Studie : Schlechte Noten für die Lehrkräftefortbildung
Zu wenig Transparenz, Vergleichbarkeit, Qualität und Kooperation: Die aktuelle Studie „Lehrkräftefortbildung in Deutschland. Bestandsaufnahme und Orientierung“ bemängelt Organisation und Ausstattung der Lehrerinnen- und Lehrerfortbildung in Deutschland. Die Kritik bleibt nicht ungehört: Die Kultusministerkonferenz (KMK) will nun Empfehlungen „für eine verbesserte Transparenz, Vergleichbarkeit, Qualität und länderübergreifende Kooperation in der Lehrkräftefortbildung“ erarbeiten.
Digitalisierung, Inklusion oder auch die Integration von Geflüchteten: Das sind die Herausforderungen, die viele Lehrende bewältigen müssen, obwohl sie nie Teil ihrer Ausbildung waren. Weil sich die gesellschaftliche Realität fortlaufend ändert, ist es nicht möglich, angehende Lehrkräfte auf alle sich daraus ergebenden Themen bereits im Studium oder Referendariat vorzubereiten. Hier bedarf es der kontinuierlichen professionellen Fortbildung. „Zur Berufsfertigkeit braucht es die Erfahrung der Praxis, die kollegiale Reflexion und die Adaption von Expertenwissen“, sagt Peter Daschner, der ehemalige Landesschulrat und Direktor des Hamburger Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung.
Auf dem Papier erkennen die Schulgesetze aller Bundesländer an, wie wichtig die Fortbildung ist – sie erklären sie sogar zur Pflicht für alle Lehrerinnen und Lehrer. In der Praxis gelten diese Vorgaben allerdings nur sehr bedingt. Zu diesem Ergebnis kommt ein Expertenteam um Peter Daschner in einer Studie, die im Frühjahr 2019 unter dem Titel „Lehrkräftefortbildung in Deutschland. Bestandsaufnahme und Orientierung“ im Verlag Beltz Juventa erschienen ist.
Schon ein Blick auf die Ressourcen zeigt: Verglichen mit dem Aufwand für die Lehrkräftefortbildung ist den Unternehmen in Deutschland die Weiterqualifizierung ihrer Beschäftigten im Schnitt etwa dreimal so viel wert. Wird eine kontinuierliche Fortbildung der Lehrenden also vernachlässigt? Die Lehrkräftefortbildung in Deutschland stehe jedenfalls im Schatten von Studium und Referendariat, heißt es in der Bestandsaufnahme. „Deutschland legt im internationalen Vergleich sehr viel mehr Wert auf die Erstausbildung und leider deutlich weniger Wert auf die Fortbildung der 800.000 Lehrkräfte im Dienst“, sagt Peter Daschner.
Angebote der Lehrkräftefortbildung sind oft einmalige Kurse ohne Nachbearbeitung
In ihrer Untersuchung zeigen die Autorinnen und Autoren verschiedene Versäumnisse bei der Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern in Deutschland auf. So fehlt es vor allem an Transparenz: Es gibt keine regelmäßige und öffentliche Berichterstattung über Angebote, Nachfrage, Teilnehmende, Formate, Kosten und Effekte. Überhaupt ist es nur in drei Bundesländern festgelegt, wie viele Stunden pro Jahr die Lehrenden für die Fortbildung aufwenden müssen. Zudem tauschen sich die meisten Bundesländer der Studie zufolge fast gar nicht zum Thema Lehrkräftefortbildung aus. Eine verbindliche Zusammenarbeit findet nicht statt.
Auch bemängelt die Studie, dass der Fortbildungsbedarf in den einzelnen Bundesländern kaum systematisch erfasst wird. Bezüglich der gängigen Formate sehen die Autorinnen und Autoren ebenfalls Veränderungsbedarf. Wenn Lehrerinnen und Lehrer an Fortbildungen teilnehmen, dann handele es sich meist um einmalig stattfindende Kurse ohne Nachbearbeitung oder Fortsetzung. Um nachhaltig zu wirken, müssten Fortbildungen jedoch sequenziell, also aufeinander aufbauend, angelegt sein – mit Input- und Erprobungsphase, Reflexion sowie Austausch mit Kolleginnen und Kollegen. „Das ist natürlich aufwendiger“, sagt Daschner, „aber dafür auch wirksamer.“
Lehrkräftefortbildung in Deutschland ist laut Studie unterfinanziert
Wie viel Geld die Länder für die Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer bereitstellen, lässt sich nur schwer feststellen. Die Pro-Kopf-Ausgaben schwanken je nach Bundesland zwischen 92 Euro und 611 Euro, wie Zahlen aus dem Jahr 2014 zeigen. Die enormen Unterschiede lassen sich zum Teil damit erklären, dass die Länder solche Fortbildungen unterschiedlich definieren. So rechnete das Bundesland mit dem höchsten Wert einfach die Ausgaben für das Referendariat hinzu.
Aus den Daten des Statistischen Bundesamtes ergibt sich jedenfalls: Die Ausgaben für Fortbildungen sind zwischen 2002 und 2015 um 10 Prozent gesunken, während die Ausgaben für die Schulen insgesamt um 36 Prozent gestiegen sind. Unterfinanziert sei diese wichtige Aufgabe in Deutschland in jedem Fall, konstatieren die Autorinnen und Autoren der Studie.
Verbände für Lehrende fordern mehr Transparenz, Vergleichbarkeit und Kooperation bei der Lehrkräftefortbildung
Sie fordern gemeinsam mit dem Deutschen Verein zur Förderung der Lehrerinnen- und Lehrerfortbildung e. V. (DVLfB) und den beiden großen Fachgewerkschaften Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und Verband Bildung und Erziehung (VBE) eine „regelhafte Berichterstattung nach definierten Kriterien“, die künftig Transparenz und Vergleichbarkeit herstellen soll. Außerdem wünschen sie sich, dass die Länder „konkrete Felder bestimmen, auf denen sie arbeitsteilig zusammenarbeiten wollen“, wie Daschner erklärt. Die Idee: Wer beispielsweise auf dem Feld der Digitalisierung oder des computergestützten Lernens schon weiter fortgeschritten ist, unterstützt die anderen Länder bei der Entwicklung eines Masterplans. „Wir brauchen eine Kultur für Kooperationen“, sagt Daschner.
Einen ersten Erfolg haben die Autorinnen und Autoren der Studie bereits erzielt. Im März hat die Kultusministerkonferenz auf Antrag Hamburgs beschlossen, eine Kommission aus Vertreterinnen und Vertretern der Länder, der Wissenschaft und der Verbände für Lehrende einzusetzen, die Empfehlungen „für eine verbesserte Transparenz, Vergleichbarkeit, Qualität und länderübergreifende Kooperation in der Lehrkräftefortbildung“ erarbeiten soll. „Dies ist der erste Beschluss der Kultusminister zum Thema Fortbildung“, sagt Peter Daschner. „Spät, aber immerhin.“
Auf einen Blick
Die umfangreiche Studie zur Lehrkräftefortbildung in den 16 Bundesländern erschien im Rahmen eines Projekts des Deutschen Vereins zur Förderung der Lehrerinnen- und Lehrerfortbildung e. V. (DVLfB) und wurde gefördert von der Robert Bosch Stiftung und der Max-Traeger-Stiftung. Sie ist im Frühjahr 2019 im Verlag Beltz Juventa erschienen.
Peter Daschner, Rolf Hanisch (Hrsg.): „Lehrkräftefortbildung in Deutschland. Bestandsaufnahme und Orientierung“, Beltz Juventa, 232 Seiten, 24,95 Euro. Erschienen im März 2019.