Refugee Teachers Program : Hohe Einstiegshürden für geflüchtete Lehrkräfte

Geflüchtete Lehrkräfte können sich an der Universität Potsdam in 18 Monaten mit dem „Refugee Teachers Program“ für den Einstieg in die Schulen in Brandenburg qualifizieren. Doch trotz des anspruchsvollen Programms und obwohl ausgebildete Fachlehrkräfte händeringend gebraucht werden, gelingt die Anerkennung als Lehrkraft anschließend nur in wenigen Fällen. Das Schulportal hat genauer nachgefragt, woran das liegt.

Absolventinnen und Absolventen des refugee teachers Program im Hörsaal.
Seit 2016 können sich geflüchtete Lehrkräfte an der Universität Potsdam in einem Qualifizierungsprogramm auf den Einstieg an einer Schule in Brandenburg vorbereiten.
©Marie Rüdiger

Die 32-jährige Zahra arbeitet an einer Grundschule in Potsdam als pädagogische Unterrichtshilfe. Sie unterstützt Kinder aus Migrantenfamilien beim Erlernen der deutschen Sprache, führt oder übersetzt Gespräche mit arabischsprachigen Eltern und arbeitet mit Kindern in Kleingruppen, um sie zu fordern und zu fördern. Laut Vorgabe des Schulministeriums darf sie allein nur mit maximal sieben Kindern arbeiten. Dabei hat Zarah in Syrien ein pädagogisches Studium als Grundschullehrerin abgeschlossen. Um in Brandenburg als Lehrerin arbeiten zu können, absolvierte sie an der Universität Potsdam das „Refugee Teachers Program“. Das Programm ist in Vollzeit und erstreckt sich über 18 Monate, neben Sprachkursen und pädagogischen Seminaren gehört auch ein Schulpraktikum dazu.

Für die Grundschullehrerin ist nicht klar, wie es für sie weitergeht. „Meine Schule will mich behalten, aber ob die Stelle als pädagogische Unterrichtshilfe weiter finanziert wird, ist nicht sicher“, sagt sie. Und eine unbefristete Anstellung als Lehrerin ist für sie in Brandenburg derzeit nicht möglich.

Der Grund: 2019 änderte das Kultusministerium in Brandenburg die Vorgabe für die Anerkennung von Lehrkräften, die im Ausland ausgebildet wurden. Während bisher das Sprachniveau C1 des europäischen Referenzrahmens ausreichte, müssen die Bewerberinnen und Bewerber nun das Niveau C2 nachweisen. Um C2 zu erreichen, müsste Zahra die deutsche Sprache annähernd wie ihre Muttersprache sprechen. Dabei fehlen auf pädagogische Berufe zugeschnittene Deutschkurse, die zu einem C1- oder C2-Niveau führen.

Potenzial für mehr Vielfalt im Lehrerzimmer

Unterdessen werden qualifizierte Lehrkräfte dringend gesucht. Das „Refugee Teachers Program“ wurde 2016 an der Universität Potsdam gegründet. Damals war es deutschlandweit das einzige Programm dieser Art. Inzwischen gibt es ähnliche Angebote auch an den Universitäten Bielefeld und Bochum, Flensburg und Kiel sowie an der Universität in Vechta. Ziel ist es, Lehrkräften, die aus ihren Herkunftsländern geflüchtet sind, den Berufseinstieg an einer Schule in Deutschland zu ermöglichen. Nicht nur die geflüchteten Lehrkräfte würden davon profitieren, sondern auch die Schulen.

Denn Deutschland hat in der Vergangenheit nicht genügend Lehrkräfte ausgebildet – in allen Bundesländern fehlt es an qualifiziertem pädagogischen Fachpersonal. Und noch ein weiterer Grund spricht für den Einsatz geflüchteter Lehrkräfte: „Die Lehrerschaft in Deutschland ist sehr homogen, es gibt kaum Lehrkräfte mit Migrationshintergrund. Gleichzeitig nimmt die Vielfalt der Schülerschaft immer mehr zu“, sagt Bildungsforscherin Miriam Vock, die das Programm an der Universität Potsdam vor vier Jahren initiiert hat.

Allein 2015 seien kurzfristig 5.000 geflüchtete Schülerinnen und Schüler ins Brandenburger Schulsystem integriert worden. Im Jahr 2016 gaben rund 11.000 der Asylerstantragsteller und -antragstellerinnen in Deutschland an, dass ihre zuletzt im Herkunftsland ausgeübte Tätigkeit in die Kategorie „Lehrende Berufe“ fällt. „Das ist ein riesiges Potenzial, doch nur extrem wenigen gelingt die Anerkennung als Lehrkraft – deshalb braucht es passgenaue Weiterqualifizierungen für diese Lehrergruppe“, sagt Miriam Vock.

Die Lehramtsausbildung in Deutschland sei äußerst komplex und anspruchsvoll, hier müssen Lehrkräfte zwei Fächer und Bildungswissenschaften im Masterstudiengang absolviert haben. Das sei ein deutscher Sonderweg, in den meisten anderen Ländern reiche ein Fach aus. Je nach Bundesland müssen die Lehrkräfte aus dem Ausland das Sprachniveau C1 oder C2 nachweisen. Es dauere oft viele Jahre, bis geflüchtete Lehrkräfte diese beiden Hürden überwunden haben, so Vock.

Integration geflüchteter Lehrkräfte an Schulen bleibt schwierig

Das „Refugee Teachers Program“ soll den Prozess beschleunigen und Perspektiven eröffnen. Künftig soll es dauerhaft etabliert werden; überlegt wird derzeit, das Programm nicht nur geflüchteten, sondern auch anderen Lehrkräften mit einem im Ausland erworbenen Abschluss anzubieten. Doch die anschließende Anerkennung als vollwertige Lehrkraft ist trotz des anspruchsvollen Programms schwierig.

Nada hat das Programm an der Uni Potsdam 2017 erfolgreich abgeschlossen. Seit zwei Jahren arbeitet sie als pädagogische Unterrichtshilfe an einer Grundschule in Brandenburg. Auch sie darf nur mit Kleingruppen arbeiten oder als Vertretungskraft. Ihre Stelle ist immer nur befristet. Die 50-Jährige hat 14 Jahre Berufserfahrung als Englischlehrerin, einige Jahre hat sie in Damaskus sogar eine Schule geleitet. Doch mit dem vorausgesetzten Sprachzertifikat C2 in Deutsch ist ihr Einsatz als Englischlehrerin in Potsdam wieder in die Ferne gerückt. „Im Moment würde ich die Sprachprüfung nicht schaffen. Neben der Arbeit in der Schule muss ich mich auch um meine Tochter kümmern, damit sie das Abitur schafft. Vielleicht gehe ich die Prüfung nächstes Jahr an“, sagt sie.

Miriam Vock setzt sich dafür ein, neue Wege zu beschreiten, um die offizielle Anerkennung und Integration der Lehrkräfte zu beschleunigen. In Schweden beispielsweise können die geflüchteten Lehrkräfte einen Teil ihrer Qualifizierung, die sie auf den Einsatz an Schulen in Schweden vorbereitet, in ihrer Muttersprache absolvieren. So können sie mit der Qualifikation bereits beginnen, bevor sie ein hohes Sprachniveau im Schwedischen erreicht haben. Auf einer Tagung an der Universität Potsdam im März haben Absolventinnen und Absolventen des Programms gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern aus der Wissenschaft diskutiert, wie die Lehrkräfte beim Spracherwerb noch besser unterstützt werden können.

Die Lehrerin Zahra hofft, dass es an ihrer Schule in Potsdam auch im kommenden Schuljahr irgendwie weitergeht. „Ich liebe diesen Beruf und fühle mich auch im Kollegium sehr wohl und anerkannt“, sagt sie.

Auf einen Blick

  • Die Universität Potsdam hat 2016 ein Qualifizierungsprojekt für geflüchtete Lehrkräfte gestartet, um den Berufseinstieg ins Brandenburger Schulsystem zu ermöglichen.
  • Zielgruppe sind geflüchtete Akademikerinnen und Akademiker, die im Ausland ein Lehramtsstudium erfolgreich absolviert haben und in ihrem Herkunftsland bereits als Lehrkraft an einer Schule gearbeitet haben.
  • Das 18-monatige Programm bietet unter anderem Sprachkurse für den Erwerb des Sprachzertifikats C1, pädagogische Seminare und ein Schulpraktikum.
  • Die Qualifizierung in Vollzeit bereitet auf eine zweijährige Tätigkeit als Assistenzlehrkraft oder als pädagogische Unterrichtshilfe vor.
  • Danach soll eine Weiterqualifizierung analog zum Seiteneinstieg anschließen.