Qualifizierung : Was macht gute Lehrerfortbildung aus?

Die Corona-Pandemie hat der Lehrerfortbildung neue Impulse gegeben. Vor allem die Digitalisierung und weitere Innovationsprozesse, die infolge der Pandemie angestoßen wurden, haben neue Fortbildungsinhalte und auch neue Formate in den Fokus gerückt. Das Schulportal hat sich aktuelle Studien dazu angeschaut und gibt hier einen Überblick, welche Fortbildungen Lehrkräfte überhaupt besuchen und was eine wirksame Lehrerfortbildung ausmacht.

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Lehrerfortbildung Mann im Seminarraum
Eine gute Lehrerfortbildung bietet den Teilnehmenden auch die Gelegenheit zum Austausch und zur Reflexion.
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Mehr Qualität, mehr Geld und mehr Raum für Fortbildung im Lehrerberuf – das haben jüngst der Deutsche Philologenverband (DPhV) und 15 Fachverbände bei einem Runden Tisch gefordert. Die DPhV-Bundesvorsitzende Susanne Lin-Klitzing sagte: „Schülerinnen und Schüler brauchen hochwertigen Unterricht. Nur so kann Schule wirklich auf das Leben, auf Studium und Beruf vorbereiten. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, warum Lehrkräftefortbildung in Deutschland so vernachlässigt wird.“

Bei der Lehrkräftefortbildung gebe es kaum einen Überblick über Effekte, Formate, Angebote, Nachfragen, Teilnehmende und Kosten. Nach einer Bestandsaufnahme von 2019 hätten die Länder im Schnitt pro Jahr und Vollzeit-Lehrerstelle ca. 173 Euro ausgegeben, so der Philologenverband, bei privatwirtschaftlichen Unternehmen seien es durchschnittlich zwischen 423 und 561 Euro.

Angebote für Lehrerfortbildung haben sich in der Pandemie verändert

Eine deutliche Veränderung bei den Qualifizierungsmöglichkeiten für Lehrerinnen und Lehrer hat sich in der Pandemie ergeben, weil Präsenzangebote kaum stattfinden konnten und manche Themen auf einmal viel wichtiger waren als andere. So hat die Schulleitungsstudie S-CLEVER gezeigt, dass digitales Lernen für die Schulen im Schuljahr 2021/22 oberste Priorität hat und dass mehr als die Hälfte der Lehrkräfte in den Kollegien an schulinternen Fortbildungen zum Einsatz digitaler Medien im Unterricht teilgenommen haben.

Das bestätigt auch eine bundesweite Online-Umfrage der Bildungsorganisation beWirken unter 350 Lehrkräften und Schulleitungen, deren Ergebnisse im Mai 2022 vorgestellt wurden. Abgefragt wurden die Fortbildungsaktivitäten 2021. Demnach war auch hier der am meisten nachgefragte Inhalt vor der Fachdidaktik das digitale Lernen.

Digitalisierung prägt Lehrerfortbildung

Zu diesem Ergebnis kam auch schon die Ende Januar 2022 veröffentliche KWiK-Studie (Kontinuität und Wandel der Schule in Krisenzeiten). Sie zeigt, dass der Fokus bei der Lehrerfortbildung klar auf Themen rund um die Digitalisierung der Schulen liegt. Für die Studie haben das IPN Leibniz-Institut in Kiel, die Universität Hamburg und das Forschungsinstitut IEA sowohl Lehrkräfte als auch Schulleitungen unter anderem zum Fortbildungsverhalten an den Schulen befragt.

Die KWiK-Studie zeigt außerdem, dass sich die digitalen Kompetenzen von Lehrerinnen und Lehrern im Laufe der Corona-Pandemie deutlich verbessert haben. Zurückzuführen sei das vor allem auf eine gestiegene Teilnahme der Lehrkräfte an entsprechenden Fortbildungen. In der KWiK-Studie gaben demnach 477 von befragten 1.026 Lehrkräften an, während der Corona-Pandemie an Fortbildungen zur Integration digitaler Medien in Lehr- und Lernprozesse teilgenommen zu haben. Vor der Pandemie hatten dies lediglich 202 Lehrerinnen und Lehrer getan.

Auch Angebote der Lehrerfortbildung zu Anwendungsprogrammen oder der Nutzung digitaler Medien zur Unterstützung individualisierten oder kooperativen Lernens wurden deutlich häufiger wahrgenommen als vor der Pandemie.

In vielen Schulen hat es auch Fortbildungen für das gesamte Kollegium gegeben, um die digitalen Basisfähigkeiten zu verbessern. Nach Auskunft der Schulleitungen war das in 61 Prozent der Schulen der Fall.

Weniger Fortbildungen zur gezielten Förderung von Schülerinnen und Schülern

Kehrseite des Digitalisierungsschubs in der Lehrerfortbildung ist allerdings, dass andere Themen in der Pandemie deutlich weniger Zulauf hatten. Aus der KWiK-Studie geht hervor, dass zum Beispiel die Teilnahme an Fortbildungen für die Förderung leistungsschwächerer Schülerinnen und Schüler, zum Umgang mit sprachlicher Vielfalt in Lerngruppen oder zum Umgang mit Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf deutlich zurückgegangen ist.

Aus Sicht der an der Studie beteiligten Bildungsforscherinnen und Bildungsforscher kommt es jetzt darauf an, nach der Pandemie wieder ein Gleichgewicht zu schaffen. „Ich freue mich über den Schub, den die Digitalisierung in der Pandemie gemacht hat. Viel zu lange hatten die Schulen in Deutschland hier den Anschluss verloren. Jetzt kommt es aber auch darauf an, dass wir gerade die benachteiligten Kinder und Jugendlichen nicht verlieren“, sagte Olaf Köller, Direktor des IPN Kiel, bei der Vorstellung der Studie. Dafür sei es wichtig, auch die entsprechenden Fortbildungsangebote anzubieten und zu nutzen.

Wunsch nach mehr Fortbildungsveranstaltungen in Präsenz

Gleichgewicht ist auch zwischen analogen und digitalen Fortbildungsveranstaltungen wichtig. Nach einer Umfrage des Deutschen Philologenverbandes, deren Ergebnisse im Juli veröffentlicht wurden, finden mehr als 60 Prozent der befragten Lehrkräfte an Gymnasien, dass zu wenige Fach-Fortbildungen in Präsenz angeboten werden. Bei den digitalen Fach-Fortbildungen ist das Verhältnis umgekehrt. 61 sagen in der Befragung, dass es genug digitale Angebote gibt. Veranstaltungen in Präsenz bieten anderes als rein digitale Veranstaltungen – schon allein, was den Austausch der Lehrkräfte untereinander anlangt. „Deshalb fordert der Deutsche Philologenverband, dass wieder mehr fachliche Fortbildungen in Präsenz angeboten werden, denn rein digitale Veranstaltungen sind eine gute Ergänzung, aber kein Ersatz“, so Susanne Lin-Klitzing, Vorsitzende des Verbands.

Die Qualität der angebotenen Lehrerfortbildungen bewerteten die Befragten hingegen positiv: 75 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer bezeichneten das Niveau der angebotenen Präsenz-Fortbildungen als gut, 25 Prozent waren damit allerdings nicht zufrieden. 70 Prozent der Lehrkräfte waren auch mit dem Niveau der angebotenen Online-Fortbildungen zufrieden.

Welche Themen stehen aktuell im Fokus der Lehrerfortbildung?

Dass die Nutzung digitaler Medien bei der Lehrerfortbildung den größten Raum einnimmt, belegt auch eine Forsa-Umfrage im Auftrag des Schulportals. Dafür wurden im Sommer 2021 Lehrkräfte an allgemein- und berufsbildenden Schulen zu ihren Fortbildungsaktivitäten zwischen 2019 und 2021 befragt.

80 Prozent der Befragten haben demnach in den 24 Monaten des abgefragten Zeitraums mindestens eine Fortbildungsaktivität unternommen, in der es um digitale Medien oder digitale Kommunikation ging. Hier gibt es auch wenig Unterschiede zwischen den Schularten.

Nach dem Thema Arbeit mit digitalen Medien stehen laut der Forsa-Umfrage Fachinhalte und Fachdidaktik mit insgesamt 48 Prozent an zweiter Stelle, wobei mit 57 Prozent die Lehrerinnen und Lehrer an Gymnasien hier am aktivsten waren.

An Position drei standen Fortbildungen  zum individualisierten Lernen. Insgesamt setzten sich damit in der Lehrerfortbildung 34 Prozent auseinander, bei Lehrkräften von Grundschulen waren es 38 Prozent, bei Lehrkräften an Gymnasien hingegen nur 29 Prozent.

Weitere Themen der Lehrerfortbildung waren Veränderungsprozesse an Schulen (31 %), Verhalten von Schülerinnen und Schülern (29 %), Methoden der Leistungsbeurteilung (24 %) und Unterrichten von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf (24 %).

Die Ergebnisse der Forsa-Umfrage für das Schulportal zur Lehrerfortbildung stehen hier zum Download bereit:

Welche Formate werden für Fortbildungsaktivitäten genutzt?

Forsa hat die Lehrerinnen und Lehrer außerdem danach gefragt, auf welche Weise sie sich fortbilden. Das Offline-Lesen von Fachliteratur steht damit an erster Stelle, gefolgt vom Online-Lesen von Fachliteratur. Um sich fortzubilden, lasen offline 72 Prozent der befragten Lehrkräfte Fachliteratur mehrfach zwischen Sommer 2019 und Sommer 2021, online taten dies 70 Prozent. An dritter Stelle standen mit 65 Prozent Online-Seminare.

Die Mehrheit der Lehrerinnen und Lehrer (61 %) gab zum Befragungszeitpunkt an, in den 24 Monaten zuvor auch mindestens einmal an Fachtagungen oder Konferenzen teilgenommen zu haben, auf denen Lehrkräfte, Schulleitungen oder Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft pädagogische Fragen diskutiert haben. 58 Prozent haben einmal oder häufiger Kurse oder Seminare in Präsenz besucht. Die Teilnahme an Veranstaltungen in Präsenz war allerdings seit März 2020 nur noch eingeschränkt möglich.

Und hier zeigt sich dann auch eine deutliche Verschiebung während der Corona-Pandemie, wenn man auf die Ergebnisse der Umfrage von beWirken schaut. Demnach haben die meisten Lehrkräfte 2021 nach Online-Angeboten bei Fortbildungen vor allem kürzere Formate von drei bis acht Stunden besucht. Mehrtägige Seminare wurden deutlich weniger wahrgenommen.

Jüngere Lehrkräfte nutzen Unterrichtsbesuche eher zur Fortbildung als ältere

Laut der Forsa-Umfrage ist ein wichtiges Instrument in der Lehrerfortbildung der Austausch innerhalb des Kollegiums und mit Lehrkräften anderer Schulen. So haben sich 55 Prozent der Befragten zu Fortbildungszwecken an einem Netzwerk von Lehrerinnen und Lehrern beteiligt. 46 Prozent der Lehrkräfte haben ihren Unterricht durch Kolleginnen und Kollegen beobachten lassen. Dies haben mehr jüngere Lehrkräfte unter 40 Jahren gemacht (61 %) als ältere (40 %). Ein Coaching oder Mentoring hat rund ein Drittel (36 %) mindestens einmal zur Fortbildung genutzt. An einer anderen Schule hospitierten 19 Prozent. Am Ende der Liste stehen formelle Qualifikationsprogramme. 7 Prozent haben mehrmals, 10 Prozent einmal an einer solchen Maßnahme teilgenommen.

Bei den Fortbildungsaktivitäten gibt es allerdings einige Unterschiede zwischen den Schularten. Während Lehrkräfte an Grundschulen und berufsbildenden Schulen überproportional viel Fachliteratur lesen, nehmen Lehrerinnen und Lehrer an Förderschulen häufiger an Online-Kursen teil. Außerdem haben im Vergleich zu anderen Schularten mehr Lehrkräfte an Förderschulen Unterrichtsbeobachtungen durch Kolleginnen und Kollegen zur Fortbildung genutzt und auch mehr an anderen Schulen hospitiert. Von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern an Fachtagungen und Konferenzen kommen hingegen die meisten vom Gymnasium. Insgesamt ist die Beteiligung an den genannten Fortbildungsaktivitäten bei Lehrerinnen und Lehrern an Haupt-, Real- und Gesamtschulen am niedrigsten.

Wie finden Lehrkräfte Fortbildungsangebote?

Laut der bundesweiten Umfrage von beWirken nehmen viele Befragte schulinterne Angebote für die Lehrerfortbildung wahr, suchen aber auch eigenständig nach Fortbildungsangeboten. Als Quelle dient ihnen dabei vor allem das Internet: Hier orientieren sie sich auf verschiedenen Plattformen und den digitalen Katalogen der Landesinstitute zur Lehrerfortbildung. Sie entscheiden sich dann offenbar eher für Angebote von Bildungsorganisationen und –vereinen (64 Prozent) als von staatlichen Landes- oder Medieninstituten (51 Prozent).

Was sind die größten Hürden bei der Lehrerfortbildung?

Die meisten Lehrkräfte, die die Bildungsorganisation beWirken befragt hat, sehen das größte Hindernis bei der Lehrerfortbildung in den mangelnden zeitlichen Ressourcen. Dem stimmten 78 Prozent der Befragten zu. 45 Prozent nennen hingegen einen Mangel an passendem Fortbildungsangebot als Problem. Ein Viertel der Befragten gaben an, dass es Hürden bei der Genehmigung einer Fortbildung gab. 

Entsprechend wünschen sich fast 40 Prozent der Befragten mehr Übersichtlichkeit der Angebote. Ein Viertel spricht sich dafür aus, Lehrerinnen und Lehrer mehr zeitliche Ressourcen für die Lehrerfortbildung zur Verfügung zu stellen. 

Drei Viertel der Befragten sehen auch inhaltlichen Veränderungsbedarf und wünschen sich eine stärkere Verknüpfung von Fortbildung und Schulpraxis.

Was zeichnet eine wirksame Lehrerfortbildung aus?

Der Schul- und Unterrichtsforscher Frank Lipowsky hat zusammen mit Daniela Rzejak von der Universität Kassel zehn Merkmale bestimmt, die eine Lehrerfortbildung wirksam machen, die also tatsächlich zur Weiterentwicklung des Unterrichts und zur Weiterentwicklung der Kompetenzen der Lehrkräfte beitragen. In einem Gastbeitrag für Bildung.Table hat er außerdem betont, dass in der Lehrerfortbildung vor allem die Zusammenarbeit mit Universitätn sehr wichtig sei.

Auch die Bildungsexpertin Alexandra Marx hat die Kriterien für eine gute Lehrerfortbildung in einem Gastbeitrag für das Schulportal zusammengefasst:

  • Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Fortbildung brauchen genug Zeit zum Lernen und um komplexe Handlungsroutinen zu verinnerlichen.
  • In einer guten Fortbildung muss es Phasen für Input, Erprobung und Reflexion geben.
  • Lehrkräfte brauchen Feedback zu ihrem Lernprozess.
  • Besonders wirksam und nachhaltig sind Fortbildungen, wenn ganze Fachgruppen oder Kollegien daran teilnehmen, weil dann Austausch und Zusammenarbeit in der Schule eher möglich sind.
  • Die Schulleitung sollte mit an Bord sein, wenn es darum geht, nach einer Fortbildung neue Prozesse in der Schule zu etablieren.
  • Lehrkräfte brauchen Unterstützung beim Transfer der in der Fortbildung gelernten Inhalte in den Schulalltag.

Nur wenn diese Kriterien eingelöst werden, sei eine nachhaltige Wirkung möglich, schreibt Alexandra Marx in ihrem Beitrag. „Eine nachhaltige Fortbildung muss tiefergreifende Lernprozesse ermöglichen und zur Reflexion anregen; sie muss es erlauben, das Gelernte anzuwenden, Fehler zu machen und auch aus diesen zu lernen.“

Schlechte Noten für die Lehrerfortbildung in Deutschland

Häufig verpufft die Wirkung einer Fortbildungsveranstaltung allerdings, wenn der dort gewonnene Impuls auf die Gewohnheiten im Schulalltag trifft und ein Transfer auf zu viele Hürden. So verwundert es nicht, dass die Lehrkräftefortbildung in Deutschland in einer Studie 2019 insgesamt schlechte Noten bekommen hat.

Deutschland legt im internationalen Vergleich sehr viel mehr Wert auf die Erstausbildung und leider deutlich weniger Wert auf die Fortbildung der 800.000 Lehrkräfte im Dienst.
Peter Daschner, ehemaliger Direktor des Hamburger Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung

Obwohl sich die Lehrerbildung in drei Phasen gliedert – Lehramtsstudium, Referendariat und Lehrerfortbildung –, stehe diese dritte Phase im Schatten der ersten beiden, sagt Peter Daschner, der ehemalige Direktor des Hamburger Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung und Leiter der Studie. „Deutschland legt im internationalen Vergleich sehr viel mehr Wert auf die Erstausbildung und leider deutlich weniger Wert auf die Fortbildung der 800.000 Lehrkräfte im Dienst.“

In der Studie, in der ein Expertenteam zunächst eine Bestandsaufnahme der Lehrerfortbildung in den Ländern vorgenommen hat, werden verschiedene Versäumnisse ausgemacht: Es gebe zu wenig Austausch der Bundesländer untereinander und es fehle an Transparenz und Vergleichbarkeit.

Was bringt eine Fortbildungspflicht?

Die Vorgaben zur Lehrerfortbildung sind in den Ländern sehr unterschiedlich. In einigen Ländern gibt es eine allgemeine Fortbildungspflicht, in anderen Ländern gibt es konkrete Leitlinien, und teilweise geben sie auch einen konkreten zeitlichen Fortbildungsumfang vor. In vielen Ländern liegt die Verantwortung für die Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen allein bei den Lehrkräften, teilweise können aber auch Schulleitungen ihr Personal zu entsprechenden Qualifizierungen verpflichten. Eine Übersicht der rechtlichen Vorgaben hat die Kultusministerkonferenz hier zusammengestellt. Als Reaktion auf die Kritik hat sich die KMK 2020 auch in einem Beschluss auf länderübergreifende Eckpunkte in der Lehrerfortbildung verständigt.

Inwieweit eine Fortbildungspflicht die Bereitschaft unter Lehrerinnen und Lehrern fördert, an Qualifizierungsmaßnahmen teilzunehmen und die dort gewonnen Impulse auch tatsächlich umzusetzen, ist umstritten. Jenny Kuschel, Rebecca Lazarides und Dirk Richter vom Arbeitsbereich Erziehungswissenschaftliche Bildungsforschung der Universität Potsdam kommen 2020 in der Studie „Wie relevant ist die gesetzliche Fortbildungsverpflichtung für Lehrkräfte?“ zu folgendem Ergebnis: „Die Ergebnisse verweisen darauf, dass sich die Teilnahme an Fortbildungen nur in begrenztem Ausmaß durch gesetzliche Vorgaben steuern lässt.“

Auch in den Ländern, die eine Mindestzeit für die Lehrerfortbildung vorsehen, zeigte sich kein höherer Anteil an Lehrkräften, die an einer Fortbildung teilnehmen. Das Autorenteam plädiert daher dafür, neue Ansätze zu suchen, um Lehrerinnen und Lehrer zu einer Fortbildungsteilnahme zu motivieren. In anderen Ländern, zum Beispiel in Spanien, sei die Teilnahme an Fortbildungen zum Beispiel freiwillig, werde aber mit einer Gehaltserhöhung und Aufstiegsmöglichkeiten verknüpft. Außerdem könnten neue Formate in der Lehrerfortbildung Anreize schaffen. Insbesondere in der Corona-Pandemie habe sich das ohnehin als notwendig erwiesen.

Wie könnten Schulleitung und Schulverwaltung bei der Lehrerfortbildung besser zusammenarbeiten?

Mark Rackles, ehemaliger Staatssekretär der Berliner Bildungsverwaltung, mahnt in einer neuen Untersuchung für das Forum Bildung Digitalisierung mehr Flexibilität und eine Vereinfachung der Prozesse in der Lehrerfortbildung an. Er wünscht sich, dass Schulleitungen, Schulträger und Schulaufsicht gerade beim Thema Qualifizierung enger zusammenarbeiten. „Wenn die Schule ihre Lehrkräfte für die Nutzung bestimmter digitaler Tools zeitnah schulen will, wird sie ausgebremst, wenn sie erst mal zum Dienstleister des Landes geht und einzelne Lehrkräfte dann nach einigen Monaten zu einer zweitägigen Fortbildung schicken kann“, sagt er im Interview mit dem Schulportal zur Vorstellung des Impulspapiers.

Er plädiert auch dafür, mehr schulinterne Fortbildungen durchzuführen, „vielleicht auch als Mikrofortbildungen und mit non-formalen Formaten“. Non-Formale Formate sind – oft kürzere – berufsbegleitende Lehrgänge oder Kurse, die nicht wie bei der formalen Bildung zu einem bestimmten Abschluss führen, sondern der Kompetenzsteigerung in einem bestimmten Bereich – also zum Beispiel der Nutzung digitaler Medien für den Unterricht – dienen. Um Schulen hier mehr Möglichkeiten und Freiräume zu geben, bräuchte es aber auch dezentrale Fortbildungsbudgets.

Neue Initiative des Bundes für die Lehrerfortbildung

Damit Lehrkräfte ihre Kompetenzen im digital gestützten Unterrichten verbessern können, hat das Bundesbildungsministerium 2022 die Einrichtung von insgesamt vier Kompetenzzentren auf den Weg gebracht. Die Zentren sollen eng mit den Fortbildungsinstituten der Länder zusammenarbeiten. „Wir müssen unsere Lehrerinnen und Lehrer als Dreh- und Angelpunkte der digitalen Bildung mit Fortbildungsangeboten in diesem Bereich stärken”, sagte Bundesbildungsminsterin Bettina Stark-Watzinger (FDP) bei der Vorstellung der Initiative im Juni 2022.

Den Anfang macht ein Kompetenzzentrum für MINT-Fächer, drei weitere sollen folgen. Gefördert werden im MINT-Kompetenzzentrum Verbundprojekte, die das Ziel verfolgen, digitalisierungsbezogene Fort- und Weiterbildungsangebote in den MINT-Fächern (Biologie, Chemie, Informatik, Mathematik, Physik, Sachkunde) zu entwickeln.

Mehr zum Thema

  • Weitere Beiträge und Impulse zur Lehrerfortbildung hat das Schulportal in einem Dossier zusammengestellt: