24. Dezember : Was in diesen Zeiten wirklich zählt
Worauf kommt es an, um in Krisen und Kriegen zu bestehen? Diese Frage stellt der preisgekrönte Wissenschaftsjournalist Ulrich Schnabel und findet eine klare Antwort in seinem neuen Buch: „Zusammen. Wie wir mit Gemeinsinn globale Krisen bewältigen.“
In Europa gibt es Krieg, das Geld ist in vielen Haushalten durch die Inflation knapp, die Energieknappheit lässt Kälte in viele Wohnungen einziehen, und die Klimakatastrophen häufen sich. Man könnte jetzt vermuten, dass alle versuchen, trotz der Krise für sich selbst noch das Beste herauszuholen und zum Beispiel Vorräte für Notfälle zu sammeln. Aber führt das wirklich zum Ziel? Und ticken die Menschen wirklich so?
Ulrich Schnabel, Bestsellerautor, Redakteur bei der ZEIT und mehrfach ausgezeichneter Wissenschaftsjournalist, glaubt nicht daran. Er sieht viel mehr die Stunde des Gemeinsinns gekommen. Nicht weil er den Menschen für so gut hält, sondern weil er davon überzeugt ist, dass die Gesellschaft keine andere Wahl hat: „Der Druck der Herausforderungen wird uns kaum eine andere Wahl lassen, als alle Kräfte zu mobilisieren, derer wir als menschliche Gemeinschaft fähig sind.“ Nach der Corona-Pandemie und nach dem Ukraine-Krieg werden weitere Krisen kommen, davon ist er überzeugt.
Was Menschen von Mammutbäumen lernen können
Die Antwort darauf sieht er nicht im Individualismus, sondern in der Stärkung des Gemeinsinns. Ulrich Schnabel zieht hier den Vergleich zu den Mammutbäumen. Bei ihrer Größe liegt die Vermutung nahe, dass die Wurzeln der Bäume tief in die Erde reichen, aber das Gegenteil ist der Fall: Sie sind Flachwurzler. Dass sie dennoch so fest im Boden stehen, liegt daran, dass sich die Wurzeln eines Mammutbaums mit denen der benachbarten Mammutbäume zu einem riesigen gemeinsamen Wurzelwerk verbinden. Sie üben sich in Gemeinsinn.
Aber wie kann es gelingen, dass unserer Gesellschaft ein gemeinsames Wurzelwerk entwickelt? Ulrich Schnabel sieht darin Gewinn und Herausforderung zugleich. Gewinn, weil sich durch das Zusammentreffen unterschiedlicher Fähigkeiten und Charaktere mehr Kreativität und mehr Kraft entwickeln könne. Herausforderung, weil „jede Verschiedenheit das Potenzial für Dissens und Streit“ beinhalte.
Gemeinsam machen die meisten Dinge im Leben mehr Freude
Anhand verschiedener Beispiele und in unterschiedlichen Kontexten beschreibt er, wie die Gemeinschaft zwischen diesen beiden Polen immer wieder neu ausgelotet werden muss. Schnabel betont dabei auch, dass es nicht darum geht, dass alle immer einer Meinung sind. Im Gegenteil: Wie die Geschichte zeigt, kann das zu einem gefährlichen Gruppendenken führen: „Alles, was vom herrschenden Konsens abweicht, wird geflissentlich ausgeblendet, wodurch die Gruppe immer mehr in eine irreale Scheinwelt abdriftet.“
Gerade die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Individuen mache die Gemeinschaft interessant und stark. Und im Übrigen mache Gemeinsinn den Alltag auch schöner, schreibt der Autor: „Viele Tätigkeiten machen schlicht mehr Freude, wenn wir sie gemeinsam mit anderen Menschen unternehmen – das gilt für das Arbeiten ebenso wie für das Essen, das Miteinander-Reden oder das Feiern.“ Also auch ganz besonders am heutigen Weihnachtsfest.
- Ulrich Schnabel: „Zusammen. Wie wir mit Gemeinsinn globale Krisen bewältigen“, aufbau Verlag, 303 Seiten, 23 Euro.
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