Jugendschule am Schlänitzsee : Ein Lern- und Arbeitsort in der Natur
Schülerinnen und Schüler aus den Klassenstufen sieben und acht der Montessori-Oberschule in Potsdam verbringen die Hälfte ihrer Unterrichtszeit unter freiem Himmel. Fernab von der Enge eines Klassenraums arbeiten und experimentieren die Jugendlichen in Landwirtschaft und Natur. Dabei lernen sie selbstständig zu denken und zu handeln.
Die Montessori Oberschule Potsdam hat am Schlänitzsee einen ganz besonderen Lern- und Arbeitsort für 12- bis 14-Jährige geschaffen.
Das Konzept
Mit der Jugendschule am Schlänitzsee hat die Potsdamer Schule ein Konzept umgesetzt, das Maria Montessori einst als „Erdkinderplan“ beschrieb. Konkret geht es darum, Schülerinnen und Schülern in der Pubertät einen Raum zu geben, in dem sie sich entfalten können und der es ihnen gleichzeitig ermöglicht, die Verbindung des Menschen mit der Natur praktisch zu erfahren. Die Jugendschule umfasst ein Gelände von etwa fünf Hektar. Es liegt gut 12 Kilometer nordwestlich von der Schule zwischen Feldern und dem Schlänitzsee. Auf dem Gelände befinden sich drei Bauwagen, auch für Unterricht geeignet, sowie eine alte Garage, die als Werkstatt und Aufenthaltsraum dient. Über einen Zeitraum von zwei Jahren halten sich die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 7/8 jeweils zwei Wochen im Monat dort auf. Nach den Sommerferien ist es für die Neuen eine der ersten Aufgaben, die tägliche Fahrt zur Jugendschule zu organisieren – mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder in Kleingruppen mit dem Fahrrad. Hilfe durch die Eltern ist nicht erwünscht, denn eigenständig Wege zu finden und zu bewältigen, selbstständig zu denken und zu handeln, sind wichtige Lernziele des Projekts.
Täglich sind zwischen 8:30 und 16:00 Uhr etwa 30 bis 35 Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit zwei Lehrkräften und zwei Experten aus der Landwirtschaft vor Ort. Die 12- bis 14-Jährigen sind in verschiedene Kleingruppen eingeteilt: Eine Gruppe besorgt Lebensmittel und Getränke und kocht in einer Außenküche ein Mittagessen für alle. Eine zweite sät, pflügt oder erntet auf den Feldern der Jugendschule. Eine dritte Gruppe pflegt den Kompost, eine vierte reinigt die Komposttoilette. Alle Aufgaben rotieren. Daneben gibt es theoretische Lerneinheiten, zum Beispiel zur Nahrungssituation in Deutschland und weltweit. Ein anderes Thema sind die historischen und praktischen Grundlagen der Drei-Felder-Wirtschaft. Ausgehend von diesen Kenntnissen entscheiden die Jugendlichen gemeinsam, was auf dem Feld angebaut werden soll. Sie einigen sich darauf, welches Saatgut sie benötigen und bestellen es eigenständig. Ein Teil der Ernte verkaufen sie auf einem Stand vor der Schule. Damit sind sie in die ökonomischen Kreisläufe eingebunden, ihre Vorhaben profitierten von den Erlösen. Manchmal entwickeln sich in der Jugendschule auch neue oder spezielle Aufgaben, zum Beispiel Experimente mit seltenen Getreidesorten oder die Anlage eines Teiches.
Von den sechs Lerngruppen der Klassenstufe 7/8 halten sich immer jeweils zwei auf dem Gelände am Schlänitzsee auf. Zwei weitere Lerngruppen haben in dieser Zeit Unterricht in der Schule. Die fünfte Gruppe ist zuständig für den Verkauf am Marktstand vor dem Schulgebäude sowie für die Herstellung von Produkten, die im Schulcafé verkauft werden. Die sechste Gruppe ist im Tierpraktikum – sie besucht gemeinsam mit einer Lehrkraft einen Hof mit Biohühnern oder befasst sich mit der Haltung von Schafen, Eseln, Ziegen oder Bienen. Lernziel ist es, Verantwortung für diese Tiere übernehmen zu können.
Die Schülerinnen und Schüler sammeln in der Landwirtschaft und bei der Selbstverpflegung wichtige Erfahrungen; zum Beispiel, dass Arbeiten und Lernen keine Gegensätze sind, sondern einander bedingen. Theorie und Praxis werden ständig miteinander verknüpft, indem die Jugendschule immer an realen Vorgängen ansetzt. Dazu gehört der geschichtliche Hintergrund des Grundstücks als ehemaliges Feriengelände der Staatssicherheit ebenso wie die Erfahrung, ein Stück Boden wieder in ein ökologisches Gleichgewicht zu bringen. Im Selbstverständnis der Jugendschule sind die Lehrenden, wenn auch mit anderen Kompetenzen ausgestattet, genauso lernende wie die Jugendlichen. Auch sie müssen mitunter Probleme lösen, die neu für sie sind.
Ein solches Vorhaben kann nur gelingen, wenn alle Akteure hinter dem Projekt stehen. Daher sind die Eltern, die Schülerinnen und Schüler, die Lehrkräfte wie auch die beteiligten Experten partizipativ in das Projekt eingebunden.