Mirko Drotschmann : „Auch junge Menschen wollen umfangreich informiert werden“

Als „MrWissen2Go“ hat Mirko Drotschmann auf Youtube fast zwei Millionen Follower und ist damit einer der erfolgreichsten Wissensvermittler im Netz. Dort erklärt er auf spannende Weise alles rund um Politik und Geschichte – und holt junge Menschen dort ab, wo sie sich ohnehin meist bewegen: auf Social Media. Dem Deutschen Schulportal erzählte der Moderator des Deutschen Schulpreises, was den Erfolg seiner Videos ausmacht.

Mirko Drotschmann MrWissen2go
Als erfolgreicher Youtuber „MrWissen2go“ vermittelt Mirko Drotschmann auf spannende Weise alles rund um Politik, Zeitgeschehen und Geschichte
©Funk

Deutsches Schulportal: Gibt es aus Ihrer Sicht so etwas wie eine „Geheimzutat“, um junge Menschen für ein Thema zu interessieren?
Mirko Drotschmann: Ja, die gibt es. Ich glaube, der beste Weg ist es, einen Zugang zu finden, wie dieses Thema die Lebenswelt des Publikums berührt. Und das kriegt man mit fast jedem Thema hin. Ob es was Historisches ist, was Politisches oder was Gesellschaftliches. Irgendeine Berührung gibt es meistens mit der Lebenswelt. Und wenn man die in den Mittelpunkt stellt oder zumindest auch als Anlass nimmt, dann kann es schon gelingen, sich Gehör zu verschaffen und gleichzeitig auch Inhalte zu vermitteln.

Wie haben Sie sich diesen guten Zugang erarbeitet, Wissen anschaulich zu vermitteln?
Ich habe lange für die Kindernachrichten „logo!“ gearbeitet. Dort habe ich gelernt, wie man komplexe Sachverhalte in sehr kurze Sendezeit bekommt. Wie man in einfachen Worten sehr komplizierte Dinge wiedergeben kann und wie man sich auf die wichtigen Aspekte eines Themas konzentriert. Nach dem Motto: „Im Zweifelsfall weglassen“. Das hat mir geholfen. Gleichzeitig habe ich auch eine journalistische Ausbildung beim Südwestrundfunk mit einem Volontariat durchlaufen, und ich habe lange für junge Radioprogramme gearbeitet. Da bekommt man mit der Zeit ein Gespür dafür, wie man vor allem einem jüngeren Publikum Dinge näherbringen kann. Es ist also vor allem die Erfahrung durch die journalistische Arbeit, die mir geholfen hat. Eine pädagogische Ausbildung habe ich nicht.

Wie erklären Sie sich Ihren großen Erfolg?
Ich denke, was immer gut funktioniert, ist, sich auf den Standpunkt derjenigen zu stellen, denen man etwas vermitteln will, und sich zu überlegen: Was wissen die, was interessiert die, in welcher Lebenswelt befinden die sich, und wie kann man einen guten Zugang zu ihnen bekommen. Und wenn man das immer wieder im Hinterkopf hat, dann hilft einem das auch, wenn man ein Skript schreibt, wenn man einen roten Faden sucht oder eine interessante erkenntnisleitende Fragestellung, an der man sich orientieren möchte.
Was weniger gut funktioniert ist, zu denken: Okay, ich mache jetzt etwas für junge Menschen, also muss ich selbst auch möglichst jung und jugendlich wirken – sowohl in der Sprache als auch in der Herangehensweise. Das kann sehr nach hinten losgehen. Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass auch junge Menschen anspruchsvoll sind, dass sie umfangreich informiert werden wollen und dass sie es auch okay finden, wenn man nicht alle zwei Sätze einen Witz macht.

Die Pandemie hat sicher etwas verändert an der Art, wie Lehrende aber auch Lernende sich Wissen „beschafft“ haben. Hat das auch etwas an Ihnen geändert und an Ihrer Art, Wissen zu vermitteln?
Auf diese Frage kann ich ganz klar Nein sagen. Ich bin einfach bestärkt worden darin, dass es eine gute Möglichkeit sein kann, Wissen so zu vermitteln. Und die Aufmerksamkeit – gerade in den Hochphasen der Shutdowns -, die war enorm hoch und hat gezeigt, dass es da ein großes Potenzial gibt und großen Bedarf.

Ganz generell gibt es eigentlich nichts, was man nicht per Video vermitteln könnte.

Eignet sich Ihrer Meinung nach jedes Thema oder jedes Unterrichtsfach, um es per Video zu vermitteln?
Das eine natürlich mehr, das andere weniger. Gerade Themen, die sich nicht so gut in einem Vortrag darstellen lassen, die kommen dann vielleicht an Grenzen – wenn man zum Beispiel mathematische Herleitungen machen möchte. Aber auch das kann gut funktionieren, wie man zum Beispiel bei den Kollegen „Lehrer Schmidt“ oder Daniel Jung sieht. Man braucht da nur den richtigen Ansatz. Insofern würde ich sagen: Es gelingt vielleicht bei einigen Themenfeldern leichter – aber ganz generell gibt es eigentlich nichts, was man nicht per Video vermitteln könnte. Selbst Sprachen übrigens!

Welches war Ihr erfolgreichstes Video? Oder das Video mit den meisten Reaktionen?
Wenn man das an rein quantitativen Maßstäben misst, dann war es das Video „Was wäre, wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte?“ Ich habe jetzt länger nicht mehr reingeschaut, aber das müsste irgendwo bei neun Millionen Aufrufen liegen. Auch was die Rückmeldungen in den Kommentaren angeht, war es das Video mit der größten Reichweite. Weil es sicher ein Thema ist, das sehr viele Menschen interessiert, und diese fiktiven Szenarien sind generell etwas – das merke ich immer wieder –, das für viele Menschen spannend ist.

Das Wichtigste ist, authentisch zu sein

Wenn Sie Lehrenden Tipps geben sollten, die ihr Wissen anders und vielleicht sogar auch mit Lernvideos vermitteln wollen würden – welche wären das?
Das Wichtigste ist, authentisch zu sein. Sich nicht großartig zu verstellen, sondern so in der virtuellen Welt vermitteln, wie man es auch im realen Leben machen würde. Außerdem sollte man sich auf einen roten Faden konzentrieren und sich selbst auch limitieren in dem, was man sagt. Keine 30 Minuten langen Videos machen, sondern lieber 10 bis 15 Minuten. Oft ist es hilfreich, nicht mit einer Chronistenpflicht im Hinterkopf unterwegs zu sein, sondern sich auf die wesentlichen Dinge zu konzentrieren. Ebenfalls wichtig ist es, eine gute Dramaturgie zu haben. Einen guten Erklärsatz, den man im Hinterkopf hat.

Ich bekomme sehr viele nette Nachrichten von Lehrerinnen und Lehrern.

Sie bekommen sicher oft Feedback von Schülerinnen und Schülern sowie Studierenden – erhalten Sie auch Rückmeldungen von Lehrerinnen und Lehrern?
Als ich angefangen habe mit den Youtube-Videos, war meine große Angst, dass ich Hassmails bekomme von Lehrerinnen und Lehrern. So nach dem Motto: Du denkst, du weißt alles und kannst unseren Job machen, aber du hast doch keine Ahnung. Tatsächlich hat sich das glücklicherweise nicht bewahrheitet, sondern das Gegenteil ist der Fall.
Ich bekomme sehr viele nette Nachrichten von Lehrerinnen und Lehrern. Zum einen mit der Rückmeldung: Wir zeigen Deine Videos hin und wieder im Unterricht. Aber auch mit Einladungen an Schulen, was mich immer wieder freut. Zum Teil bekomme ich auch Feedback unter dem Motto: Im Unterricht legen wir darauf den Schwerpunkt. Oder: Vielleicht kannst du das oder das noch berücksichtigen. Oder: An der Stelle ist mir dieses und jenes aufgefallen – was denkst du dazu?
Das Feedback ist also bunt gemischt, aber immer auf eine sehr konstruktive und positive Art und Weise. Was mich sehr freut!

Was halten Sie für ein – weiteres – Medium, um Wissen zu vermitteln?
Alles, was auditiv ist. Ob das jetzt der Podcast ist oder das Hörbuch, das Feature. Ich komme selbst vom Radio und bin ein großer Fan von auditiver Vermittlung von Wissen. Und deshalb würde ich sagen: Ob es das Radio ist oder irgendeine Plattform wie „Spotify“ oder „Podigee“ – das ist, glaube ich, ein gutes Feld.

Das Allerwichtigste ist immer noch die Lehrkraft

Was wünschen Sie sich für Ihre eigenen Töchter und deren Schulzeit?
Unsere große Tochter ist jetzt in die Schule gekommen, und insofern haben wir auch wieder deutliche Berührungspunkte mit dem Thema. Ich wünsche mir einfach für die beiden, dass sie – ähnlich wie ich zum Beispiel – vor allem gute Lehrerinnen und Lehrer haben, die ihr Fach mit Leidenschaft vermitteln und die eine ansteckende Begeisterung haben, sodass es einfach Spaß macht, den Unterricht zu verfolgen. Wenn meine Töchter gern in die Schule gehen, weil sie sagen, da lerne ich was, und das auf eine ansprechende Art und Weise, dann, finde ich, ist es eigentlich das Wichtigste. Ich würde jetzt nicht sagen, sie müssen unbedingt viel mit Tablets oder Smartphones arbeiten, das sind alles Dinge auf dem Weg zum Ziel. Denn das Allerwichtigste ist immer noch die Lehrkraft und deren Art und Weise, die Leute mitzunehmen.

Und wenn Sie sich allgemein Veränderungen am Schulsystem wünschen könnten – welche wären das?
Ich würde mir wünschen, dass bei uns an Schulen viel mehr auf Begabung geschaut wird. Dass man sich schon früh für einen Zweig entscheiden und andere Dinge dann weniger gewichten kann. Ob man jetzt sagt, ich bin begeistert und begabt in Naturwissenschaften und würde mich dafür eher aus den Sprachen so ein bisschen rausziehen, oder andersherum. Das sei jedem und jeder selbst überlassen, aber ich glaube, dass es die Energie auf die richtigen Bereiche lenkt, wenn man sich ab der 8. oder 9. Klasse schon spezialisieren kann. Für mich war es ein Augen öffnender Moment, als ich nach der 11. Klasse viele Fächer abwählen konnte, in denen ich nicht so gut war, und plötzlich Zeit hatte für die Fächer, in denen ich besser war. Um fast eine ganze Schulnote hat sich mein Durchschnitt verbessert, wenn man das 11. Schuljahr mit dem 13. vergleicht.

Zur Person

  • Mirko Drotschmann (36) ist studierter Historiker, Journalist, Autor, Moderator und Webvideoproduzent.
  • Auf seinem Youtube-Kanal „MrWissen2go“ erklärt er wöchentlich das Weltgeschehen. Dort hat er fast zwei Millionen Follower. Bei seinem zweiten Kanal „MrWissen2Go Geschichte“ vermittelt er erzählerisch aufbereitetes Wissen rund um das Schulfach Geschichte.
  • 2016 ist sein Buch erschienen: „Verrückte Geschichte. Absurdes, Lustiges und Unglaubliches aus der Vergangenheit“ (riva, 9,99 Euro).
  • 2022 moderierte Mirko Drotschmann die Verleihung des Deutschen Schulpreises der Robert Bosch Stiftung.
Preisverleihung Deutscher Schulpreis Menschen auf der Bühne
Mirko Drotschmann als Moderator bei der Verleihung des Deutschen Schulpreises 2022.
©Max Lautenschlaeger / Robert-Bosch-Stiftung