Zufriedenheit im Lehrerberuf : Wie sich das Wohlbefinden in Studium und Referendariat steigern lässt

Zu wenig Praxisbezug im Studium, zu viel Fach- und zu wenig pädagogisches Wissen, wenig Begleitung und Mentoring – die Liste der Kritikpunkte an Lehramtsstudium und Referendariat ist lang. Das hat Auswirkungen auf das Wohlbefinden angehender Lehrkräfte – so haben 24 Prozent der Referendarinnen und Referendare einer aktuellen Untersuchung zufolge ein Burnout-Risiko. Faktoren, die die Zufriedenheit im Lehrerberuf beeinträchtigen, zeigen auch Daten des Lehramtsstudierenden-Panels zu den Bildungs- und Berufswegen angehender Lehrkräfte, die Ende Mai 2023 vorgestellt wurden.

Junge Lehrerin vor einer Klasse als Symbol für Zufriedenheit im Lehrerberuf
Viele Lehramtsstudierende würden sich während des Studiums mehr Praxiserfahrungen wünschen.
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Die Zahl der Lehramtsstudierenden im ersten Semester ist aktuell rückläufig, die Abbrecherquote im Masterstudium fürs Lehramt steigt, und die Zahl der Lehramtsabsolventinnen ist in den vergangenen zehn Jahren insgesamt um 14 Prozent gesunken. Allein mit der Demografie lässt sich das nicht erklären, denn der Anteil der Lehramtsstudentinnen und -studenten wird auch proportional zur Zahl aller Studierenden kleiner: Machten Lehramtsstudierende 2010 noch 10,1 Prozent aus, waren es 2016 nur noch 8 Prozent. Diese Entwicklung ist insbesondere deshalb besorgniserregend, weil der Lehrermangel heute schon dramatisch ist, und auch in den kommenden Jahren allen Prognosen nach eher noch größer als kleiner wird.

Woran liegt es, dass sich weniger junge Menschen für ein Lehramtsstudium entscheiden? Welche Faktoren spielen eine Rolle für den Austritt aus dem Lehramtsstudium, dem Referendariat oder in den ersten Berufsjahren? Wie ist es um die Zufriedenheit im Lehramtsstudium und im beim Einstieg in den Lehrerberuf bestellt?

Lehramtsstudierenden-Panel zeigt, wie es um die Zufriedenheit im Lehrerberuf steht

Aufschluss zu diesen Fragen gibt das „Lehramtsstudierenden-Panel“ (LAP). Für diese Längsschnittstudie hat das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) über einen Zeitraum von fast zehn Jahren Daten zu den Bildungswegen angehender Lehrkräfte vom Studium bis zum Berufseinstieg erhoben und ausgewertet. Für das LAP, das Ende Mai 2023 vorgestellt wurde, wurden etwa 5.000 Lehramtsstudierende bundesweit befragt. Die Stichprobe bildet alle Lehramtstypen und alle Fächer ab und reicht über beide Phasen der Lehrkräftebildung bis hin zu den ersten Jahren im Schuldienst. Im Kontext der Datensammlung sind bereits einige Studien zur Motivation und Zufriedenheit im Lehrerberuf und im Lehramtsstudium, zu Studienverlauf und Studienabbruch sowie zum Übergang ins Referendariat und in den Beruf entstanden.

Einige dieser Arbeiten wurden bei der LAP-Abschlusskonferenz vorgestellt. Dabei stand zum Beispiel auch die Struktur des Lehramtsstudiums im Fokus, die sich in einigen Punkten grundsätzlich von anderen Fächern unterscheidet. So ist eine Besonderheit des Lehramtsstudiums, dass es im Gegensatz zu den meisten anderen Fächern direkt auf einen spezifischen Beruf zugeschnitten ist. Damit entspricht die Entscheidung für das Lehramtsstudium zugleich der Entscheidung für den Lehrberuf, und diese Entscheidung findet sehr früh statt.

Spannungen zwischen Lehramtsstudium und Referendariat

Schon dieser frühe Zeitpunkt kann das Risiko erhöhen, dass sich Studierende noch mal anders orientieren. Und dadurch, dass die Ausbildung in Studium und Referendariat zweigeteilt ist, stehen die Absolventinnen und Absolventen nach dem Studium erneut vor der Frage, ob sie wirklich Lehrerin oder Lehrer werden wollen. Das kann dann auch nach dem Lehramtsstudium oder im Referendariat zu einem Ausstieg aus dem Beruf führen.

Erschwerend kommt hinzu, dass die beiden ersten Phasen der Lehrerbildung nicht miteinander verzahnt sind. Beim Übergang zwischen Lehramtsstudium und Referendariat kommt es daher oft zu Spannungen. Der Bildungsforscher Manfred Prenzel hat im Interview mit dem Schulportal ein Schnittstellenproblem ausgemacht und mahnt Alternativen zur zweiphasigen Lehrerausbildung an: „Es lohnt sich, über andere Modelle nachzudenken, die eine synergetische Zusammenarbeit zwischen erster und zweiter Phase ermöglichen.“

Lehramtsstudium fehlt „Dach“ wie in anderen Fächern

Wenig überraschend ist es, dass viele Referendarinnen und Referendare den Vorbereitungsdienst in seiner jetzigen Form, also ohne die Verzahnung mit dem Studium, als Praxisschock erleben. Infolge der Pandemie, als das Praxissemester im Masterstudium zu einem großen Teil ausfallen musste oder nur ein Äquivalent im Fernunterricht hatte, hat der Einstieg ins Referendariat zusätzlich für weiteren Stress gesorgt, weil angehende Lehrkräfte hier oft zum ersten Mal überhaupt Praxiserfahrungen sammeln konnten.

Aber es gibt auch schon im Lehramtsstudium Strukturen, die Studierenden Probleme bereiten und damit Zweifel am Berufswunsch aufkommen lassen können. Im Gegensatz zu anderen Studienfächern müssen Lehramtsstudierende abhängig von ihrer Fächerkombination mehr und unterschiedliche Fächer koordinieren, ohne dass das Studium ein eigenes „Dach“ hat, Sie würden sich daher oft weniger integriert, beraten und begleitet fühlen als andere Studierende, haben die Sozialwissenschaftlerinnen Stefanie Gäckle und Claudia Menge vom DZHW herausgefunden. Und auch hier habe die Corona-Pandemie als Verstärker gewirkt, denn in dieser Zeit war das Belastungserleben von Lehramtsstudierenden offenbar höher als bei anderen Studierenden. Diese Punkte können das Wohlbefinden beeinträchtigen und letztlich sogar zum Ausstieg aus dem Lehramtsstudium oder dem Lehrerberuf führen, so die Untersuchung von Gäckle und Menge.

Soziale Unterstützung fördert Zufriedenheit im Lehrerberuf

Die Sozialwissenschaftlerinnen haben aber nicht nur darauf geschaut, welche Faktoren das Wohlbefinden in der Lehrkräfteausbildung beeinträchtigen können, sondern auch, an welchen Stellschrauben man drehen kann, um mehr Zufriedenheit im Lehrerberuf zu erreichen. Dabei halten sie vor allem die soziale Unterstützung während des Studiums, während des Referendariats und dann beim Berufseinstieg für sehr wichtig. Mentoring würde hier eine wichtige Rolle spielen: „Der Grad der wahrgenommenen Unterstützung wirkt sich positiv auf das berufliche Wohlbefinden aus.“

Umgekehrt zeigen sie auch, wie es sich auswirkt, wenn eine konstruktive Unterstützung ausbleibt, denn schon jetzt liege der Anteil der Referendarinnen und Referendare mit einem Burn-out-Risiko bei 24 Prozent.

Auch die Erziehungswissenschaftlerin Julia Hugo von der Universität Erlangen hat sich mit dem Wohlbefinden angehender Lehrkräfte befasst und den Zusammenhang von emotionaler Erschöpfung im Lehramtsstudium und Studienabbruch untersucht. Sie hat in ihren Untersuchungen vor allem hohe Anforderungen im Studium, mangelnde Studienmotivation, Zweifel an der eigenen Eignung und ebenfalls wenig Praxiserfahrungen als Gründe für Unzufriedenheit im Lehrerberuf ausgemacht.

Mehr professionsbezogene Wissensvermittlung

Überdies würden die sich verschärfenden Probleme in den Schulen – vor allem der Lehrermangel und die damit verbundenen Arbeitsbedingungen – diese Zweifel oft noch vergrößern. Auf der Negativliste steht nach Angaben der Studierenden außerdem die Dauer der Lehrerausbildung und die Notwendigkeit, zwei Fächer studieren zu müssen. Oft sei ein Fach ein Wunschfach, das zweite aber eher eine Notlösung. Hinzu kommt dann noch, dass viele Lehramtsstudierende bildungswissenschaftliche Fächer zu wenig integriert sehen und sich eine stärkere professionsbezogene Wissensvermittlung wünschen.

Mehr Praxisbezug im Studium, mehr Unterstützung und Mentoring im Studium und beim Berufseinstieg, ein stärkerer Fokus auf Pädagogik und Bildungswissenschaft im Lehramtsstudium – die Daten des Lehramtsstudierenden-Panel und ihre Auswertung machen die Stellschrauben offensichtlich, an denen gedreht werden könnte, um das Lehramtsstudium wieder attraktiver zu machen und für mehr Zufriedenheit im Lehrerberuf zu sorgen. Man kann gespannt sein, ob diese Punkte auch im Gutachten der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission (SWK) aufgegriffen werden, das Anfang 2024 veröffentlicht werden soll. Olaf Köller, der Ko-Vorsitzende der Kommission, hat jedenfalls schon mal in einem Interview mit dem Bildungsjournalisten Jan-Martin Wiarda angekündigt: „Wir werden wieder für Debatten sorgen.“

Auf einen Blick

  • Das Lehramtsstudierenden-Panel (LAP) ist eine Zusatzstudie zum Nationalen Bildungspanel (NEPS) zur Erforschung von Bildungsverläufen und Bildungsprozessen in Deutschland.
  • Das Projekt LAP wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und vom Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) zusammen mit dem Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) durchgeführt.
  • Die Daten umfassen einen Zeitraum von fast zehn Jahren und ermöglichen eine detaillierte Analyse der Lehramtsausbildung und der beruflichen Situation von Lehrkräften in Deutschland. Außerdem geben die Daten Einblick in die Zufriedenheit im Lehrerberuf und in die Gründe für einen möglichen Studienabbruch bzw. Ausstieg aus dem Lehrerberuf.
  • Zum Lehramtsstudierenden-Panel (LAP) ist eine Publikation im Journal of Open Psychology Data erschienen, die den Datensatz und das Design der Studie beschreibt.