Schulwandel gestalten : Dank School Turnaround startet die Refik-Veseli-Schule durch
Erst klagten Eltern, weil ihre Kinder zur Refik-Veseli-Schule mussten. Nun klagen sie, weil sie nicht dürfen. Wie die Refik-Veseli-Schule in Berlin-Kreuzberg den Wandel mithilfe des Projekts „School Turnaround“ geschafft hat, erklärt Schulleiterin Ulrike Becker im Interview mit dem Schulportal.
Schulportal: Frau Becker, Sie leiten seit Februar 2014 die Refik-Veseli-Schule. Was war Ihr erster Eindruck von der Schule?
Ulrike Becker: Damals gab es fast keine Anmeldungen von Schülerinnen und Schülern. Auch Eltern wollten auf keinen Fall, dass ihre Kinder hierherkommen. Es hielt sich das Gerücht, dass es an der Refik-Veseli-Schule sehr viel Gewalt gibt. Wegen des schlechten Rufs der Schule gab es keine Bewerbung auf offene Stellen, Leitungs- und Funktionsstellen blieben unbesetzt, und fast jeder dritte Jugendliche hat die Schule ohne Abschluss verlassen. Doch entgegen allen Gerüchten war mein erster Eindruck positiv. Das Schulgebäude war schon damals schön, und alle Menschen – ob nun die Lehrerinnen und Lehrer oder die Schülerinnen und Schüler – waren sehr nett.
Das heißt, es gab eine große Diskrepanz zwischen der öffentlichen Meinung und Ihrem persönlichen Bild?
Genau, das war ein großer Widerspruch. Die Gerüchte über das Schulklima und das schlechte Image haben sich gehalten, obwohl sich die Schule zum Zeitpunkt meines Antritts schon verändert hatte.
Wie hat sich die Refik-Veseli-Schule weiter verändert, seit Sie dort die Leitung übernommen haben?
Inzwischen wird die Schule sehr positiv in den Medien dargestellt, und im letzten Jahr hatten wir nur noch rund elf Prozent Schülerinnen und Schüler ohne Abschluss. Außerdem haben wir mehr Bewerbungen als Stellen, die wir besetzen können. Die Schule ist im dritten Jahr in Folge übernachgefragt – zuletzt hatten wir 110 Anmeldungen für 72 Plätze. Es haben sogar Eltern versucht, ihre Kinder in die Schule einzuklagen! Ein Kollege, der seit 30 Jahren hier unterrichtet, sagt: Früher haben die Eltern geklagt, weil ihre Söhne und Töchter zur Refik-Veseli-Schule mussten. Heute klagen sie, weil sie nicht zu uns dürfen.
Welche Rolle spielt die Schulleitung, um den „School Turnaround“ – also buchstäblich die „Schulumkehr“ – zu schaffen?
Die Schulleitung ist sehr wichtig! Allerdings kann die Schulleitung nur wirken, wenn sie Unterstützung bekommt – vom Schulträger, von der Schulaufsicht, von der Senatsverwaltung. Noch wichtiger: Alle müssen gemeinsam an einem Strang ziehen.
Wie hat die Refik-Veseli-Schule es geschafft, alle Partner an einen Tisch zu bekommen?
Das hat erst das Projekt „School Turnaround“ möglich gemacht. Die Robert Bosch Stiftung hat eine gemeinsame Projektvereinbarung mit allen Beteiligten auf den Weg gebracht. Ganz besonders hilfreich für unseren Schulentwicklungsprozess war darüber hinaus der externe Berater, der uns über mehrere Jahre im Rahmen des Projekts begleitet und unterstützt hat.
Nun haben nicht alle Schulen in kritischer Lage das Glück, im Rahmen eines groß angelegten Projekts an die Hand genommen zu werden. Was raten Sie Schulen, die sich auf den Weg machen und weiterentwickeln wollen?
Die Schulleitung kann sich an die Schulaufsicht wenden und um einen gemeinsamen Termin und eine gemeinsame Zielvereinbarung bitten. Das ist ein wichtiger erster Schritt und aus meiner Sicht auch unabhängig von einem Projekt möglich.
- Die Refik-Veseli-Schule ist eine von insgesamt zehn Berliner Schulen in einst kritischer Lage, die mit dem Projekt „School Turnaround – Berliner Schulen starten durch“ Unterstützung erfahren haben.
- Die Robert Bosch Stiftung hat das Projekt gemeinsam mit der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie getragen.
- Das Ziel von „School Turnaround“: die Handlungsfähigkeit der Schulen stärken und buchstäblich gemeinsam die „Schulumkehr“ schaffen.
- „School Turnaround – Berliner Schulen starten durch“ lief von 2013 bis 2017. Jetzt ist dazu eine aktuelle Begleitstudie der Robert Bosch Stiftung erschienen. Die Publikation fasst die zentralen Ergebnisse des Pilotprojekts zusammen und gibt darüber hinaus Handlungsempfehlungen für die Praxis.
Zur Person
- Ulrike Becker ist seit Februar 2014 Leiterin der Refik-Veseli-Schule in Berlin.
- Sie lehrt außerdem an der Universität Potsdam.
- Ihr aktuelles Schwerpunktthema ist dort „Planung von Fördermaßnahmen und Evaluationen im Unterricht“.