Sinkende Berufszufriedenheit : Warum Schulleitungsstellen oft schwer zu besetzen sind

An etwa jeder vierten Schule war im vergangenen Schuljahr die Stelle der Schulleitung oder Stellvertretung nicht regulär besetzt. Das ist das Ergebnis einer Sonderauswertung des Deutschen Schulbarometers. In der repräsentativen Umfrage der Robert Bosch Stiftung wurden Lehrkräfte nach vakanten Schulleitungsstellen an ihrer Schule im vergangenen Schuljahr befragt. Durch die Corona-Pandemie könnte sich dieses Problem weiter verschärfen. Schulleitungen sind überlastet und die Arbeitsmotivation sinkt. Das zeigt die aktuelle Befragung von Schulleitungen durch den Verband Bildung und Erziehung (VBE). Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des VBE, erklärt, warum es oft schwer ist, Bewerberinnen und Bewerber für Schulleitungsstellen zu finden und wie die Belastungen für Schulleitungen während der Corona-Pandemie gestiegen sind.

"Schulleitung" steht auf einem Schild an der Bürotür.
Ein Fünftel der Schulleitungen unter 40 Jahren geht davon aus, den Job in zehn Jahren nicht mehr zu machen.
©Arne Dedert/dpa

In Coronazeiten sind die Schulleitungen im Dauereinsatz, sie kommunizieren mit den Gesundheitsämtern, setzen die neuesten Schutzmaßnahmen der Verwaltung um, kämpfen um Luftfilter, sind Ansprechpersonen für das Kollegium, für Eltern und für Schülerinnen und Schüler. Gleichzeitig sind neue Konzepte für den Online-Unterricht mit digitalen Medien gefragt, um Schülerinnen und Schüler auch zuhause erreichen zu können.

Doch was, wenn in dieser Ausnahmesituation offene Stellen in der Schulleitung gar nicht regulär besetzt werden können?

Das betrifft immerhin jede vierte Schule, wie eine Sonderauswertung des Deutschen Schulbarometers zeigt. In der repräsentativen Umfrage der Robert Bosch Stiftung gaben insgesamt 28 Prozent der Lehrkräfte an, dass eine Stelle der Schulleitung oder der stellvertretenden Schulleitung im Schuljahr 2020/21 nicht besetzt war. 11 Prozent der Befragten arbeiteten an einer Schule, an der die Schulleitungsstelle vakant war, bei 17 Prozent der Lehrkräfte war die Stelle der stellvertretenden Schulleitung im Schuljahr 2020/21 offen.

Die besondere Belastung durch die Corona-Pandemie könnte dieses Problem noch verschärfen. Das zeigt die Umfrage des Verbandes Bildung und Erziehung, die anlässlich des Deutschen Schulleiterkongresses am 26. November veröffentlicht wurde. Von Mitte September bis Ende Oktober wurden dafür bundesweit 1.300 Schulleitungen allgemeinbildender Schulen befragt.

Während 2018 noch 73 Prozent der Schulleiterinnen und Schulleiter sagten, dass sie ihren Beruf wahrscheinlich oder auf jeden Fall weiterempfehlen würden, waren es 2021 nur noch 51 Prozent. Die größten Probleme sahen die Befragten an ihrer Schule beim Lehrkräftemangel und in den aktuellen Corona-Maßnahmen. 2018 hatten 36 Prozent der Schulleitungen mit unbesetzten Stellen zu kämpfen, 2021 waren es 63 Prozent. Die hohe Belastung könnte dazu führen, dass die vakanten Stellen in den Schulleitungen in diesem Corona-Schuljahr noch schwerer zu besetzen sind als in den vergangenen Jahren schon.

„Die neue Generation Schulleitungen steht gerade akut auf der Kippe“

Das Schulportal hat den Bundesvorsitzenden des Verbandes Bildung und Erziehung, Udo Beckmann, gefragt, wie sich die unbesetzten Schulleitungsstellen im Schulalltag auswirken und warum es so schwer ist, für diese Posten genügend Bewerberinnen und Bewerber zu finden.

Schulportal:Was bedeutet es für Schulen in der Corona-Krise, wenn Schulleitung oder Stellvertretung nicht besetzt sind?
Udo Beckmann:
Eine Schule ohne Leitung wird sich insgesamt weniger weiterentwickeln können als eine Schule mit funktionierender Leitung. Solange die Schulleitungsstelle nicht besetzt ist, wird in der Regel eine Lehrkraft mit der Leitung beauftragt. Dies führt dann wieder zu einer weiteren Arbeitsverdichtung der ohnehin schon hoch belasteten Lehrkräfte.

Udo Beckmann
Udo Beckmann
©VBE

Die Schulleitung ist aber nicht nur schulintern die Schaltzentrale, sondern bildet auch die Schnittstelle nach außen. Diese Funktion hat in der Pandemie natürlich unglaublich an Bedeutung gewonnen. Ständig wechselnde Verordnungen müssen zeitnah umgesetzt werden. Eine Schulleitung berichtete mir aus ihrem persönlichen Arbeitsalltag, dass die Dichte der Direktiven sich in der Pandemie fast verzwanzigfacht hat. Waren 2019 noch drei Anweisungen umzusetzen, waren es 55 im Jahr 2020.

Warum entscheiden sich viele Lehrkräfte dagegen, eine Stelle in der Schulleitung anzunehmen?
Der Unterschied zwischen den neuen Verpflichtungen auf der einen Seite und der Bezahlung auf der anderen könnte kaum größer sein. Eine Vielzahl neuer Aufgaben, größtenteils aus der Verwaltung der Schule und die zunehmende Verantwortung einer solchen Funktionsstelle stehen der Tatsache gegenüber, dass der finanzielle Zugewinn gering ist.

Es kommt verstärkend hinzu, dass Lehrkräfte die Erfahrung machen, dass Schulleitungen von der Politik im Regen stehen gelassen werden. In unserer aktuellen Berufszufriedenheitsumfrage gaben auf die Frage nach den größten Belastungsfaktoren 80 Prozent der Schulleitungen an, dass Politikerinnen und Politiker bei ihren Entscheidungen den tatsächlichen Schulalltag außer Acht lassen. Es ist also breiter Konsens unter den Schulleitungen. Sie brauchen mehr Anrechnungsstunden, mehr Zeit, um ihrer Leitungsfunktion nachkommen zu können, multiprofessionelle Teams und endlich eine bessere finanzielle Ausstattung. Schulleitungen erfahren ständig, dass Politik ihnen neue Aufgaben zuweist, aber die für die Umsetzung erforderlichen Ressourcen verweigert.

Insbesondere die neue Generation Schulleitungen steht gerade akut auf der Kippe. Ein Viertel von ihnen gibt an, den eigenen Beruf auf keinen Fall weiterzuempfehlen. Da verwundert es nicht, dass gut ein Fünftel der Schulleitungen unter 40 Jahren davon ausgeht, den Job in zehn Jahren nicht mehr zu machen. Fast ein Viertel ist unentschlossen. Das ist ein Armutszeugnis und verheißt eine düstere Zukunft.

Wie wirkt sich der Lehrkräftemangel auf Funktionsstellenbesetzungen aus?
Es gibt einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Mangel an Lehrkräften und Schulleitungen. Vereinfacht gesagt: Wo Lehrkräfte fehlen, fehlen auch „Aufsteigerinnen und Aufsteiger“. Verstärkt durch die besondere Belastungssituation von Schulleitungen, die Lehrkräfte jeden Tag mitbekommen.