Forsa-Umfrage : Werteerziehung an Schulen unzureichend
Zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft bei der Werteerziehung an Schulen eine große Lücke. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) hat am 9. November die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage vorgelegt. Diese zeigen deutliche Defizite.
Bei der Werteerziehung in der Schule werden die Ziele aus Sicht der Eltern und Lehrkräfte häufig verfehlt. Das geht aus einer repräsentativen Forsa-Umfrage hervor, die der Verband Bildung und Erziehung (VBE) in Auftrag gegeben hatte. Befragt wurden für die Studie unter Leitung der Universität Tübingen zwischen Mai und Juni dieses Jahres 1.111 Eltern schulpflichtiger Kinder und 1.185 Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen. Dabei ging es um die Frage, welche Erziehungsziele in der Schule vermittelt werden sollten und wie das in der Praxis gelingt.
Das Ergebnis: Fast allen genannten Zielen wird von den Eltern und Lehrkräften eine große Bedeutung beigemessen. Acht der 16 Ziele werden von mehr als 90 Prozent der Eltern als wichtig oder sehr wichtig bewertet. Über 90 Prozent der Lehrkräfte bewerten sogar zwölf der 16 Ziele als wichtig oder sehr wichtig. Nur drei Prozent der Lehrkräfte und zehn Prozent der Eltern halten eine Wertediskussion in Schule für überflüssig. Bei der Formulierung der Ziele hatten sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Tübingen an den Schulgesetzen der Länder orientiert.
Mehrheit der Eltern sieht Ziel der Demokratieerziehung in der Schule verfehlt
Gemessen an den hohen Erwartungen fallen die Bewertungen bei der Umsetzung eher bescheiden aus. Dabei schwanken die Einschätzungen je nach Erziehungsziel. Am besten bewerten Lehrkräfte die Vermittlung der Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern in der Schule. Hier geben 59 Prozent der Eltern und 66 Prozent der Lehrkräfte an, dass dieses Ziel alles in allem in der Schule erreicht wird. Ähnlich positiv fällt die Einschätzung für das Erziehungsziel Achtung der Menschenrechte aus.
Bei der Demokratieerziehung dagegen ist die Mehrheit der Eltern (56 Prozent) der Meinung, dass die Schule das Ziel verfehlt. Auch fast jede zweite Lehrkraft (43 Prozent) sieht hier Defizite. Wenn es um die Anerkennung gesellschaftlicher Grundwerte geht, meinen 46 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer, dass dieses Erziehungsziel in der Schule nicht erreicht wird. Und nur 44 Prozent der Lehrer und 33 Prozent der Eltern glauben, dass das Ziel, die Kinder auf ihr künftiges Leben vorzubereiten, in den Schulen erreicht wird.
Lehrkräfte: Starre Schulstrukturen behindern die Werteerziehung
Gründe für ein Nicht-Erreichen einzelner Bildungs- und Erziehungsziele sehen Eltern wie auch Lehrkräfte vor allem in einer unzureichenden Berücksichtigung im Lehrplan. Zu den von den Lehrkräften am häufigsten genannten Hindernissen für die Werteerziehung gehören zudem starre Unterrichts- und Schulstrukturen.
„Werte müssen erlebt und gelebt werden, dafür braucht es weniger starre Strukturen und stattdessen mehr Flexibilität und vor allem mehr Zeit“, sagte der Bundesvorsitzende des VBE, Udo Beckmann, bei der Präsentation der Umfrage.
Bezeichnend sei laut Beckmann, dass die Umsetzung bestimmter Ziele genau dort gelinge, wo diese im Lehrplan integriert seien. Eltern als auch Lehrkräfte beurteilen die praktische Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Thema, etwa in Form von Projektwochen oder Workshops, als zweitwichtigsten Grund für das Erreichen bestimmter Werterziehungsziele.
In Hinblick auf die neuen Handlungsempfehlungen der Kultusministerkonferenz (KMK) zur Demokratiebildung, die im Oktober verabschiedet wurden, forderte Beckmann die Politik auf, auch die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Werteerziehung an den Schulen stärker zu verankern.
Dazu gehörten unter anderem der Ausbau einer qualitativen Ganztagsschule und der Einsatz multiprofessioneller Teams an Schulen. Zudem fordert der VBE Politik und Gesellschaft auf, sich auf einen gemeinsamen Wertekanon zu verständigen, der Orientierung für Schülerinnen und Schüler, für Lehrkräfte und Eltern bietet.