Bayern : Mehr Rückstellungen von der Einschulung

Zum Schuljahr 2019/2020 wird in Bayern ein neuer Einschulungskorridor für Erstklässler eingeführt. Dadurch soll vor allem die individuelle Betrachtung der Kinder bei der Einschulung in den Vordergrund gestellt werden. Die kurzfristige Einführung führt in einigen Kommunen jedoch zu einem Platzmangel an Kitas für die nachrückenden Kinder.

Schuhe und Jacken sind in einer Kindertagesstätte in einem Flur zu sehen.
2.800 Kinder in Bayern sind in diesem Jahr nach Zahlen des Familienministeriums von der Einschulung zurückgestellt worden. Dadurch wird es eng in einigen Kitas.
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In mehreren bayerischen Kommunen sorgt der neue Einschulungskorridor für Grundschulkinder für Wirbel. Denn dort blockieren Kindern, die nun ein Jahr länger im Kindergarten bleiben, Plätze für nachrückende Dreijährige.

In diesem Jahr können erstmals die Eltern entscheiden, ob ihre Kinder, die zwischen dem 1. Juli und dem 30. September sechs Jahre alt werden, nach dem Sommer oder erst ein Jahr später eingeschult werden. Dadurch ist die Zahl der zurückgestellten Kinder nahezu überall gestiegen, in einigen Landkreisen sogar um ein Drittel.

Von den Eltern, denen die Entscheidung offen stand, ihre Kinder noch nicht einschulen zu lassen, entschieden sich 44 Prozent dafür. Das ist im Vergleich zum zurückliegenden Schuljahr ein Plus von neun Prozentpunkten. Insgesamt sind es rund 2.800 Kinder, die wegen der neuen Wahlfreiheit der Eltern erst ein Jahr später eingeschult werden, wie das Kultusministerium bilanziert.

Bei mehr als 3.000 Grundschulen und gut 7.000 Kindergärten im Freistaat kein großes Problem, findet Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler). „Es trifft statistisch nicht mal jede Grundschule und jeden Kindergarten mit einem Kind. Aber natürlich gibt es die ein oder andere Gruppe vor Ort, die genau deshalb einen zuviel hat oder zwei.“

Einige Kommunen sind vom Einschulungskorridor besonders betroffen

Die Situation ist je nach Kommune sehr unterschiedlich, wie der Dachverband Bayerischer Träger für Kindertageseinrichtungen oder der Evangelische KITA-Verband Bayern berichten. Auch sie wissen von Regionen, in denen der Einschulungskorridor kein Problem darstellt. Doch es gibt eben auch andere.

Rosenheim zum Beispiel. Mit einem Plus von neun Prozentpunkten liegt der Schulamtsbezirk genau im bayerischen Schnitt. „Wir haben errechnet, dass wir aufgrund des Korridors eine ganze Kindergartengruppe mehr brauchen werden“, schildert die zuständige Sachgebietsleiterin der Stadt Rosenheim, Sabine Hilger. „Und das wird sich die nächsten Jahre durchziehen.“

Nach der zentralen Anmeldewoche für die Kindergärten bleiben in Rosenheim 95 Kinder übrig, denen die Stadtverwaltung zunächst keinen Platz anbieten konnte – zusätzlich zu den vielen auf der Warteliste, deren Eltern gar nicht erst auf ihren Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz pochen. Für erstere wurden jetzt Übergangslösungen unter anderem in einem Mehrzweckraum und dem Souterrain bereits bestehender Kindergärten gefunden.

In Schwabach waren im Juni noch rund 90 Kinder ohne Platz – von anfangs 170. Mit einem Zuwachs von 32 Prozentpunkten wurden in der mittelfränkischen Kleinstadt so viele zusätzliche Kinder zurückgestellt wie nirgendwo sonst in Bayern. „Unser Jugendamt hat in den letzten Wochen gearbeitet, gearbeitet, gearbeitet“, schildert Stadtpressesprecher Jürgen Ramspeck. Nichtsdestotrotz bräuchte es noch vier weitere Gruppen, um alle unterzubringen. „Sie brauchen die Räumlichkeiten und sie brauchen das Personal. Das sind die beiden Faktoren, die momentan nirgendwo im Überfluss vorhanden sind“, bilanziert Ramspeck.

In der Statistik folgen Bayreuth mit einem Plus von 29 Prozentpunkten und Hof mit plus 28 Prozentpunkten den Schwabachern dicht auf den Fersen. Auch dort mussten die Verantwortlichen erstmal schlucken, als sie die Zahlen auf dem Tisch hatten. Aber zumindest in Bayreuth habe man inszwischen Lösungen gefunden, hieß es von der Stadt.

Für die Erarbeitung neuer Konzepte blieb keine Zeit

Kritik in den Kommunen gibt es an dem kurzen Vorlauf – Piazolo hatte den Einschulungskorridor Ende Januar verkündet. Genug Zeit zur Vorbereitung, findet der Minister. Zu wenig für qualitativ hochwertige Angebote, finden die Kita-Experten. Schließlich könne es nicht die Lösung sein, einfach die Gruppen zu vergrößern oder den Personalschlüssel zu verringern.

Simone Fleischmann vom Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband stört zudem noch ein ganz anderes: „Das Signal, das von dieser Entscheidung ausgeht, das ist schwierig, weil wir dadurch signalisieren: Die Kinder sollen lieber älter sein, lieber fitter sein, um diese schwierige Grundschulzeit durchzustehen und den Übergang zu schaffen.“ Dabei sollten die Kinder doch motiviert und voller Vorfreude auf das Lernen zur Einschulung kommen – und nicht das Gefühl haben, vor der Schule beschützt werden zu müssen.

dpa/ Elke Richter

Einschulungskorridor in Bayern

Betroffen vom neuen Einschulungskorridor in Bayern sind Kinder, die zwischen dem 1. Juli und dem 20. September sechs Jahre alt werden. Die Eltern können nach einer Empfehlung durch die Schule frei entscheiden, ob ihr Kind zum kommenden Schuljahr oder erst ein Jahr später eingeschult wird.