Schulrecht : Können Schulferien gekürzt werden?

In der Corona-Pandemie ist immer wieder im Gespräch, Schulferien zu kürzen, um ausgefallenen Unterricht nachzuholen. Zuletzt hat Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) einen entsprechenden Vorschlag für die Sommerferien eingebracht. An den Schulen in Bayern wurden in diesem Winter schon die Faschingsferien gestrichen, in Sachsen und Thüringen wurden die Winterferien verschoben. Inwieweit dürfen Kultusministerien Schulferien kürzen? Gibt es einen Anspruch auf Schulferien? Ist Unterricht in der zusätzlichen Schulzeit verpflichtend oder freiwillig? Regelmäßig beantwortet Schulrechtsexperte Thomas Böhm auf dem Schulportal die wichtigsten Fragen zum Schulrecht – diesmal zu den Schulferien.

Schulrecht Paragraf vor Schultafel
Im Schulalltag stehen Lehrkräfte immer wieder vor Situationen, in denen die Rechtslage kompliziert ist. Unser Schulrechtsexperte bietet Aufklärung.

Deutsches Schulportal: Unter welchen Umständen und in welchem Umfang können Schulferien gekürzt werden?
Thomas Böhm: Grundlage der Ferienregelungen sind Beschlüsse der Kultusministerkonferenz (KMK) und Absprachen der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, also die Selbstkoordination der Länder. In dem neuesten Beschluss der Kultusministerkonferenz wird, ebenso wie in einem alten Abkommen, die Gesamtdauer der Ferien mit 75 Werktagen angegeben – dazu zählen allerdings auch zwölf Samstage. In den Schulgesetzen wird dann den Kultusministerien die Befugnis übertragen, Ferienregelungen in Form von Verwaltungsvorschriften zu treffen.

Diese Vorschriften der Ministerien sind für die Schulen des jeweiligen Landes verbindlich. Sie können aber auch durch das Ministerium des jeweiligen Landes wieder geändert werden. Eine Kürzung der Ferien oder auch eine Verlegung von Ferien ist daher möglich. Regelungen zu den Umständen, unter denen Ferien gekürzt werden können, und zum Umfang gibt es in den Schulgesetzen nicht.

Muss so eine Regelung landesweit getroffen werden, oder können auch einzelne Schulen oder Schulen einer Kommune eine Streichung oder Kürzung von Schulferien beschließen?
Die Regelungen gelten jeweils landesweit. Weder einzelne Schulen noch Schulen in einer Kommune haben eine rechtliche Grundlage für eine Streichung oder Kürzung von Schulferien. Die meisten Länder sehen aber in ihren Vorschriften einige bewegliche Ferientage vor. Über deren Lage, aber nicht über deren Anzahl können die einzelnen Schulen selbst entscheiden.

Lehrkräften stehen 30 Urlaubstage zu

Wie viele Urlaubstage haben Lehrkräfte eigentlich? Und können sie selbst entscheiden, wann sie sie innerhalb der Schulferien nehmen?

Die Urlaubstage der Lehrerinnen und Lehrer entsprechen den Urlaubstagen im öffentlichen Dienst, und das sind 30 Urlaubstage. Diese Urlaubstage gelten mit den Schulferien als abgegolten. Die Lehrkräfte können grundsätzlich entscheiden, wann sie sie innerhalb der Schulferien ihre Urlaubstage nehmen – es sei denn, sie werden zu bestimmten Zeiten in den Ferien zu dienstlichen Tätigkeiten verpflichtet. Die meisten Länder haben solche Verpflichtungen in der letzten Woche oder an den letzten Tagen der Sommerferien beispielsweise für Nachprüfungen, Konferenzen und Fortbildungen festgelegt.

Und was ist mit den restlichen Tagen der Schulferien – welche Vorgaben gibt es für die unterrichtsfreie Zeit? Welche Aufgaben haben Lehrkräfte in dieser Zeit? Müssen sie in dieser Zeit immer erreichbar sein?
Für die meisten Tage der Schulferien, die keine Urlaubszeit sind, gibt es keine Vorgaben, welche dienstlichen Tätigkeiten auszuführen sind. Die Lehrerinnen und Lehrer entscheiden dann selbst, welche Tätigkeiten notwendig oder sinnvoll sind. Sie müssen in dieser Zeit allerdings sicherstellen, dass der Zugang dienstlicher Mitteilungen möglich ist.

Lernangebote in den Schulferien sind freiwillig

Wie ist es bei den Schülerinnen und Schülern – haben sie einen Anspruch auf Schulferien? Und wenn ja, in welchem Umfang?
Schülerinnen und Schüler haben sicherlich einen Anspruch auf Schulferien, sie können aber aus den Beschlüssen der KMK und den länderspezifischen Regelungen keinen unmittelbaren individuellen Anspruch auf eine bestimmte Anzahl an Ferientagen ableiten, da ihnen diese Vorschriften keinen einklagbaren subjektiven Anspruch verleihen. Ein bestimmter Mindestumfang der Ferien ist schwierig zu bestimmen, er dürfte aber sicherlich über dem Urlaubsanspruch der Beschäftigten im öffentlichen Dienst liegen, also mehr als 30 Werktage betragen.

Können Schülerinnen und Schüler dazu verpflichtet werden, in den Schulferien zur Schule zu gehen, oder müssen Lernangebote in den Ferien freiwillig sein?
Lernangebote in den Ferien müssen freiwillig sein. Wenn die Ferien allerdings landesweit gekürzt wurden, ist der Unterricht in dieser zusätzlichen Schulzeit für alle Schülerinnen und Schüler verpflichtend.

Was ist, wenn Lehrkräfte oder Familien schon Urlaubsreisen gebucht haben und diese Reisen in der Zeit liegen, in der nun Unterricht sein soll?
Das ist eine Frage für Expertinnen und Experten für Reiserecht sowie Arbeits- und Dienstrecht. Lehrkräfte und Eltern können aber nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass das Land in jedem Fall für die entstandenen Kosten aufkommen muss. Eine der üblichen Reiserücktrittsversicherungen wird die Kosten auch nicht übernehmen. Lehrkräfte und Eltern müssten sich also im Einzelfall rechtlich beraten lassen, ob sie Ansprüche gegen das Land geltend machen können.

Zur Person

Porträt Thomas Böhm, Experte für Schulrecht
Experte für Schulrecht: Thomas Böhm
©privat
  • Thomas Böhm hat Rechtswissenschaft, Anglistik und Pädagogik in Bonn und Bochum studiert.
  • Er ist Dozent für Schulrecht und Rechtskunde am Institut für Lehrerfortbildung in Essen-Werden und führt bundesweit Seminare für Lehrkräfte und Schulleitungen durch.
  • Thomas Böhm ist Gründungsherausgeber der Zeitschrift „SchulRecht“.