Mythos und Realität : Privatschulen für alle
Bundesweit besuchen neun Prozent der Kinder eine Privatschule, Tendenz: steigend. Schulportal-Kolumnist Matthias Förtsch geht der Frage nach, was Eltern eigentlich an Privatschulen schätzen und warum das nicht auch für staatliche Schulen gilt.

Es gibt sie gefühlt schon immer, diese Mythen über Privatschulen: Es sind Bildungseinrichtungen für Privilegierte, die ihre Kinder mit dem Luxus-SUV direkt vor der Eingangstür abladen. Die Kinder besuchen solch eine Schule, weil ihre Eltern eigentlich keine Zeit für sie haben und daher eine Privatschule mit Ganztagsbetreuung für sie auswählen. Dazu kommen vielleicht noch besonders christlich orientierten Eltern (konfessionelle Trägerschaft) oder Anhänger der Reformpädagogik (Waldorf oder Montessori), die Privatschulen bevorzugen.
Dabei ist den meisten nicht klar, so wettern die Privatschulgegner, dass das Personal dort eine Ansammlung von Quereinsteigern sowie Versagern des staatlichen Schulsystems ist, wobei Letzteres nicht nur für die Lehrenden, sondern genauso für die Lernenden gilt. Der Bildungsplan wird an Privatschulen geflissentlich ignoriert: Sie halten sich für etwas Besseres. Dabei kommt es durchaus vor, dass ihre Schülerinnen und Schüler bei zentralen staatlichen Abschlussprüfungen kollektiv versagen.
So weit die Mythen. Und doch besuchen laut aktuellen Statistiken etwa neun Prozent aller Schülerinnen und Schüler in Deutschland eine Privatschule – Tendenz: steigend. Privatschulen boomen. Hinzu kommt die „stille Privatisierung der Bildung“: die gute alte Nachhilfe. Einer Studie von 2016 zufolge geben Eltern in Deutschland jährlich rund 900 Millionen Euro für private Nachhilfe aus. Auch staatliche Schulen tragen also zu diesem Trend bei.
Das Versprechen der Privatschule
Was ist es, das Eltern an Privatschulen so schätzen? So wie der findige Verkäufer beim Verkauf der ersten Babyschale fürs Auto die jungen Eltern frecherweise fragt, was ihnen die Sicherheit des eigenen Kindes denn wert sei, so stellt sich mit der Option Privatschule die Frage: Was ist mir die Bildung meines Kindes wert? Möchte ich etwa nicht die beste Variante? Das ist das süße Versprechen der Privatschulen.
Das „Beste“ kann sich in einer besonderen pädagogischen Ausrichtung zeigen, in einer besseren Ausstattung (derzeit: WLAN, Eins-zu-eins-Ausstattung mit Tablets oder Ähnliches), vor allem aber auch in kleineren Klassen und weniger Unterrichtsausfall; vielleicht sogar in der Integration der Nachhilfe direkt in die Schule – wer zahlt, kann schließlich auch Leistung erwarten. Auch ist das Personal durch die Schule selbst auswählbar, was im Idealfall eine stärkere Identifikation mit der Schule ermöglicht.
Privatschulleistung auch für staatliche Schulen
Gerade Letzteres führt unter anderem zu etwas, das eigentlich alle Schulen ausmachen sollte: zu einem klaren Bild aller am Schulleben Beteiligten von der eigenen Organisation, zu einem hohen Maß an Veränderungsbereitschaft, zur Entwicklung einer Corporate Identity mit dem dazugehörigen Gemeinschaftsgefühl. An solchen Schulen werden Schülerinnen und Schüler dann nicht mehr als zu disziplinierende Untergebene gesehen, sondern als Kunden, die zur Bildung verführt werden. Lehrerinnen und Lehrer sind dann gerne bereit, mehr Zeit in die Entwicklung der Persönlichkeiten zu investieren, und erhalten dafür auch, umgekehrt, positives Feedback.
In diesem Sinne wünscht man sich die Rahmenbedingungen so mancher Privatschulen auch für alle staatlichen Schulen. Uns als Gesellschaft sollte es das wert sein. Im Übrigen sind Privatschulen für den Staat ein Sparmodell: Die Schülerinnen und Schüler werden in einem System versorgt, bei dem der Staat nur maximal 80 Prozent der Personalkosten übernimmt – und die Gebäude baut und verwaltet ein privater Träger. Da könnten sich bei einem anhaltenden Trend zu Privatschulen sogar noch größere Spielräume für staatliche Investitionen in den Bildungssektor ergeben…
Zur Person
- Matthias Förtsch ist Lehrer für Englisch und Gemeinschaftskunde (Politik, Wirtschaft und Soziologie) an einem privaten, gebundenen Ganztagsgymnasium in Baden-Württemberg.
- Zusätzlich ist er hauptverantwortlich für die Schulentwicklung an seiner Schule.
- Die Zukunft der Schule interessiert ihn so sehr, dass er darüber auch twittert und regelmäßig in seinem Blog berichtet.
- Für Das Deutsche Schulportal schreibt Matthias Förtsch regelmäßig eine Kolumne.