Schleswig-Holstein : Notenzeugnisse ab der dritten Klasse
Während die Fachwelt über den Sinn von Noten debattiert, hat das Kultusministerium in Schleswig-Holstein eine klare Entscheidung getroffen: Ab dem kommenden Schuljahr sind Notenzeugnisse ab der dritten Klasse per Schulgesetz der Regelfall. Unter der vorherigen Landesregierung galten bis zum Ende der dritten Klasse verbale Beurteilungen als Regelfall. Bildungsministerin Karin Prien (CDU) spricht im Interview mit dem Schulportal über die Gründe für diese Entscheidung.

Deutsches Schulportal: Frau Prien, Sie wollen im kommenden Schuljahr wieder Notenzeugnisse ab der dritten Klasse verpflichtend einführen. Viele Expertinnen und Experten in der Bildungsforschung dagegen sprechen sich eher für verbale Beurteilungen der Kompetenzen und Lernfortschritte. Warum sind Noten für Sie so wichtig?
Karin Prien: Viele Eltern wünschen sich Noten und wünschen sich klare Orientierung, Leistungsrückmeldung und Vergleichbarkeit. Notenzeugnisse liefern Beurteilungen nach klaren Kriterien, die den Lehrkräften durch die Fachanforderungen und die Bildungsstandards vorgegeben sind. In der neuen Grundschulverordnung werden daher Notenzeugnisse verpflichtend eingeführt, allerdings können sich die Grundschulen, die das wünschen, durch Schulkonferenzbeschluss dafür entscheiden, Berichtszeugnisse zu erstellen.
Welche Probleme gab es mit der vorherigen Regelung?
Wir folgen mit unserer Weichenstellung den Wünschen der Eltern, vieler Bildungsexperten – und ich denke, auch Schülerinnen und Schüler wollen das mehrheitlich so.
Gibt es noch weitere Gründe für Ihre Entscheidung, ab der dritten Klasse wieder Notenzeugnisse einzuführen? Die Ergebnisse des IQB Bildungstrends 2016 für Schleswig-Holstein sind doch deutlich erfreulicher ausgefallen als zuvor.
Der Begriff Leistung hat auch in den Grundschulen Bedeutung; die für Schleswig-Holstein in Teilbereichen verhältnismäßig guten Ergebnisse des IQB-Bildungstrends sind ein Erfolg der engagiert arbeitenden Grundschullehrkräfte, aber gleichzeitig auch Ansporn, noch besser zu werden. Auch in Schleswig-Holstein gibt es keinen Grund sich auf dem Erreichten auszuruhen. Die Fachanforderungen für die Grundschule, die derzeit überarbeitet werden, definieren entsprechend die Kompetenzen, die die Schülerinnen und Schüler jeweils am Ende eines Schuljahres erreicht haben sollen. Auch Schleswig-Holstein steht durch die gewachsene Zuwanderung vor großen Herausforderungen.
Wie reagieren Lehrkräfte und Eltern auf diesen Beschluss?
Ich kann es nur so sagen: Als die Möglichkeit bestand, sich von Noten zu verabschieden, haben die meisten Schulen das nicht getan.
Was sagen Sie zur Kritik des Kinderschutzbundes, der beklagt, dass diese Entscheidung dazu führt, dass gerade leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler in ihrer Leistungsmotivation beeinträchtigt werden?
Ich glaube nicht, dass diese Aussage zutrifft. Zu den Noten kommen ja auch zum Beispiel regelmäßige Elterngespräche – und beides zusammen gibt allen einen guten Blick auf den Stand der Dinge, so dass man gegebenenfalls gut nachsteuern kann, um Ziele zu erreichen. Ich denke also, Noten helfen allen – den Leistungsstarken und auch den Leistungsschwachen.
Gibt es Absprachen mit Kultusministerien anderer Bundesländer diesbezüglich?
Es gibt einen intensiven Austausch. Auch in Hamburg und Baden-Württemberg wird eine stärkere Leistungsorientierung umgesetzt und dem konsequenten Erlernen von Basisqualifikationen eine höhere Bedeutung beigemessen.
Zur Person
- Karin Prien ist seit dem 28. Juni 2017 ist Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Schleswig-Holstein im Kabinett Günther.
- Nach dem Abitur 1984 in Rheinland-Pfalz studierte Prien Rechts- und Politikwissenschaften in Bonn.
- 1994 legte sie in Celle das Zweite Staatsexamen ab und war seitdem selbständige Rechtsanwältin mit Schwerpunkt Wirtschafts- und Insolvenzrecht in Hannover, Leipzig und Hamburg.
- Seit 2008 war sie Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht, seit 2011 auch Mediatorin.
- 2011 wurde Prien erstmals in die Hamburgische Bürgerschaft gewählt. Sie war schulpolitische Sprecherin der CDU-Bürgerschaftsfraktion und Mitglied des Fraktionsvorstands. Im Zuge ihres Wechsels in die Landesregierung Schleswig-Holsteins schied sie im Juni 2017 aus der Bürgerschaft aus.
- Karin Prien ist verheiratet und hat drei Kinder.
