Lehrerbildung : Was sich angehende Lehrkräfte vom Studium wünschen
Um gute Schule zu gestalten, braucht es eine gute Lehrkräftebildung. Aktuell wird aber aufgrund des Lehrkräftemangels vor allem über die Quantität von Lehrkräften diskutiert. Die studentische Initiative „Kreidestaub“ will dies ändern. Auf dem diesjährigen Lehramtsfestival der Initiative diskutierten angehende Lehrkräfte über die Zukunft der Lehrerbildung und die veränderten Anforderungen des Berufs. Das Schulportal hat einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer gefragt, was für sie gute Lehrerbildung ausmacht und was sich ändern muss.
Sonja Zielke (23) studiert Lehramt (Primarstufe) an der Universität Potsdam und wird voraussichtlich in zwei Jahren ihr Referendariat antreten: „Ich wünsche mir, dass im Studium stärker das Thema Schule als Institution in den Fokus gerückt wird. In den Seminaren und Vorlesungen geht es bislang vor allem um die Fächer und um den Unterricht. Schulentwicklung ist dagegen kein Thema. Dabei ist es so wichtig, zu lernen, wie alle an Schule Beteiligten sinnvoll kooperieren können, damit Lernen besser gelingt, und wie Schule es schaffen kann, mit gesellschaftlichen Herausforderungen wie Digitalisierung oder Inklusion umzugehen. Schon während des Studiums sollten gelingende Beispiele aus der Schulpraxis thematisiert werden – neue Formen von Lernen, besondere Schulkonzepte, um das bestehende Bild von Schule zu irritieren und eine Horizonterweiterung zu ermöglichen.“
Sebastian Schiller (28) studiert Musik und Sport an der Universität Potsdam: „Mir fehlen in der Ausbildung Reflexion und Aufarbeitung der eigenen Schulerfahrung. Das ist nötig, damit die eigene Erfahrung nicht einfach reproduziert wird. Es müsste ein Berufskodex für Lehrerinnen und Lehrer erarbeitet werden, der besagt, wie wir arbeiten wollen, und an dem sich alle Lehrkräfte orientieren können. Das Lehramtsstudium darf nicht einfach nur an die Fachwissenschaften angehängt werden. An der Uni Potsdam gibt es zum Beispiel für Lehramtsstudierende im Fach Musik extra Vorlesungen und Seminare. Die Studienatmosphäre ist eine ganz andere, weil die Dozierenden wissen, dass sie es ausschließlich mit Studierenden zu tun haben, die später an der Schule unterrichten werden. Das sollte für alle Lehramtsstudierenden gelten.“
Carla Fleischmann (23) studiert Sonderpädagogik und Deutsch an der Humboldt-Universität zu Berlin: „In den Seminaren müsste Zeit für Fragen sein, die sich mit der eigenen pädagogischen Haltung beschäftigen, damit, was der Einzelne umsetzen kann und wie das geschehen kann. Auch Ängste müssten thematisiert werden können. Es müsste einen Austausch darüber geben, wie jeder sein an der Uni erworbenes pädagogisches Wissen in sein Handeln übertragen kann. Viel zu kurz kommt auch das Thema Inklusion. Ich studiere Sonderpädagogik und lerne daher einiges darüber. Die Studierenden anderer Fächer hören so gut wie nichts davon, obwohl mehr als 60 Prozent Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf eine Regelschule besuchen. Auseinandersetzung mit Vielfalt muss deshalb zur Ausbildung gehören.“
Clara Margull (23) aus Jena studiert Lehramt Biologie/Politik an der Universität Potsdam und macht gerade ihren Master. In eineinhalb Jahren wird sie das Referendariat antreten: „Mir fehlt im Studium eine kritische Auseinandersetzung mit dem Bildungssystem. Nur so ist Weiterentwicklung möglich. Wir hören an der Uni nichts von reformpädagogischen Ansätzen oder anderen alternativen Schulkonzepten. Wenn wir uns aber mit solchen Konzepten nicht auseinandersetzen, reproduzieren wir doch nur das, was schon da ist und irgendwie funktioniert. Schon während des Studiums sollten wir uns damit beschäftigen, was an Schule gut läuft und was nicht. Dazu gehört auch, dass man sich selbst reflektiert und lernt, Feedback von Kolleginnen und Kollegen anzunehmen, sich mit ihnen auszutauschen. Hospitationen zum Beispiel sind etwas sehr Positives, das sehen aber viele Studierende nicht so. Auch in der Schulpraxis sind gegenseitige Hospitationen leider eher selten.“
Jonas Rebholz (28) studiert an der Universität Konstanz Spanisch und Englisch auf Lehramt: „Ich empfinde es als großes Problem, dass das Lehramtsstudium in Baden-Württemberg viel zu stark an das fachwissenschaftliche Studium angehängt ist. Es gibt kaum Veranstaltungen, die fächerübergreifend mit anderen Lehramtsstudierenden stattfinden. Nur so aber könnten sich Lehramtsstudierende untereinander austauschen. Wir müssen lernen, miteinander zu kooperieren. Schule ist nicht nur Unterricht, sondern kann auch viel bewegen. Lehramtsstudierende sollten deshalb vermittelt bekommen, über ihren Fachbereich hinauszudenken, zu verstehen, was Schulentwicklung bedeutet und wie sie gemacht werden kann.“
Klara Pelz (24) studiert Spanisch und Musik für die Sekundarstufen I und II an der Universität Potsdam: „Im Studium erfahren wir viel zu wenig darüber, was es heißt, Schule als veränderbar wahrzunehmen, als etwas, das man gestalten kann. Wichtig wäre, dass wir lernen, wie wir uns einbringen können in Schulentwicklung, welche Instrumente dafür nötig sind. Ein großes Thema ist für mich außerdem, wie man als Lehrkraft gute pädagogische Beziehungen zu den Schülerinnen und Schülern aufbauen kann. Diese Beziehungen schaffen die Grundlage für ein Neudenken des Autoritätsbegriffs – sie sind das Fundament für die gesamte pädagogische Arbeit. In unserer Ausbildung kommt dieses Thema aber nicht vor.“
Auf einen Blick
- „Kreidestaub“ ist eine studentische Initiative zur Verbesserung der Lehrkräftebildung. Seit 2013 vernetzt der Verein junge Menschen, die den Anspruch haben, „gute Schule“ zu machen. Thematisiert wird, was den angehenden Lehrkräften im Studium fehlt.
- Den Studierenden geht es darum, voneinander zu lernen und sich gegenseitig zu motivieren, eigene praktisch orientierte Projekte zu starten und Ideen zu entwickeln, wie die Lehrerbildung wirkungsvoll ergänzt werden kann.
- „Kreidestaub“ veranstaltete am 21. und 22. Juni 2019 zum dritten Mal das Lehramtsfestival – dieses Jahr an der Evangelischen Schule Berlin Zentrum – unter dem Titel „Gute Lehrer*innen – gute Schulen“.