Netzwerk Schulentwicklung : Wenn Schulen gemeinsam Zukunft gestalten
Veränderungen und Reformen ja – aber nachhaltige Schulentwicklung? Fehlanzeige! Viele Jahre lang setzte die schleswig-holsteinische Richard-Hallmann-Schule neue Ideen einfach um, ohne später zu hinterfragen, ob die Reformen sich tatsächlich positiv auf Schul- und Unterrichtsalltag auswirken. Das Netzwerk Schulentwicklung Schleswig-Holstein unterstützte die Gemeinschaftsschule auf dem Weg zu mehr Struktur und Nachhaltigkeit.
Die Richard-Hallmann-Schule in der schleswig-holsteinischen Gemeinde Trappenkamp steht vor Problemen und Herausforderungen, wie sie aktuell viele Schulen in Deutschland haben. 1989 startete die Schule als integrierte Gesamtschule und wandelte sich in den vergangenen Jahren zu einer Gemeinschaftsschule mit Oberstufe. Heute bietet die Richard-Hallmann-Schule alle Abschlüsse vom Förderabschluss bis zum Abitur. Alle Levels – ob Haupt-, Real- oder Gymnasialniveau – werden in einer Klasse unterrichtet. Das ist per se schon eine Herausforderung für die Lehrerinnen und Lehrer, doch mit der vermehrten Inklusion von Kindern mit Förderbedarf und Flüchtlingskindern wachsen die Anforderungen an das Kollegium.
„Schulentwicklung ist in erster Linie Überzeugungsarbeit“
Eine Mammutaufgabe, die im Kollegium in der Vergangenheit nicht nur Zuspruch erntete. Ständig gab es neue Konzepte, Ideen, aber auch Vorgaben, mit denen sich das Team auseinandersetzen musste. Die Bereitschaft im Kollegium, Reformen umzusetzen, nahm ab. Denn die Veränderungen der vergangenen Jahre waren kaum Teil eines langfristig angelegten Schulentwicklungsprozesses. Ob neue Maßnahmen tatsächlich den gewünschten Erfolg brachten, prüfte nach der Einführung niemand mehr. „Was uns fehlte, war eine Struktur. Uns war klar: Wir müssen da Ordnung reinbringen“, sagt Lehrerin Julia Iser, die an der Richard-Hallmann-Schule die Schulentwicklung koordiniert. Denn Julia Iser ist der Ansicht: „Veränderungen an einer Schule gelingen nur, wenn das Kollegium von der Notwendigkeit überzeugt ist. Schulentwicklung ist in erster Linie Überzeugungsarbeit.“
Eine Bestandsaufnahme sollte im Herbst 2015 der erste Schritt zur nachhaltigen Schulentwicklung sein. „Wir haben alle Lehrerinnen, Lehrer, Eltern, Schülerinnen und Schüler gefragt, wo sie Entwicklungsbedarf sehen“, erzählt Julia Iser und ergänzt: „Da kam tatsächlich einiges zusammen.“ Zum Beispiel fehlte den Lehrkräften im stressigen Schulalltag Raum und Zeit, um überhaupt mit einzelnen Schülerinnen und Schülern sprechen zu können. Die Schülerinnen und Schülern vermissten dagegen das richtige Feedback. „Die Evaluation hat gezeigt, dass sie zwar bis zu einem gewissen Grad über ihre Schwächen informiert werden, aber nicht wissen, was ihre Stärken sind. Dabei ist das eigentlich die Voraussetzung für einen gelingenden Lernprozess“, sagt Julia Iser.
Netzwerk Schulentwicklung unterstützt Schulen mit Beratungsbedarf
Mit ihrem Bedürfnis, die notwendigen Veränderungen in einen nachhaltigen Schulentwicklungsprozess einzugliedern, war die Richard-Hallmann-Schule zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Denn parallel gründeten acht Schulen mit Unterstützung der Deutschen Schulakademie das Netzwerk Schulentwicklung Schleswig-Holstein. „Unser Ziel mit diesem Vorhaben war, gute Ansätze zu teilen sowie gemeinsam nachhaltig Schul- und Unterrichtsentwicklung zu betreiben – in einem Format, aus dem für den eigenen Schulentwicklungsprozess vielleicht weitere Funken überspringen“, erklärt Edda Laudahn vom Hamburger Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung, die als Co-Projektleitung gemeinsam mit Projektleiterin Karin Krawietz, pensionierte Rektorin der Sieverstedter Schule im Autal, das Netzwerk steuerte. Schulen aus dem gesamten Bundesland konnten sich für das Netzwerk bewerben – eine Chance, die die Richard-Hallmann-Schule sofort nutzte. „Das Netzwerk war ein großes Geschenk für uns. Denn damit hatten wir die Möglichkeit, dass uns erfahrene Leute mit einem kritischen Blick von außen bei unserem großen Vorhaben unterstützen“, erklärt Julia Iser.
Ehrliches, aber respektvolles Feedback von außen
Mit der Zusage für das Netzwerk im Frühjahr 2016 nahm der Schulentwicklungsprozess an der Gemeinschaftsschule weiter Fahrt auf: Nach der Auftaktveranstaltung folgten Hospitationen, Schulbesuche, Gesprächskreise und Feedbackrunden. „Dabei wurde Klartext geredet, und zugleich war der Umgang sehr respektvoll. Das war sehr wichtig für die Zusammenarbeit zwischen unserem Kollegium und den externen Partnern“, erzählt Julia Iser. Mithilfe des Netzwerks hat die Richard-Hallmann-Schule in den vergangenen zwei Jahren viel erreicht. Ein Beispiel für die zahlreichen Veränderungen: Die Unterrichtsstunden dauern jetzt 60 Minuten, die klassischen 45-Minuten-Stunden wurden abgeschafft. Diese Lösung soll mehr Raum und Zeit für individuelle Zuwendung schaffen. Ob dieses Modell tatsächlich den gewünschten Erfolg bringt, prüfen Julia Iser und ihre Kolleginnen und Kollegen kontinuierlich. Zum Start des neuen Schuljahrs wird deshalb die neu eingeführte Rhythmisierung wieder leicht verändert und zum nächsten Halbjahr groß evaluiert.
Achterbahnfahrt Schulentwicklung
Rückblickend, so Julia Iser, habe die Zusammenarbeit mit dem Netzwerk aber nicht einer schnellen Reise zu den gewünschten Zielen geglichen, sondern eher einer Achterbahnfahrt mit vielen Auf und Abs – mit Momenten der Begeisterung und mit Tiefpunkten. Doch zuletzt zeigte die Erfolgskurve nach oben, Julia Iser spricht nach der letzten Oberstufenkonferenz von einem „Momentum des Knalls“: „Wir sind nach drei Jahren endlich da, wo wir eigentlich immer hinwollten. Ab hier kann ein ganz neuer Schulentwicklungsprozess beginnen – jetzt geht es an die Substanz.“ Ganz ähnlich sieht es Projektleiterin Edda Laudahn: „Schulentwicklung ist es wert, sich Zeit zu nehmen. Es braucht Anstöße von außen. Wenig lässt sich final abhaken, vieles hängt zusammen und wird Schleifen ziehen.“
Das auf drei Jahre angesetzte Netzwerk Schulentwicklung Schleswig-Holstein ist seit wenigen Wochen offiziell zu Ende. Doch so wie sich unter einen Schulentwicklungsprozess nicht einfach ein Schlussstrich ziehen lässt, geht es auch mit dem Netzwerk weiter. Edda Laudahn und Karin Krawietz planen als Nächstes gemeinsam mit der Schulakademie, wie und ob sich das Projekt über die Grenzen Schleswig-Holsteins hinaus auf andere Vorhaben übertragen lässt. Und auch die Netzwerkschulen trennen sich nicht, verrät Julia Iser: „Unsere gemeinsame Arbeit geht weiter. Wir wollen im Team zusammenbleiben und uns weiterhin zur Seite stehen.“
- In Schleswig-Holstein haben acht Schulen ein Netzwerk zur Schulentwicklung auf die Beine gestellt, um andere Schulen im Land in ihrem Entwicklungsprozess zu beraten und zu begleiten. Die Richard-Hallmann-Schule in Trappenkamp ist eine der insgesamt zehn Projektschulen.
- Das Projekt wird von der Deutschen Schulakademie, dem schleswig-holsteinischen Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur sowie dem Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein (IQSH) unterstützt.
- Mehr über das Netzwerk Schulentwicklung Schleswig-Holstein erfahren Sie im Interview mit Projektleiterin Karin Krawietz.