Studie : YouTube ist Bildungsmedium der Jugend

Das Internetportal YouTube ist für Jugendliche ein kulturelles Leitmedium. Lehrkräfte sollten daher stärker für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Online-Medium ausgebildet werden. Zu dieser Einschätzung kommt der Rat für Kulturelle Bildung und bezieht sich dabei auf die Ergebnisse der Studie „Jugend/YouTube/Kulturelle Bildung. Horizont 2019“, die in Berlin vorgestellt worden ist.

Lernen mit YouTube
YouTube wird vielfältig zur Unterstützung von Lernprozessen genutzt, etwa im Musikbereich.
©Rat für Kulturelle Bildung

Mit YouTube gewinnt erstmals ein kommerzieller, nicht öffentlich kontrollierter Player eine zentrale Rolle für den Bildungsprozess von Jugendlichen. Das ist für Eckart Liebau, Vorsitzender des Rates für Kulturelle Bildung, das Ergebnis einer Studie, die im Juni veröffentlicht wurde. Liebau sieht in der Bedeutung YouTubes eine starke Herausforderung für das gesamte Bildungswesen. Dies auch deshalb, weil sich die analogen und digitalen Welten zusehends vernetzten.

Videos werden laut der YouTube-Studie des Rates heutzutage neben klassischen Bildungsangeboten als Inspirationsquellen und Lernunterstützung herangezogen. Diese Tatsache wirkt sich nicht nur auf Schulen aus, sondern auch auf Kultureinrichtungen, wie Theater, Musikschulen, Kunstakademien und Tanzschulen. Sie alle müssten sich der veränderten Situation auf unterschiedliche Weise stellen, heißt es in der Studie.

86 Prozent der mehr als 800 befragten Jugendlichen nutzt laut der repräsentativen Umfrage YouTube. Bei den 12 bis 13-jährigen Nutzerinnen und Nutzern liegt der Wert bei 75 Prozent. Er steigt mit dem Alter an und erreicht bei den 18 bis 19-Jährigen einen Wert von 93 Prozent. 41 Prozent der befragten Jugendlichen nutzen das Medium mehrmals wöchentlich, 38 Prozent täglich oder sogar mehrmals am Tag.

YouTube wird vielfach für schulische Zwecke genutzt

Von den 86 Prozent der Jugendlichen, die YouTube nutzen, meinen 47 Prozent, dass die dort verfügbaren Videos wichtig oder sehr wichtig sind für Themen, die in der Schule behandelt werden. Und mehr als die Hälfte (56 Prozent) der befragten YouTube nutzenden Jugendlichen geht davon aus, dass die Bedeutung des Videoportals und von Webvideos im Allgemeinen in der Schule künftig eher zunehmen wird. Jene Schülerinnen und Schüler, die das Medium bereits unterrichtsbegleitend nutzen, setzen es vorwiegend zur Wiederholung von nicht verstandenem Unterrichtsstoff, für Hausaufgaben und zur Vorbereitung bei Prüfungen ein.

32 Prozent der befragten Schülerinnen und Schüler, die YouTube nutzen, sehen es als nachteilig an, dass keine oder nur indirekt über die Kommentarfunktion Rückfragen zu Videos gestellt werden können, 38 Prozent denken, dass dies zumindest in Teilen ein Problem darstellt. 36 Prozent stimmen teilweise der Aussage zu, dass Videos Lerninhalte nicht so gut darstellen können, wie eine reale Lehrkraft. Der direkte Austausch in der Klasse kann also nicht durch digitale Medien ersetzt werden.

Der Rat für Kulturelle Bildung sieht angesichts der Ergebnisse der Umfrage Lehrkräfte vor neuen Herausforderungen. Sie müssten mehr Kompetenzen für die digitale Begleitung von Lernprozessen entwickeln. Das sei in weiten Teilen noch nicht gegeben. Bund und Länder sollten entsprechende Fortbildungsprogramme entwickeln und finanzieren.

Welche Schlüsse kann man aus der Studie Jugend/YouTube/Kulturelle Bildung des Rates für Kulturelle Bildung ziehen? Eckart Liebau, Vorsitzender des Expertengremiums, im Statement.

©Rat für Kulturelle Bildung

YouTube-Videos im Unterricht kritisch reflektieren

Dies käme den Wünschen vieler Schülerinnen und Schüler entgegen. Sie wünschen sich laut Krüger, dass Lehrkräfte YouTube viel stärker im Unterricht  thematisieren. 60 Prozent aller befragten YouTube-Nutzer würden eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema YouTube im Unterricht begrüßen. Vor- und Nachteile der Plattform sollten besprochen werden, Videos kritisch analysiert und hinterfragt werden. Mehr als die Hälfte der befragten YouTube-Nutzer wollen, dass Lehrkräfte zudem etwa beim Erstellen eigener Videos Unterstützung bieten.

Dies sei möglich, wenn Lehrkräfte entsprechend qualifiziert würden, so Krüger. „Viele Jugendliche haben kreative Ideen, doch es mangelt am Fachwissen für kompetente, qualitative Umsetzungen“, sagt Krüger. Das Interesse der Jugendlichen am Videodreh könnte mit schulischen Themen sinnvoll verknüpft werden.

Krüger sieht auch Institutionen wie die Kultusbehörden in der Pflicht, sich des Themas anzunehmen. Sie müssten Freiräume schaffen, damit die Auseinandersetzung mit YouTube in Schulen funktionieren kann. Ein Festhalten an starren Curricula sei „nicht unbedingt förderlich“, so Krüger. Lehrpläne sollten lieber sinnvoll entschlackt werden.

Urteilsfähigkeit von Schülern trainieren

Nach welchen Kriterien werden Videos von den Jugendlichen ausgesucht? 53 Prozent der Videoportal-Nutzenden geben an, dass sie gezielt nach einem Thema suchen. 36 Prozent schauen sich die über Algorithmen vorgeschlagenen Videos an und klicken sich dann von Video zu Video.

Die wichtigste Empfehlung bei der Auswahl von Videos: der Freundes- und Bekanntenkreis. Ihn nennen 91 Prozent der Befragten YouTube-Nutzer an erster Stelle. Eine Aussage darüber, inwieweit deren Vorschläge wiederum durch YouTube-spezifische Algorithmen beeinflusst sind, liefert die Studie nicht.

Neben Algorithmen und Bekannten haben insbesondere sogenannte Influencer Einfluss auf das Konsumverhalten und die Bildung von Jugendlichen bei YouTube. Beiträge von YouTube-Influencern wie Rezo, Julien Bam oder LeFloid werden von Millionen Jugendlichen regelmäßig konsumiert. 65 Prozent der YouTube-Nutzer haben angegeben, dass deren Beiträge ihnen wichtig bis sehr wichtig sind.

Diese Entwicklung wird nicht ohne Sorge gesehen. Der Rat empfiehlt daher, die Urteilsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler systematisch auszubauen. Es sei wichtig, „die durch ökonomische Interessen geleiteten Darstellungsformen bestimmter Influencer zu thematisieren und kritisch zu hinterfragen“. Medienkritik und Medienökonomiekritik seien essentielle Teile der Medienbildung in der Schule, schlussfolgert Thomas Krüger.

Auf einen Blick

Empfehlungen des Rates für Kulturelle Bildung:

  • Digitalisierung als Aufgabe und Gegenstand der kulturellen Bildung verstehen.
  • Die Bedeutung der neuen Bildungskonstellation für kulturelle Teilhabe nutzen.
  • Konsequenzen aus dem digitalen Lernen über Webvideos ziehen – eigene Formate entwickeln und in Fort- sowie Weiterbildung implementieren.
  • Das Bedürfnis der Jugendlichen aufgreifen, Hilfestellung bei der Erstellung von Videos leisten und Raum für kritische Auseinandersetzung schaffen.
  • Bildungswelten stärker verschränken.
  • Der Rat richtet sich an die Bildungspolitik, den Rahmen für die Entwicklung eines „Dritten Ortes“ für digitale Kulturpraktiken zu schaffen.

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