Sozialarbeit in Distanz : Wie das Schreiben eines Buchs Gemeinschaft fördert
Schulsozialarbeit ist Beziehungsarbeit. Doch gelingt sie auch kontaktlos im Distanzunterricht? Wie lässt sich das Zugehörigkeitsgefühl zur Schule erhalten, und wie lassen sich selbst die Vorschulkinder mitnehmen? In der „Schule am Gehölz”, einer Grundschule im schleswig-holsteinischen Lunden, haben die Schulsozialarbeiterin und die Lehrkräfte während des Lockdowns ein gemeinschaftliches Buchprojekt ins Leben gerufen und dabei auf digitale Medien gesetzt. Die zunächst kleine Idee, eine gemeinsame Geschichte als Kontaktmedium zu nutzen, entwickelte sich zu einem großen, identitätsstiftenden Projekt, das die Lese-, Schreib- und Medienkompetenzen fördert und langfristig Bestand hat.

Das Konzept
An der kleinen Grundschule „Schule am Gehölz“ in Lunden ist die Schulsozialarbeit ein zentraler und identitätsstiftender Bereich des Schullebens. Die Sozialarbeiterin der Schule leitet beispielsweise eine Theater-AG, in der Kinder eigene Stücke nach ihren Vorstellungen schreiben und aufführen. Als infolge der Schulschließung der direkte Kontakt zu den Kindern und Familien nicht mehr möglich war, entstand die Idee, gemeinsam ein Buch zu schreiben – mit den Ideen, Geschichten und Bildern der Kinder.
Den Auftakt zur Geschichte des gemeinsamen Buchprojekts hat die Sozialarbeiterin entwickelt: Das Schulmaskottchen, die Eule Lunna, bekommt von ihrem Freund, dem Igel Isi, eine Dose mit magischem Pulver geschenkt. Mit dem Pulver können sich Lunna und Isi in jede mögliche Figur verwandeln und überall hinreisen. Aber auch in der Welt von Lunna und Isi grassiert das Virus. Über diese „Brücke“ konnten in das Projekt Inhalte eingebaut werden, die über die aktuellen Entwicklungen der Corona-Pandemie aufklären.
Die Einführungsgeschichte wurde über die Lernplattform „IServ“ an alle Kinder der „Schule am Gehölz“ verschickt – auch an die Kita-Kids, die im August 2020 dort eingeschult werden sollten. Die Kinder wurden aufgefordert, ihre Ideen einzureichen. In welche Figuren sollten sich die beiden verwandeln, wohin könnten die beiden reisen, welche Abenteuer würden sie dabei erleben? Auch Bilder konnten die Kinder einreichen. Alle eingegangenen Ideen wurden in den Geschichten berücksichtigt. So entstand eine tägliche Fortsetzungsgeschichte über die magischen Abenteuer von Lunna und Isi, in die die Sozialarbeiterin auch die aktuellen Corona-Neuigkeiten des Tages einbaute und auf diese Weise über neue pandemiebedingte Auflagen aufklärte. Dazu kam, mit Tipps gegen Langeweile, auch der Youtube-Kanal „Lunna Isi“.
Das Projekt wurde im im März 2020 gestartet, im ersten Lockdown. Am Ende des Schuljahres erhielten alle Kinder ein gedrucktes Exemplar mit 80 Seiten. Und auch jedes Kita-Kind bekam zur Einschulung das Buch mit dem Titel „Lunnas magisches Abenteuer“ geschenkt.
Als im neuen Schuljahr der Präsenzunterricht startete, wurde die Idee weiterentwickelt. Da in den Klassenräumen keine Adventskalender erlaubt waren, gab es den digitalen Weihnachtskalender „Lunna und der verschwundene Weihnachtsmann“ mit Fortsetzungsgeschichten und Ideen für die Weihnachtszeit. Die Kinder erhielten Hinweise und schrieben dann ihre Ideen auf, wo der Weihnachtsmann gesucht werden müsse. In Videokonferenzen wurden die Geschichten den Kindern von der Schulsozialarbeiterin vorgelesen.
Die Geschichten wurden zunehmend mit den Unterrichtsaufgaben der Lehrkräfte im Distanzunterricht verbunden.
Im zweiten Lockdown waren alle Kinder und Eltern im Umgang mit digitalen Endgeräten bereits geschult; Alle Kinder, die Bedarf hatten, bekamen Leihgeräte. Es entstand ein drittes Gemeinschaftsbuch, „Die Rettung von Morania“, mit Abenteuer- und Detektivgeschichten, in denen es darum ging, Rätsel zu lösen. Die Geschichten wurden zunehmend mit den Unterrichtsaufgaben der Lehrkräfte im Distanzunterricht verbunden. Die Schule nutzte dafür „Padlet“, eine digitale Pinnwand, an der auch die eingesandten Bilder der Kinder hochgeladen wurden. Außerdem hat die Schule mit der App „Gather“ den Raum der Schulsozialarbeiterin digital nachgebaut, in dem die Kinder sich wie in einem 2-D-Spiel bewegen und gegenseitig treffen können.
Aus dem Projekt sind mittlerweile neue Ideen entstanden, die die Schule langfristig immer weiterentwickeln möchte. Seit dem Schuljahr 2020/21 gibt es eine feste Gruppe „Buchprojekt“ als Angebot der Begabungsförderung für Kinder ab der dritten Jahrgangsstufe. Das freie Schreiben wird nun auch stärker im Unterricht aufgenommen. Zudem gibt es eine auf Dauer angelegte Online-Schulzeitung im „Padlet“-Format: „Lunnas Tageblatt“.
Für die vierte Jahrgangsstufe wird jetzt Medienunterricht angeboten. Informationen für die Eltern in Schule und Kita gibt es digital, auch die Sprechstunden der Sozialarbeiterin werden digital angeboten.
Um in der Distanz den Kontakt zu den Kita-Kindern zu halten, wurden nun kleine Videos gedreht, in der Eule Lunna den Kindern die Schule erklärt. Die Videos werden in den Kitas mit den Kindern angeschaut und die Aufgaben dort bearbeitet.
Mitschnitt der Präsentation des Konzepts beim Digitalen Impuls am 23. März
Youtube-Video aus dem Channel „Lunna Isi“
Das erste Buchprojekt, „Lunnas magische Abenteuer“, brachte ein 80-seitiges Buch hervor, an dem alle Kinder mitgearbeitet hatten, hinzu kam im Frühjahr 2020 der Youtube-Channel „Lunna Isi“ mit Tipps für Beschäftigungen zu Hause.
Die „Schule am Gehölz“ ist für den Deutschen Schulpreis 20|21 Spezial nominiert. Mit dem Deutschen Schulpreis 20|21 Spezial zeichnen die Robert Bosch Stiftung und die Heidehof Stiftung zukunftsweisende Konzepte aus, die Schulen in der Corona-Krise entwickelt oder weiterentwickelt haben und die das Potenzial haben, das Lernen und Lehren langfristig zu verbessern. Alle Konzepte der Bewerberschulen sehen Sie hier.