am Rande der Stadt, hatte aber viel Platz zu bieten. Sie war einst für 3.000 Schüler der neuen Hochhaussiedlung geplant, doch die Schülerzahl war inzwischen um mehr als die Hälfte geschrumpft. Die Schule hatte bereits ein musikalisches Profil und das Orchester – mehr als 30 Jahre Erfahrung mit Bildungsprojekten. Und dennoch blieb die Frage, ob das gut gehen kann: Ein Probenraum inmitten eines Schulbetriebes mit hunderten Jugendlichen, die durch die Gänge toben? Es kann.
Der Saal wurde aufwendig umgebaut, damit er allen akustischen Anforderungen entspricht, selbst für Tonaufnahmen. Der Gebäudeteil kann komplett von den Geräuschen des Schulumfeldes abgeschirmt werden. Und trotzdem gibt es einen regen Austausch zwischen Schule und Orchester.
„Wir wollten nicht nur einen Raum zum Proben, sondern gezielt mit Schule und Stadtteil in Beziehung treten“, sagt Albert Schmitt, Managing Director der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. Dabei gehe es nicht in erster Linie um Nachwuchsgewinnung, sondern darum, die verschiedensten Potenziale, die in jedem Menschen stecken, zu fördern.
Schülerinnen und Schüler komponieren ihre eigenen Songs
Die Musikerinnen und Musiker des Orchesters besuchen die Klassen und umgekehrt dürfen Schülerinnen und Schüler auch bei den Proben der Profis dabei sein. Dabei sitzen die Jugendlichen direkt im Orchester – so können sie nicht nur das jeweilige Instrument an ihrer Seite genauer wahrnehmen, sondern auch die Kommunikation unter den Musikerinnen und Musikern beobachten.
Highlight des Schulalltags ist das gemeinsame Projekt „Melodie des Lebens“. Einmal im Monat kommt der Komponist und Sänger Mark Scheibe aus Berlin an die Schule in Bremen und unterstützt Schülerinnen und Schüler, die eigene Songs komponieren oder Liedtexte schreiben. Die Jugendlichen verarbeiten in ihren Songs Träume und Alltagsprobleme. An zwei Konzerttagen pro Jahr präsentieren sie dann ihre Songs, begleitet von Musikern der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen.
Eine Stadtteil-Oper in der Hochhaussiedlung
Doch die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen wollte nicht nur einen Austausch mit der Schule, sondern mit dem gesamten Stadtteil. Und so ist das ambitionierte Großprojekt der Stadtteil-Oper entstanden. Mitten zwischen den Hochhäusern wird rund alle ein bis zwei Jahre ein riesiges weißes Zirkuszelt mit fünf Masten aufgebaut, in dem 1.000 Besucher Platz finden. Das Orchester bereitet zusammen mit Schülerinnen und Schülern, Eltern und Lehrkräften und verschiedenen Stadtteilinitiativen eine Oper vor, die sich jedes Mal einer bestimmten Region oder einem bestimmten Land in der Welt widmet. Denn in der Siedlung Tenever leben Menschen aus 90 verschiedenen Nationen. Premiere und Aufführung der Stadtteil-Oper sind jedes Mal bis auf den letzten Platz ausverkauft.
Das Engagement zahlt sich aus. Die Gesamtschule Bremen-Ost feiert nicht nur musikalisch Erfolge. In diesem Jahr gehörte die Schule zu den Preisträgern des Deutschen Schulpreises „Die Kinder, die Musik machen, sind konzentrierter, frischer und offener auch für andere Unterrichtsinhalte“, sagt der Schulleiter Hans-Martin Utz.
Das besondere Kooperationsmodell des sogenannten Zukunftslabors der mit dem Zukunftslabor Kammerphilharmonie Bremen findet inzwischen bundesweit und sogar international Nachahmer. In diesem Jahr eröffnete mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes das Future Lab Tunisia. Und auch im Oman ist man an einem gesellschaftlichen Entwicklungsprojekt interessiert.
Auf einen Blick
- Noch bis zum 22. Oktober können sich Schulen für den mit insgesamt 270.000 Euro dotierten Deutschen Schulpreis 2019 bewerben.
- Alle Informationen über die aktuelle Ausschreibung gibt es auf der Website des Deutschen Schulpreises.