Infografik

Übergang : Auf welche weiterführende Schule nach der Grundschule?

Der Übergang von der Grundschule auf die weiterführende Schule ist für Kinder, Eltern und Lehrkräfte mit vielen Fragen verbunden. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um zum Beispiel auf das Gymnasium wechseln zu können? Wer entscheidet darüber, auf welche weiterführende Schule ein Kind wechselt? Das Schulportal beantwortet die wichtigsten Fragen zum Schulübergang und zeigt die Unterschiede zwischen den Bundesländern in einer großen Infografik.

Grafik zum Übergang auf weiterführende Schule

Der Wechsel nach der Grundschule in die Sekundarstufe I ist der erste große Sprung in der Bildungslaufbahn der Kinder. Die Grundschulen unterscheiden sich in ihren pädagogischen Ansätzen. Sie sind aber Schulen für alle Kinder. Nach vier Jahren Grundschule – in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern nach sechs – erfolgt dann der Wechsel auf die weiterführende Schule und damit in unterschiedliche Schularten.

Welche Schularten gibt es nach der Grundschule?

In vielen Bundesländern ist das traditionelle dreigliedrige Schulsystem aus Haupt- und Realschule sowie Gymnasium inzwischen von einem zweigliedrigen Schulsystem abgelöst. Neben dem Gymnasium gibt es in diesen Ländern also nur noch eine weitere Schulform, an der die Schülerinnen und Schüler verschiedene Abschlüsse ablegen können. An manchen Schulen können alle Abschlüsse bis zum Abitur abgelegt werden. Andere Schulen bieten nur den Realschul- bzw. den Mittleren Schulabschluss (MSA) oder den Ersten allgemeinbildenden Schulabschluss (ESA) an. Je nach Bundesland tragen diese weiterführenden Schulen verschiedene Namen: In Berlin ist es die Integrierte Sekundarschule, in Hamburg die Stadtteilschule. In Niedersachsen, Brandenburg oder Nordrhein-Westfalen ist es die Gesamtschule, in Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein oder dem Saarland die Gemeinschaftsschule.

Nach einer Umfrage für das Nationale Bildungspanel (NEPS) gaben 61 Prozent der Grundschülerinnen und Grundschüler in der vierten Klasse an, nach der Grundschule auf ein Gymnasium wechseln zu wollen, aber nur 40 Prozent haben den direkten Übergang auf die gewünschte weiterführende Schule geschafft. 14,6 Prozent der Schülerinnen und Schüler wollten auf die Realschule, 8,7 Prozent auf eine Schule mit mehreren Bildungsgängen. 13,5 Prozent hatten auf die Frage nach der gewünschten weiterführenden Schule keine Antwort.

Wovon hängt es ab, auf welche weiterführende Schule ein Kind wechselt?

Welche Voraussetzungen ein Kind erfüllen muss, um von der Grundschule in die eine oder andere Schule zu wechseln, ist in den Bundesländern unterschiedlich geregelt (s. Infografik). Einen Überblick gibt auch die Informationsschrift der Kultusministerkonferenz über die Regelungen zum Übergang in den Bundesländern. Ob ein Kind eine Grundschulempfehlung fürs Gymnasium bekommt, hängt zum Beispiel in Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen oder Thüringen von seinen Noten ab. Dabei variiert der gewünschte Notendurchschnitt für eine Gymnasialempfehlung meist zwischen 2,0 und 2,5. Zum Teil werden alle Fächer berücksichtigt, in anderen zählen wiederum nur Mathe und Englisch oder nur die Hauptfächer.

In anderen Bundesländern spielen bei der Grundschulempfehlung für den Übergang auf die weiterführende Schule nicht nur die Noten eine Rolle. Auch Leistungsentwicklung und Lernverhalten können stärker ins Gewicht fallen.

Was gilt wo: Grundschulempfehlung oder Elternwille?

In allen Bundesländern geben die Lehrkräfte Grundschulempfehlungen dazu ab, welche weiterführende Schule aus ihrer Sicht für das Kind richtig wäre. Dazu führen sie meist auch beratende Gespräche mit den Eltern. In manchen Bundesländern sind diese Beratungsgespräche verpflichtend für die Erziehungsberechtigten. Die Grundschulempfehlung hat in den Ländern unterschiedlich großes Gewicht.

Das letzte Wort bei der Entscheidung, auf welche Schulart ein Kind dann tatsächlich wechselt, haben in der Regel aber die Eltern. Nur in wenigen Bundesländern wie Bayern, Brandenburg und Thüringen ist die Grundschulempfehlung verbindlich und steht letztlich über dem Elternwillen.

Bis vor Kurzem galt diese Regelung auch in Sachsen, die hier inzwischen gekippt wurde. Die Grundschulempfehlung hat zwar immer noch viel Gewicht, und Kinder müssen eine Aufnahmeprüfung machen, wenn die Noten nicht entsprechend sind. Letztlich ist aber der Elternwille ausschlaggebend.

In Baden-Württemberg sollte die verbindliche Grundschulempfehlung 2020 wieder eingeführt werden, doch fand sich dafür im Landtag keine Mehrheit.

Eltern in Bayern, Brandenburg oder Thüringen, die ihr Kind gegen die Grundschulempfehlung auf eine andere Schulform schicken wollen, können ihr Kind zum Probeunterricht an der weiterführenden Schule anmelden. Es besucht dann zwei oder drei Tage die gewünschte Schulart und wird dabei geprüft. Erfüllt es die Voraussetzungen, wird es für die Schulart zugelassen. Besteht es diese nicht, gilt weiterhin die Grundschulempfehlung.

Auch in anderen Bundesländern müssen die Kinder eine Aufnahmeprüfung absolvieren oder am Probeunterricht teilnehmen, wenn der vorgegebene Notenschnitt für die weiterführende Schule nicht reicht. Eltern haben im Gegensatz zu Bayern in den beratenden Gesprächen oft Einfluss auf die Bildungsgangempfehlung.

Übergänge nach der Grundschule Grafik zu den Regelungen in den Bundesländern

Welches Verfahren ist für den Wechsel auf die weiterführende Schule gerecht?

Vor zwei Jahren hat eine Studie untersucht, ob die verbindliche Grundschulempfehlung zu mehr Leistungsgerechtigkeit und weniger Bildungsungleichheit führt. Die Sozialwissenschaftlerin Kerstin Hoenig und der Soziologe Hartmut Esser wollten herausfinden, inwieweit eine verbindliche Bildungsgangempfehlung zu einer Verteilung der Schülerschaft auf die verschiedenen Schulformen der Sekundarstufe I führt, die weniger von der sozialen Herkunft beeinflusst wird.

Sie haben dafür Daten von mehr als 3.000 Kindern aus der National Educational Panel Study (NEPS) ausgewertet. Ihr Fazit: Eine verbindliche Grundschulempfehlung kann zwar für eine leistungsgerechtere Verteilung der Schülerinnen und Schüler auf die verschiedenen Schularten sorgen. Sie vermindert aber nicht entscheidend den Einfluss der sozialen Herkunft.

Den Grund dafür sehen sie vor allem darin, dass die Verbindlichkeit nicht wirklich gegeben ist und Abweichungen von der Empfehlung für die weiterführende Schule trotzdem möglich sind – in alle Richtungen. Wenn also ein Kind eine Gymnasialempfehlung bekommt, kann es trotzdem immer auch eine Realschule oder eine Sekundarschule besuchen. Und ein Abweichen nach oben ist ebenfalls in den meisten Bundesländern möglich, wenn Eltern ihr Veto einlegen.

Kerstin Hoenig und Hartmut Esser sind allerdings davon überzeugt, dass eine verbindliche Grundschulempfehlung durchaus mehr Leistungsgerechtigkeit erreichen kann, wenn ein Abweichen von dieser Empfehlung nicht möglich wäre. Davon könnten insbesondere talentierte Kinder aus sozial schwächeren Gesellschaftsschichten profitieren. Ihre Eltern könnten sie dann nicht mehr entgegen einer Gymnasialempfehlung an einer anderen Schulart anmelden.

Neue Studie zu Grundschulempfehlungen

Welche Auswirkungen hat es, wenn die Empfehlung der Lehrkräfte an den Grundschulen für den Wechsel auf die weiterführende Schule ausschlaggebend ist? Das haben der Wirtschaftswissenschaftler Maximilian Bach vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim und die Wirtschaftswissenschaftlerin Mira Fischer vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung untersucht. In der gemeinsamen Studie kommen sie zu dem Ergebnis, dass Schülerinnen und Schüler bessere Leistungen in der letzten Klasse der Grundschule erreichen, wenn die Grundschulempfehlungen der Lehrkräfte verbindlich sind. Zugleich führe das aber auch zu mehr Stress, weil durch den zusätzlichen Leistungsdruck Noten- und Zukunftsängste wachsen.

Auf einen Blick

Die Infografik finden Sie hier auch als Tabelle, in der die unterschiedlichen Regelungen in den Bundesländern dargestellt sind.

Verbände fordern verbindliche Grundschulempfehlung

  • Wenige Wochen vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg im März 2021 haben der Philologen- und der Realschullehrverband die Wiedereinführung der verbindlichen Grundschulempfehlung gefordert. Ihr liege eine pädagogische Gesamtwürdigung zugrunde, die die bisherige Lern- und Leistungsentwicklung des Kindes, Lern- und Arbeitsverhalten sowie Lernpotenziale berücksichtige, teilten die beiden Verbände am 15. Januar mit. „Aus Verbindlichkeit ist Beliebigkeit geworden, die allen Schularten gleichermaßen zusetzt.“
  • Die Beliebigkeit der Schulwahl habe zu einer deutlichen Verschlechterung der Verhältnisse an den Schulen und zu enormen Belastungen der Kinder und Eltern sowie der Lehrkräfte an den weiterführenden Schularten geführt, kritisierten die Verbände.
  • Die Grundschulempfehlung gebe klare Anhaltspunkte dazu, welche weiterführende Schulart für ein Kind nach der vierten Klasse geeignet ist. Die grün-rote Vorgängerregierung hatte entschieden, dass die Einschätzung der Lehrkräfte seit 2012/2013 nicht mehr verbindlich ist. Die Eltern können sich über die Grundschulempfehlung hinwegsetzen und ihr Kind etwa auf ein Gymnasium schicken, obwohl es dafür keine Empfehlung hat. dpa