Digitalisierung : Wenn IT-Firmen Lehrkräfte fortbilden
Immer häufiger nennen sich Lehrerinnen und Lehrer „Apple Teacher“ oder „Google Certified Educator“. Sie haben umfangreiche Fortbildungen bestimmter IT-Konzerne durchlaufen, weil entsprechende Angebote bei den staatlichen Fortbildungen oft fehlen. Schulportal-Kolumnist Matthias Förtsch beschreibt, welche Probleme das birgt und wie diese gelöst werden können.
In den sozialen Medien ist eine Metapher sehr verbreitet, mit der sich die Struktur der Lehrerkollegien anschaulich beschreiben lässt: der Bleistift. Das Bild eines Bleistifts zeigt, dass es in der Frage der Digitalisierung – wie sicherlich auch bei weiteren Themen – verschiedene Akteure gibt: eine kleine innovative Spitze, einen großen Schaft, zu dem jene gehören, die die Innovationen bereitwillig annehmen, aber auch die Radierer, die alle Weiterentwicklungen direkt ausradieren wollen.
Es soll hier aber nur um ebendiese oben erwähnte „Spitze“ gehen. Es ist nämlich genau an dieser Spitze ein interessantes Phänomen zu beobachten: Immer mehr innovative Lehrkräfte bezeichnen sich – im Lebenslauf oder auch öffentlich – als „Apple Teacher“, „Microsoft Innovative Education Expert“ oder „Google Certified Educator“. Sie haben also umfangreiche Fortbildungen dieser Firmen für Lehrerinnen und Lehrer durchlaufen und wollen dies auch zeigen.
Die Konzerne bieten Inhalte, die in staatlichen Fortbildungen oft fehlen
Zunächst scheint die Nutzung von solchen Angeboten der großen IT-Konzerne nur konsequent: Der Staat bietet oft nur Fortbildungen im Stile von „Das Tablet im Unterricht“ an; vieles bleibt an der Oberfläche oder bedient Lehrkräfte, die nur wenig Ahnung von technischen Geräten haben. Wenn ich also meinen Unterricht tief greifend verändern will, benötige ich Tools und Ideen, die weit darüber hinausgehen. Die großen Firmen können dies in kostenlosen (!) Programmen bieten und helfen bei einem weiteren wichtigen Aspekt, der den staatlichen Fortbildungen bisher häufig fehlt: der Bildung einer Community für den Austausch.
Zum Problem werden diese Programme jedoch genau dann, wenn unser ursprünglicher Auftrag als Lehrerinnen und Lehrer dadurch verwischt wird; wenn wir uns also einer bestimmten Firma verpflichtet fühlen und dies Einfluss nimmt auf die Bildung unserer Schülerinnen und Schüler. Die öffentlich getragenen Labels der Lehrerinnen und Lehrer zeigen eine solche vermeintliche Verpflichtung recht deutlich.
Schulen sollten technisch flexibel aufgestellt werden
Zunächst mal sollte man das Engagement dieser Lehrerinnen und Lehrer wertschätzen – sie bilden sich in Eigeninitiative fort und haben ein Interesse an der Weiterentwicklung ihres Unterrichts. Und genau dieses Engagement braucht Kanäle, am besten in Form von Bottom-up-Strukturen, in denen die Anstöße der Einzelnen von der gesamten Einrichtung aufgenommen werden. Könnten diese Lehrkräfte ihr Wissen nicht einfach weitervermitteln, also direkt wieder als Fortbildner aktiv werden?
Die Leitfrage hierbei sollte folgende sein: Welche Elemente des Gelernten sind auf alle Systeme und andere Software übertragbar, haben also unabhängig von der Plattform einen Wert für die Weiterentwicklung des Unterrichts?
Des Weiteren sollten Schulen grundsätzlich technisch flexibel aufgestellt werden. Das W-LAN ist sowieso universell, die Plattformen müssen systemunabhängig nutzbar sein (was sowieso inzwischen meist Standard ist), und auch die Streaming-Sticks am Beamer sollten möglichst viele Verbindungsmöglichkeiten bieten.
Nicht zuletzt ist es aber auch Aufgabe des Staats, mehr in die Fortbildung von Lehrkräften zu investieren, damit diese dafür nicht immer wieder zu den Firmen abwandern müssen.
Mein Vorschlag: Es braucht finanzielle Mittel für die Bildung von Communities in denen ein Ideenaustausch stattfindet, gerne angeleitet von der „Spitze“ des Bleistifts.
Zur Person
- Matthias Förtsch ist Lehrer für Englisch und Gemeinschaftskunde (Politik, Wirtschaft und Soziologie) an einem privaten, gebundenen Ganztagsgymnasium in Baden-Württemberg.
- Zusätzlich ist er hauptverantwortlich für die Schulentwicklung an seiner Schule.
- Die Zukunft der Schule interessiert ihn so sehr, dass er darüber auch twittert und regelmäßig in seinem Blog berichtet.
- Für Das Deutsche Schulportal schreibt Matthias Förtsch regelmäßig eine Kolumne.