Prinz-von-Homburg-Schule : Wenn ein Traum wahr wird: Reiten in der Schule
Für die Schülerinnen und Schüler der Prinz-von-Homburg-Schule im brandenburgischen Neustadt (Dosse) gehört Reiten zum Unterricht. Ungewöhnliche Schulfächer wie dieses stellt das Schulportal in der Reportagereihe „Auf dem Stundenplan“ vor.
„Lass schneller wieder los“, ruft Dörthe Ewald laut und bestimmt. „Annehmen, nachgeben, wirken!“ Sie nickt. „Gut gemacht! Genau!“, lobt sie und ergänzt im selben Atemzug: „Sonst hat das immer so ein bisschen diesen strammen, festen Touch, ne?“ Zufrieden ist Dörthe Ewald noch nicht: „Bisschen feiner, bisschen leichter. Es ist völlig egal, wie sie jetzt im Moment steht. Hauptsache, sie ist ruhig. Wiederholen. Einfach nochmal machen.“
Geheimsprache zwischen Lehrerin und Schülerinnen?
Dörthe Ewald ist Reitlehrerin an der Prinz-von-Homburg-Schule im brandenburgischen Neustadt (Dosse). Was sie sagt, wirkt auf Außenstehende wie ein Code, wie eine Geheimsprache. Doch ihren Schülerinnen sind die Worte vertraut – sie wissen genau, was zu tun ist. Die Pferde werden über Zügel geführt. Die Zügel verbinden das Gebiss des Pferds mit der Hand der oder des Reitenden, das Tier trägt dabei ein kleines Metallstück, die Trense, im Maul. Gibt Dörthe Ewald einer Schülerin das Kommando „Annehmen!“, heißt das also für die Schülerin, dass sie die Zügel annimmt, damit ihr Pferd den Kopf runterhält, um besser zu laufen. Läuft das Pferd dann wie gewünscht, muss die Reiterin sofort den Druck verringern – Kommando „Nachgeben!“–, damit das Pferd nicht mit ständigem Druck im Maul geritten wird.
Die „c“-Klassen an der Prinz-von-Homburg-Schule sind Reiterklassen
Dörthe Ewald lässt die drei Schülerinnen und vor allem die Pferde keinen Moment aus den Augen. Sie überprüft genau, ob die Lektion von Wiederholung zu Wiederholung besser gelingt: „Pauli, noch mal wiederholen. Den Rest fand ich schon ganz ordentlich – schwingend und schön leicht. Das geht aber noch ein bisschen weicher und flüssiger.“ „Pauli“ heißt Pauline Streubel und besucht die 9c der Prinz-von-Homburg-Schule. Das „c“ verrät, was an ihrer Klasse so besonders ist: Die „c“-Klassen sind Reiterklassen. Für diese Klassen ist „Reiten“ ein so normales Unterrichtsfach wie Mathematik oder Deutsch. Einst war „Reiten“ nur ein Wahlpflichtfach, heute gibt es von der siebten Klasse bis zum Abitur eine ganze Reiterklasse mit bis zu 21 Schülerinnen und Schülern pro Jahrgang.
Enge Kooperation zwischen der Schule und dem Brandenburgischem Haupt- und Landgestüt
Dass der Reitunterricht an der Prinz-von-Homburg-Schule über die Jahre Schritt für Schritt immer weiter ausgebaut worden ist, hat auch viel mit der Stadt zu tun, in der die Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe liegt. Neustadt (Dosse) ist die „Stadt der Pferde“ – hier befindet sich das Haupt- und Landgestüt des Landes Brandenburgs mit mehr als 400 Hektar Land. Schülerinnen und Schüler der Prinz-von-Homburg-Schule dürfen auf gestütseigenen Pferden – den sogenannten „Schulpferden“ – das Reiten lernen.
Die Schülerinnen und Schüler der Spezialklasse müssen regelmäßig Tests bestehen
Wer aber wie Pauline Streubel oder ihre Klassenkameradin Anne-Sophie Bothe in die Spezialklasse aufgenommen werden will, muss in der sechsten Klasse einen Eignungstest bestehen. Eine Jury, zu der auch Dörthe Ewald gehört, prüft, wie gut die Kinder bereits reiten können und testet auch, ob sie körperlich fit genug sind für die herausfordernde Reitausbildung. Anne-Sophie, kurz Anne, hat den Test vor drei Jahren mit Bravour bestanden. Sie kommt eigentlich aus dem Spreewald, rund 200 Kilometer südöstlich von Neustadt. Seit sie als kleines Mädchen zum ersten Mal auf einem Pferderücken saß, ist sie nicht mehr davon losgekommen. Es ist wie eine Sucht: Erst war Anne einmal pro Woche reiten, dann zweimal, dann mehrmals – und es war nie genug. Bis ihre Eltern die Schule in Neustadt (Dosse) entdeckten. Heute wohnt Anne im Internat der Schule – wie die meisten ihrer Klassenkameradinnen und -kameraden, die die Reitklasse besuchen.
Kaum ein Tag vergeht, an dem Anne nicht bei „Petri“ im Stall ist. „Petri“ ist der Spitzname von Annes eigenem Pferd „Salsa Lady“ – einer zehn Jahre alten, stolzen Dame, einem Mecklenburger Warmblut. Der Stall befindet sich auf dem Gelände des Gestüts, genauso wie die T-Halle – die T-förmige Reithalle, in der Anne, ihre Klassenkameradinnen und -kameraden unterrichtet werden. Die Schule wiederum ist gut 1300 Meter vom Gestüt entfernt. Statt zu laufen, fährt Anne am liebsten mit dem Rad zwischen Schule, Internat, Stall und Reithalle hin und her.
Ein eigenes Pferd ist ab der neunten Klasse Pflicht
Bis zur neunten Klasse dürfen die Schülerinnen und Schüler der Spezialklassen die Schulpferde reiten, dann ist für sie ein eigenes Pferd Pflicht. Wer kein eigenes Pferd hat, fliegt nicht aus der Klasse, hat aber weniger Reitunterricht als die anderen: Vier Mal pro Woche gibt es praktischen Reitunterricht, einmal wöchentlich auch Theorie. „Wir kriegen für eine Spring- oder Dressurleistungskontrolle genauso Noten von Eins bis Sechs wie für eine Klassenarbeit in Englisch oder Physik“, erklärt Anne.
Die Anforderungen sind hoch. Die (vielen) Mädchen und (wenigen) Jungen in der Reiterklasse müssen zum Halb- und zum Endjahr Reit- und Sporttests bestehen. Auch ihre körperliche Fitness wird regelmäßig geprüft. Dazu kommen mehrere Turniere im Laufe des Jahres – immerhin sind die Reiterklassen die Nachwuchshoffnung des Reitsports.
Pauli übt heute für den Reittest, der eigentlich schon vor den Sommerferien fällig war. Doch ihr Pferd war zu dem Zeitpunkt krank, deshalb darf sie die Prüfung ein paar Monate später wiederholen. Dörthe Ewald ist zufrieden mit Paulis Fortschritten. Die Lehrerin kommt aus der Pferdeausbildung – sie ist Pferdewirtschaftsmeisterin und Bereiterin. „Ich habe selber Pferde ausgebildet und kann mich deshalb ganz gut in Pferd und Reiter hineinversetzen. Ich weiß, wie sich das vom Sattel aus anfühlt. Dadurch kann ich den Schülerinnen und Schülern ganz gut helfen“, erklärt sie.
Anne hat den Test, für den Pauli noch übt, pünktlich zum Ende der achten Klasse absolviert – auf ihrem Zeugnis stand im Fach Reiten eine gute Zwei. Sie konzentriert sich heute auf ein Turnier, das in wenigen Tagen hier auf dem Gestüt stattfinden soll. Von den vielen Reitdisziplinen macht ihr Springen am meisten Spaß, in diese Richtung will sich Anne professionell weiterentwickeln. Erste Erfolge hat sie bereits erreicht, bei einem vergangenen Turnier erreichte Anne den zweiten Platz. Ihre Eltern, ihre Heimat vermisst sie nur manchmal. „Es geht, wenn man von zu Hause weg ist. Ich habe ja mein Pferd“, sagt sie und fügt hinzu: „Wenn ich traurig bin, kann ich einfach mit Petri reden.“
Im ersten Teil der Serie „Auf dem Stundenplan“ hat das Schulportal Hannah und Alba besucht. Die beiden Mädchen besuchen die Jenaplan-Schule Jena. Dort gibt es das Schulfach „Verantwortung“. Hier lesen Sie die Reportage „Verantwortung steht auf dem Stundenplan“.
- Seit 2001 gibt es an der Prinz-von-Homburg-Schule das Projekt „Reiten in der Schule“.
- Dafür kooperiert die Schule mit dem Brandenburgischen Haupt- und Landgestüt.
- So können die Schülerinnen und Schüler Reiten zu einem festen Bestandteil ihres Stundenplans machen – laut Schule ist das bundesweit einmalig.
- Mehr Informationen über das Projekt und die Prinz-von-Homburg-Schule finden Sie auf der Website homburgschule.de.